Softwaremarkt: IBM und HP wetzen die Messer

25.06.2007
Hewlett-Packard (HP) möchte die jüngsten Erfolge über das Hardware-Segment hinaus auf den Bereich Software übertragen. Dorthin hat sich auch IBM bewegt. Die Aufholjagd wird spannend.

Die Rivalität der IT-Schwergewichte IBM und HP ist legendär, auch wenn sich beide Konzerne in der Öffentlichkeit lieber bewusst ignorieren, statt mit Verbalinjurien wie Oracle-Chef Larry Ellison auf platte Provokationen zu setzen. Die Konzerne sind gereift, die Gemeinsamkeiten in den Produktpaletten sind groß, und jede Seite hat ihre Stärken und Schwächen. Hinzu kommt, dass HP und IBM ein ähnliches Kaliber haben: Im jüngsten Geschäftsjahr überflügelte der "kleinere" Anbieter HP seinen Rivalen IBM immerhin nach Gesamtumsätzen, wenn auch nur um einige hundert Millionen Dollar. Das Kopf-an-Kopf-Rennen zieht sich durch viele Segmente: Im ersten Quartal 2007 führte IBM laut Gartner im Segment der x86-Server vor HP, die im gleichen Zeitraum wiederum an der Spitze der Blade-Rangliste lagen. Bei Speichern finden sich IDC zufolge beide Konzerne gleichauf hinter EMC auf den zweiten Rang.

Nun setzt sich das Wettrennen der IT-Riesen im Softwaresektor fort. "Wir sind ernsthaft dazu bereit, die Führungsposition im Softwarebereich zu übernehmen", sagte CEO Mark Hurd vorige Woche auf der Kundenkonferenz "HP Software Universe" in Las Vegas. Management-Software werde als Kategorie ähnlich bedeutend wie Datenbanken und ERP, so Hurd, und das Segment verlange nach einem führenden Unternehmen: "Hier werden wir uns großartig schlagen." Um dorthin zu gelangen, muss sich HP jedoch in einigen Punkten verändern – etwa beim Vertrieb der Software an Kunden, beim Ausbau der Service-Einnahmen sowie der Expansion etwa in die Bereiche Security und Storage-Management.

HP hat die Verfolgung von IBM im Grunde genommen mit der Übernahme von Mercury Interactive aufgenommen. Der 4,5 Milliarden Dollar schwere Deal katapultierte HP mit einem Schlag auf Platz sechs der Liste großer Softwareunternehmen. IBM rangiert hinter Microsoft auf Platz zwei. Dabei hat Big Blue zuletzt ein hohen Tempo vorgelegt, um den Abstand zu halten: Allein 2006 wurden 13 Softwareunternehmen gekauft, 2007 ging die Einkaufstour ungebremst weiter. Zuletzt war es der Entwicklungsspezialist Telelogic, der unter das Dach von Big Blue schlüpfte. Im OEM-Bereich hat IBM rund 4.500 Verträge mit Unternehmen abgeschlossen, die Produkte des Konzerns verwenden. Bestes Beispiel ist der Kontrakt mit Cisco Systems, der im März erweitert wurde.

Langfristig hat IBM vor, dass Software die Hälfte aller Konzerngewinne beisteuert. Vergangenes Jahr waren es noch 40 Prozent. Mit Software erzielt IBM 20 Prozent seiner Einnahmen, bei HP waren es vergangenes Geschäftsjahr knapp zwei Prozent der über 91 Milliarden Dollar Umsatz. Immerhin hat Firmenchef Hurd seit seinem Amtsantritt im April 2005 rund 20 Softwareunternehmen geschluckt und zuletzt verkündet, diese Wachstumsstrategie vorerst auch weiter zu verfolgen. Zudem hat HP sein Budget für Forschung und Entwicklung (F&E) stärker in Richtung Software verschoben – auf Kosten der Hardware. Von den 3,6 Milliarden Dollar, die HP im vergangenen Geschäftsjahr für F&E ausgegeben hat, flossen 70 Prozent in den Bereich Software. Vor vier Jahren schnappten sich HPs Hardwareforscher noch 70 Prozent des Budgets.

"Schaut man nur auf den Umsatzanteil der Software, wird es lange dauern, bis HP zu IBM aufschließen kann", sagt IDC-Analyst Stephen Elliot. Allerdings stünden HP noch andere Wege offen, um das Softwaregeschäft zu stärken: "Störmanöver, einige schlaue Deals und eine bessere Auslastung speziell der Service- und Hardware-Vertriebskanäle zählen dazu." IBM im Bereich IT-Dienstleistungen etwas vorzumachen, ist allerdings nicht leicht.

HP-Chef Mark Hurd bewies ein glückliches Händchen beim Umbau des kriselnden Konzerns.

Vergangenes Jahr hat HP rund 500 Millionen Dollar in die Integration neu erworbener Technologien wie Mercury investiert. Beobachter schätzen die Zahl der angesammelten Softwareprodukte auf 200 bis 300 – allein das OpenView-Portfolio umfasst mehr als 100 Applikationen. Daher ist es dringend erforderlich, dass der Konzern seine Angebote rigoros vereinfacht, sollen die Kunden nicht überfordert werden. Jedoch wird dies allein nicht reichen, warnen Experten wie Jasmine Noel, Analystin und Mitgründerin von Ptak, Noel & Associates: "Da der sinkende Absatz von Hardware keine Option ist, muss HP das Durchschnittsvolumen pro Deal steigern und weitere Softwarefirmen einkaufen, um deren Lösungen anbieten zu können." Ihrer Meinung nach ist es unwahrscheinlich, dass HP einen Plattformanbieter wie Bea übernimmt, weil Hurd den Schwerpunkt auf die Infrastruktur und Unterstützung der CIOs gesetzt hat.

Erschwerend kommt hinzu, dass IBM die Hände nicht in den Schoß legt, bis sich HP für die entscheidende Auseinandersetzung mit Technologien, Kunden und Marktanteilen gerüstet fühlt. Big Blue selbst absorbierte seit dem Jahr 2000 etwa 45 Softwarefirmen. Vor der oben angesprochenen Firma Telelogic hatte IBM auch die Übernahme von Watchfire angekündigt. Dadurch geriet HP in Zugzwang, was schließlich in der vergangenen Woche zur Akquisition von SPI Dynamics durch HP führte, einem Rivalen von Watchfire. Das Spiel der Riesen erinnert derzeit an das Rennen vom Hasen und dem Igel, wobei die Konzerne je nach IT-Segment die Rollen häufig untereinander tauschen.

Der Umbau von IBM zu einem Softwarekonzern hat einen Namen: Steve Mills.
Foto: IBM

Fakt ist aber auch, dass IBM schlicht mehr Software anbietet als HP. Bei Middleware, Security und Messaging ist der Vorsprung groß, und das Geschäft rund um die Mainframes sorgt für stetige Einnahmen. "HP verfolgt exakt dieselbe Strategie wie IBM durch den Vertrieb in die Bestandskunden hinein – sowohl in die eigenen als auch in die der zugekauften Unternehmen", sagt Rich Ptak, Gründer und Chef von Ptak, Noel & Associates. Neben dem Cross- und Upselling würden beide Konzerne an verpackten Applikationen werkeln, um den Absatz zu erleichtern. "Der einzige Unterschied ist, dass IBM zirka zwei Jahre vor HP damit begonnen hat", so Ptak. Zudem würde Big Blue Veränderungen an der finanziellen Kompensation und Organisation der Vertriebsmannschaften vornehmen, um das Cross-Selling anzutreiben. Ptak's Fazit: IBM hat derzeit einen Vorsprung von zwölf bis 18 Monaten vor HP."

Auch wenn HP dieses Jahr einen Umsatz von über 100 Milliarden Dollar erwirtschaften und damit zumindest eine emotionale Schwelle überspringen kann, liegt noch viel Arbeit vor dem Konzern. Laut CEO Hurd hat der IT-Markt ein Volumen von 1,1 Billionen Dollar, und sein Unternehmen sei derzeit in der Lage, rund 60 Prozent davon abzudecken. HP kann also sowohl in der Breite als auch in der Tiefe noch zulegen – um IBM einzuholen, muss es das auch. (ajf)

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