Alignment-Probleme bremsen SOA aus

15.11.2007
Die unzureichende Abstimmung von IT- und Geschäftszielen entpuppt sich als grundsätzliches Problem beim Aufbau einer Service-orientierten Architektur (SOA).

"Business und IT haben völlig unterschiedliche Vorstellungen von einer SOA", erklärte der unabhängige Analyst Wolfgang Martin zum Auftakt des jährlich abgehaltenen "SOA-Kongress" in Mainz. Die Zusammenarbeit von IT- und Fachverantwortlichen habe sich in den vergangenen Jahren nur unwesentlich verändert, konstatierte er unter Verweis auf einschlägige Studien. Einmal mehr ging es auf der von IIR organisierten Veranstaltung um die Frage, wie sich die "Verständnislücke zwischen Business und IT" schließen lässt. So zumindest definierte Martin eine grundlegende Herausforderung, der sich Unternehmen mit SOA-Ambitionen stellen müssten (siehe auch: Die größten SOA-Hürden).

Ist BPEL die Lösung?

Auch Frank Leymann vom Institut für Architektur von Anwendungssystemen der Universität Stuttgart sprach von einem "Alignment Gap". Überwinden lasse sich der Graben mit klar definierten Geschäftsprozessen, die sowohl Business- als auch IT-Verantwortliche verständen. Für Leymann liegt der Schlüssel dazu in der Business Process Execution Language (BPEL), mit der sich ausführbare Geschäftsprozesse modellieren lassen.

Ganz neu sind diese Erkenntnisse nicht, doch im SOA-Umfeld erhalten sie zusätzliche Brisanz: Von Beginn an verhießen die SOA-Protagonisten eine Lösung des Alignment-Problems, wenn Software-Services aus modellierten Geschäftsprozessen und damit letztlich aus Unternehmenszielen abgeleitet würden. Eben dies geschehe in vielen Fällen nicht, wie Martin erläuterte. Noch immer kochen etliche IT-Organisationen ihr eigenes Süppchen, wenn es um die Strategieentwicklung geht. Damit sind Konflikte mit den Fachverantwortlichen programmiert.

O2 setzt auf Agilität

"Die meisten Mitarbeiter können mit SOA nichts anfangen", berichtete Oliver Höft, Technology Strategy Manager beim Mobilfunkanbieter O2. Deshalb sollten Unternehmen in einem Vorprojekt zunächst 'Awareness' schaffen. Dabei gehe es vor allem darum, Begriffe zu klären, den wirtschaftlichen Nutzen der SOA zu erläutern und Erfolgsfaktoren aufzuzeigen. Die Roadmap zur SOA sollte klar definiert sein, bevor das Projektteam sich an die Umsetzung wagt. Das Hauptargument für eine SOA sieht Höft denn auch nicht in den vor allem von Herstellern propagierten technischen Vorteilen. Entscheidend sei, dass die SOA dazu beitrage, die Agilität eines Unternehmens zu erhöhen, sprich die Reaktionsfähigkeit auf ungeplante Veränderungen.

Barmer modernisiert mit SOA

Mit Alignment-Hürden hatte auch die Barmer Ersatzkasse zu kämpfen. "Der SOA-Ansatz war in der Fachabteilung schwierig zu transportieren", konzedierte Harald Liedtke, Projektleiter Prozess- und Anwendungsintegration. "Aber die technologische Innovation ist da und sollte genutzt werden." Der Wuppertaler Krankenversicherer nutzt SOA-Konzepte unter anderem für die IT-Modernisierung. Trotz interner Widerstände kommt die Vorgehensweise der reinen SOA-Lehre nahe: Fachliche Services leitete das Projektteam aus modellierten Geschäftsprozessen ab. Die Grundlage für die SOA bildete eine Referenzarchitektur, die die Barmer bereits Ende 2005 definierte.

SOA oder nur JBOWS?

Auf die unterschiedliche Wahrnehmung von SOA-Vorhaben verwies auch der US-amerikanische Analyst Joe McKendrick. Hinter vielen sogenannten SOA-Projekten verberge sich in Wahrheit nur eine Ansammlung von Web-Services. Er nennt solche Konstrukte JBOWS: Just a Bunch of Web Services. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Marktforschungs- und Beratungshäuser zu teilweise völlig unterschiedlichen Zahlen kommen, wenn es um die Akzeptanz von SOA-Konzepten geht. "Zwischen zehn und 90 Prozent der Unternehmen nutzen SOA oder planen dies", lästerte McKendrick über die divergierenden Studienergebnisse. Einen realistischeren Einblick liefert nach seiner Einschätzung eine internationale Erhebung der US-Marktforschungsfirma Evans Data. Sie befragte rund 400 IT-Verantwortliche aus unterschiedlichen Branchen. Demnach nutzen zwar 95 Prozent der Unternehmen Web-Services, doch nur 22 Prozent haben bereits eine SOA in den Produktivbetrieb genommen. Immerhin 23 Prozent der Befragten gaben an, im Laufe des kommenden Jahres SOA-Methoden einzuführen.

Mehr zum Thema Service-orientierte Architekturen finden Sie im SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE. (wh)