SOA - wie sag ich's meinem Chef?

17.01.2008 von Wolfgang Herrmann
Noch immer fällt es IT-Verantwortlichen schwer, dem Topmanagement die Vorteile einer SOA zu erklären. Dabei lassen sich mit SOA solide technische Grundlagen schaffen, um handfeste Business Profits zu erreichen.

Die Lücke zwischen Business und IT klafft auch im SOA-Zeitalter. Zwar werben die Protagonisten einer Service-orientierten Architektur stets damit, das klassische Alignment-Problem lasse sich lösen, wenn Software-Services aus Geschäftsprozessen und damit letztlich aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden. Doch in der Praxis funktioniert die Abstimmung zwischen Fachbereichen und IT-Abteilungen nach wie vor mehr schlecht als recht.

"Unklare Definition, konkurrierende Ziele und fehlende Nachhaltigkeit bei Business-Planungen sind die wesentlichen Faktoren, die die Kommunikation erschweren", beobachtet Christian Kählig, Chief Architect IT-Systeme bei Kabel Deutschland. Die Marketing-Abteilungen der Softwarehersteller und die Presse hätten nicht unwesentlich zu ersterem Problem beigetragen. "Oft wird man dann mit Sprüchen wie ‚SOA ist doch nur ein Buzzword' oder Ähnlichem konfrontiert." Der IT-Manager sieht dabei einen klassischen Zielkonflikt: "Natürlich strebt der Unternehmensarchitekt immer das globale Optimum an." Der Fachbereich hingegen kämpfe mit eigenen Problemen und fordere schnelle Lösungen. Kählig: "Das führt oft zu Uneinsichtigkeit, wenn dem Fachbereich erklärt wird, dass statt einer vergleichsweise schnellen und preiswerten Flickwerklösung die saubere Definition von wiederverwendbaren Services aus Enterprise-Sicht sinnvoller und mittelfristig kosteneffizienter wäre."

SOA und BPM

Der Mobilfunkanbieter T-Mobile unterscheidet zwischen einer SOA einerseits und SOA-basierendem Business-Process-Management (BPM) andererseits. Dabei decke SOA eher den IT-Teil im Sinne eines Enablers ab, erläutert Florian Mösch, Vice President Enterprise Integration & Architecture: "Diese Unterscheidung prägt auch die Kommunikation mit unseren internen Kunden. Wir erwarten von unseren fachseitigen Partnern keine Begeisterung für IT-Architekturen und konzentrieren uns daher auf den daraus entstehenden Nutzen - Time-to-Market, Flexibilität etc. - und auf die Vorteile durch ein SOA-basierendes BPM."

Florian Mösch, T-Mobile: Wir erwarten von unseren fachseitigen Partnern keine Begeisterung für IT-Architekturen.

In vielen Unternehmen ist SOA nach wie vor ein IT-Thema, wie inzwischen mehrere Studien belegen. "Das liegt sicher auch daran, dass es vielen CIOs schwerfällt, der Geschäftsleitung die Business-Vorteile einer SOA zu erklären", urteilt Peter Kürpick, Vorstandsmitglied der Darmstädter Software AG. Gleichzeitig beschäftigten sich zu wenige Führungskräfte damit, wie sie die IT besser nutzen können, um strategische Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Um Unterstützung durch das Topmanagement zu erhalten, sollten IT-Experten den Nutzen einer SOA verständlicher darstellen: "Argumente wie 'Steigerung der Flexibilität und Agilität' sowie 'Wiederverwendbarkeit von IT-Services' sind nicht ausreichend." Kürpick empfiehlt eine strukturierte Darstellung der SOA-Vorteile über verschiedene Ebenen hinweg. Nutzenaspekte ließen sich in vier Bereiche aufteilen: die Unterstützung von Innovationen auf der Business-Ebene, eine gesteigerte Benutzerproduktivität, eine erhöhte Prozesseffizienz sowie die schnellere Umsetzung von IT-Projekten auf Basis einer SOA (siehe Kasten "Was eine SOA bringen kann"). Hinzu komme, dass die Vorteile einer SOA über die Zeit zunähmen.

SOA bei T-Mobile

T-Mobile-Manager Mösch hebt den Zusammenhang von SOA und einer konsequenten Prozessorientierung hervor: "BPM ist den meisten ein Begriff, häufig jedoch nicht mit Erfolg belegt." Mit einer SOA lasse sich eine solide technische Grundlage schaffen, um die bekannten Vorteile des Business-Process-Managements auch tatsächlich zu erreichen. Die große Herausforderung dabei sieht er in der Strukturierung der Unternehmensprozesse zur Abbildung mittels Services: "Gelingt dies in ersten Pilotprojekten und lassen sich auch die durch SOA versprochenen Vorteile im eigenen Unternehmen praktisch belegen, ist die Kommunikation zwischen IT und Fachseiten nachhaltig verbessert und dreht sich mehr um die Frage, wann ein großflächiger Rollout erwartet werden kann."

Ähnlich argumentiert Burchard Hillmann-Köster, Marketing-Manager bei Ilog Deutschland: "Ein in Prozessen denkender Manager will wissen, wie er Abläufe schnell und unkompliziert verändern und an neue Rahmenbedingungen anpassen kann." Der Schlüssel zu einem besseren SOA-Verständnis der Business-Verantwortlichen liege deshalb in einer gesteigerten Transparenz: "Solange die Fachseite nicht weiß, wofür genau welcher Service gut ist und wie er sich an die Geschäftsanforderungen anpassen lässt, wird die Technik immer eine Blackbox bleiben." Kählig von Kabel Deutschland erklärt das Problem anhand des oft zitierten Lego-Beispiels: "In Analogie zu den Legobausteinen hat das Business wenig Interesse daran, wie die Bausteine gebaut sind oder warum sie tun, was sie tun." Fachverantwortliche wünschten sich "einfach zusammensetzbare, wiederverwendbare, austauschfähige und unzerbrechliche Komponenten", die sich flexibel einsetzen lassen, um veränderte Marktanforderungen abzudecken.

Eine gemeinsame Sprache

Eine Chance für eine gemeinsame Sprache von Business und IT eröffne die Business Modeling Markup Notation (BPMN), empfiehlt IDC-Analyst Rüdiger Spies. Im Gegensatz zur Business Process Execution Language (BPEL) biete sie eine grafische Modellierungsumgebung für Geschäftsprozesse: "Mit diesem Hilfsmittel könnte auf der Basis eines grafischen Designs eine Diskussion über Prozessbeschreibungen erfolgen." Zwar gebe es derzeit eine ganze Reihe von Tools, die ein BPMN-Design erlaubten, doch die Anzahl der Mitarbeiter in Unternehmen, die den Umgang damit beherrschten, sei noch zu gering (siehe auch Standards für BPM).

Auch Markus Hieronimus, SOA Executive bei IBM Deutschland, betont den Prozessgedanken. Aus seiner Sicht sind es insbesondere mögliche Prozessoptimierungen, die SOA für einen Fachbereich interessant machen: "Beispielsweise kann der Vertrieb durch bessere Informationsunterstützung die Informationssuchzeit seiner Außendienstler auf ein Zehntel senken; oder ein Unternehmen kann sich einen neuen Vertriebskanal erschließen, indem seine Lagerprodukte automatisch in Ebay verauktioniert werden." All dies seien reale Projekte, die mit einer SOA umgesetzt worden seien.

Fachbereiche einbinden

Um SOA für das gesamte Unternehmen nutzbar zu machen, empfiehlt er mehrere Schritte: Zunächst gelte es, SOA zum Vorstandsthema zu erklären und für das ganze Unternehmen zu beschließen. Nach dem Commitment aus der obersten Führung sollten Organisationen die Strategie institutionalisieren, beispielsweise in Form eines SOA-Gremiums, in dem auch die Fachbereiche mitarbeiten. Das Verständnis und die Motivation für SOA ließen sich am besten über Leuchtturmprojekte mit den Fachbereichen fördern. Last, but not least rät Hieronimus, frühzeitig SOA-Governance-Mechanismen zu etablieren.

Die Einführung einer Service-orientierten Architektur rechne sich für Unternehmen in mehrfacher Hinsicht, argumentiert Corina Laudenbach, Marketing-Managerin bei Fujitsu-Siemens Computers. "Bereits durch die Analyse der aktuellen Arbeits- und Geschäftsprozesse ergeben sich häufig Verbesserungspotenziale, beispielsweise eine rationellere Abwicklung der Aufgaben durch Verlagerung, Zentralisierung oder Neuverteilung." Würden dann die optimierten Prozesse auf flexibel miteinander kombinierbare Services abgebildet, lasse sich eine höhere Agilität in den Geschäftsabläufen erreichen.

Was eine SOA bringen kann

Business Innovation

  • Schnellere Umsetzung von Fusionen

  • Neue Produkte und Angebote durch Neubündelung vorhandener Leistungen

  • Zufriedenere Kunden durch innovative Angebote

Höhere Anwenderproduktivität

  • Gesteigerte Produktivität durch intuitive Benut-zeroberflächen auf Basis von Ajax führen zu mehr Transaktionen pro Zeiteinheit

  • Reduzierter Trainingsaufwand

  • Weniger operative Fehler durch Vermeidung manueller Datenübertragung

Prozesseffizienz

  • Gesteigerte Prozessautomatisierung

  • Verbesserte interne Prozesse, zum Beispiel für Compliance und Genehmigungsverfahren

  • Verbesserte externe Prozesse, beispielsweise im Vertrieb oder im Einkauf

IT-Projekte beschleunigen

  • Wiederverwendung vorhandener Funktionen

  • Redundante IT-Anwendungen verringern

  • Schnellere Reaktion auf neue Anforderungen aus den Geschäftsbereichen

  • Geringerer Wartungsaufwand

Quelle: Software AG

Kosten sparen mit SOA?

Kählig sieht sowohl qualitative als auch quantitative Potenziale einer SOA: "In erster Linie sind das eine höhere Flexibilität und kürzere Time-to-Market. In zweiter Linie geht es um Kosteneinsparungen im Bereich Entwicklung, Qualitätssicherung und Betrieb." Allerdings müssten Verantwortliche dabei phasenorientiert die Erwartungshaltung definieren und kontrollieren. So seien etwa eine Wiederverwendung von Services und damit verbundene Zeit- und Kosteneinsparungen relativ schnell erreichbar. Signifikante Einsparungen durch SOA erforderten hingegen eine konsequente und durch das Topmanagement gestützte Vorgehensweise.

IDC-Experte Spies bewertet das Kostenargument kritisch. Dieses könne zwar gelegentlich greifen. "Ich bezweifle aber nach wie vor, dass insbesondere im ersten Jahr wirklich Kosten gespart werden können." Grundsätzlich bestehe längerfristig die Chance, die Kosten zu senken. Dafür seien aber erst einmal Investitionen erforderlich. Konkrete Beispiele für Einsparungen aufgrund einer SOA sind entsprechend selten.

Kabel Deutschland, das seine SOA-Infrastruktur mit Hilfe von Oracles Fusion Middleware aufsetzt, habe bereits nach drei Projekten Kosten gespart, berichtet Kählig. Diese beträfen vor allem die Entwicklung, die Qualitätssicherung und den Betrieb. In der Designphase ei-nes neuen Projekts konnte das Team demnach schon auf vier bereits vorhandene Business Services der SOA zurückgreifen. Damit mussten nur noch neun von dreizehn Services neu entwickelt werden. Kählig: "In der Gesamtkostenbetrachtung wird der Breakeven erwartungsgemäß mit dem fünften Projekt erreicht."

Mehr zum Thema Service-orientierte Architekturen im SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE. (wh)