HCM On-premises und aus der Cloud

So setzen Sie ein hybrides SAP-HR-System richtig auf

28.07.2023 von Michael Scheffler  
Eine Kombi aus SAP HCM On-premises mit SAP SucessFactors ist für viele SAP-Anwender der passende Weg in die Cloud. Damit aber alles funktioniert, sind einige Details zu beachten.

Auch im Personalwesen sind Cloud-Lösungen die Zukunft. Das Versprechen der Provider: Unternehmen müssen keine eigene IT-Infrastruktur mehr vorhalten, die Sicherheit der Systeme wird vom Cloud-Anbieter gewährleistet und die Innovationszyklen sind kürzer, da Updates regelmäßig vom Softwareanbieter vorgenommen werden.

SaaS aus der Cloud ist für viele Personalabteilungen bereits heute selbstverständlich.
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Kein Wunder also, dass auch SAP das Software-as-a-Service (SaaS) Geschäft forciert. Die bewährte On-premises basierte Lösung SAP ERP Human Capital Management (HCM) läuft 2027 in der jetzigen Form aus. Bis 2030 bietet SAP zwar noch den Extended Maintenance Service, dann aber ist endgültig Schluss. Wer die Lösungen im Bereich HCM von SAP weiter nutzen möchte, muss entweder die On-premises basierte Nachfolgelösung SAP HCM for S/4HANA einführen oder komplett in die HR-Cloud wechseln.

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2030 hört sich erst einmal nach einem komfortablen Zeithorizont an. Doch SAP-Projekte dauern ihre Zeit. Anwenderunternehmen sollten die Umstellung deshalb am besten zügig angehen. Startpunkt sind dabei immer die Fragen: Welche Optionen existieren und wie lässt sich ein Wechsel bestmöglich bewerkstelligen?

Viele Optionen und ein klarer Favorit

Die Bereitstellungsmodelle im Überblick: SAP bietet im Bereich Human Experience Management (HXM) eine Reihe von verschiedenen (hybriden) Bereitstellungsoptionen mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung von On-premises- und Cloud-Bestandteilen, um die unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnisse seiner Kunden abdecken zu können.

Darunter ist das Modell "Core Hybrid" eines der am häufigsten in der Praxis vorzufindenden. Es deckt die Anforderungen der meisten Unternehmen ab und vereint die - zumindest Stand heute - ausgereiftesten SAP-Lösungen aus Cloud und On-premises: Die Funktionen für Zeitwirtschaft und Entgeltabrechung respektive Payroll verbleiben hierbei im klassischen SAP-ERP-HCM-System, HR Core und die Talent Solutions werden mit SAP SuccessFactors in der Cloud abgebildet.

Das bedeutet, dass auch die Stammdaten der Mitarbeitenden oder Organisationsdaten, wie zum Beispiel Planstellen, in die Cloud migriert und nur dort im Original vorgehalten werden. SAP SuccessFactors EC (Employee Central) fungiert in diesen Bereichen als "Source", während SAP ERP HCM auf die Daten in der Cloud nur noch als "Slave" in Form von replizierten Daten zugreift.

Hybrid = komplex

Aber Achtung! Durch ein hybrides Betriebsmodell, also die ergänzende Einführung einer Cloud-Lösung, wird die Heterogenität der HR IT-Welt erst einmal kräftig verstärkt. Laut einer aktuellen Studie von SAP und der hkp/// group, in deren Rahmen Interviews mit Entscheiderinnen und Entscheidern aus 17 größeren Unternehmen in Deutschland geführt wurden, stellt der Betrieb hybrider HR IT-Landschaften in der Praxis eine große Herausforderung dar. Das Thema sollte daher nicht unterschätzt werden.

Als Integrationsschicht beziehungsweise Middleware dient hierbei oftmals die ebenfalls aus dem Hause SAP stammende Lösung Cloud Integration, welche einen Bestandteil der SAP Business Technology Platform (BTP) darstellt - der Platform-as-a-Service-Lösung der SAP. Als technische Basis beziehungsweise als Standardschnittstelle im SAP HCM kommt der Business Integration Builder (BIB) zum Einsatz.

Die SAP Standard Integrationsstrecke

Der Ablauf einer Integration besteht neben den üblichen Vorbereitungs- und Planungsarbeiten, der notwendigen Installation und der Konfiguration der Standardschnittstelle Business Integration Builder (BIB) im Wesentlichen aus vier Schritten:

  1. Daten- und Systemanalyse: Wie in den meisten IT-Projekten auch, geht es im ersten Schritt darum, sich einen Überblick über die jeweilige Ausgangssituation zu verschaffen.
    - Welche personalwirtschaftlichen Daten sind vorhanden?
    - Welche hiervon müssen nach EC migriert werden, um diese dort dann künftig im Original zu führen?
    - Sind die vorhandenen Daten vollständig und fehlerfrei oder ist vorab eine Stammdatenharmonisierung notwendig?
    - Welche Prozesse gibt es?
    - Wie sieht die Organisationsstruktur aus und wie lässt sich diese in der Cloud abbilden - beispielsweise basiert das Position Management auf einem gänzlich anderen Datenmodell als das klassische SAP HCM Organisationsmanagement?

  2. EC-Konfiguration: Ist die Daten- und Systemanalyse abgeschlossen, muss Employee Central passend konfiguriert werden. Basis dafür sind die EC Workbooks: Darin werden die Feldattribute aller Daten festgelegt und dokumentiert, die ins EC migriert werden sollen. Wichtig dabei ist, die vielen feinen Unterschiede zwischen HCM und EC im Detail zu kennen, damit Migration und Replikation reibungslos funktionieren. Denn auch wenn beides Softwarelösungen der SAP sind, funktionieren diese gänzlich unterschiedlich. Wenn man sich dessen nicht bewusst ist, funktionieren die Migration von Daten und Prozessen und damit die Umstellung längst nicht so reibungslos wie erhofft.

  3. Integration: Sind die ersten beiden Schritte abgeschlossen, geht es darum, wie die Daten aus HCM nach EC übertragen werden. Der Knackpunkt: HCM und EC nutzen unterschiedliche Datenmodelle. Während man bei HCM von Infotypen spricht, arbeitet EC mit sogenannten Entities. Diese unterscheiden sich nicht nur in der Bezeichnung, auch die damit verbundenen Daten, zum Beispiel im Bereich der Mitarbeiterstammdaten, unterscheiden sich im Detail.
    Damit also alle Daten korrekt aus HCM über die Standardschnittstelle BIB ins EC migriert werden können, müssen Transformationsvorlagen mit einem Feld-Mapping erstellt werden. Grundlage hierfür sind die sogenannten Integration Workbooks. Darin ist bis ins kleinste Detail festgelegt, welche (Quell-)Daten aus HCM in welches (Ziel-)Datenfeld in EC übertragen werden müssen.

  4. Datenmigration und Testen: Im letzten Schritt erfolgt die Migration aller ausgewählten HR-Daten, was ein umfassendes Testing miteinschließt. Für alle auftretenden Fehler muss eine tiefgehende Fehleranalyse erfolgen, in deren Rahmen jede noch so kleine Abweichung gefunden und behoben werden muss.
    Insofern bieten sich Testläufe auf Testumgebungen an. SAP bietet dazu unterstützende Tools, um Abweichungen in den Datenstrukturen zu identifizieren und zu beheben. Ab diesem Zeitpunkt ist EC das entsprechende Original- beziehungsweise führende System. Künftige Änderungen werden dann mittels Replikation aus EC nach HCM übertragen.

Um Unternehmen die Integration zu vereinfachen, bringt SAP mit den Cloud Integration Packages (CIP) eine stetig wachsende Anzahl vorgefertigter Integrationsszenarien heraus. Darin enthalten sind unter anderem vorgefertigte Mappings für die wichtigsten Infotypen. Damit lassen sich zum Beispiel Mitarbeiterstammdaten und Objekte aus dem Organisationsmanagement oder aus Kostenstellen einfach aus dem SAP HCM ins Employee Central übertragen.

Das soll den Programmieraufwand deutlich reduzieren. 2022 wurden die sogenannten Cross-System Workflows von SAP vorgestellt, eine systemübergreifende Workflow-Funktionalität für die Synchronisation von Prozessen über die Systemgrenzen von HCM und EC hinaus, um den Sachbearbeitern die Arbeit in der heterogenen Systemlandschaft zu erleichtern.

Best-Practices für die Integration hybrider Systemlandschaften

Umstellung in einem Schritt oder phasenweise: Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein sogenannter Big-Bang-Projektansatz in Summe zwar weniger Aufwand bedeutet, aber im Detail wesentlich schwerer zu koordinieren ist als ein phasenweises Rollout-Verfahren. Welche Vorgehensweise besser ist, kommt aber immer auf den individuellen Einzelfall an. In einem Unternehmen, das verschiedene Tochtergesellschaften in mehreren Ländern besitzt, bietet sich beispielsweise ein sukzessiver Rollout auf Landesebene an.

Lesetipp: Der Acht-Punkte-Plan - Sichere Software-Rollouts im Ausland

Umstellung zum Aufräumen im System nutzen: Das klassische SAP HCM bietet viele Freiheiten, unternehmensspezifische Entwicklungen zu implementieren. Gerade in Systemen, die schon lange in Betrieb sind, haben sich oft Altlasten in Form von kundeneigenen Infotypen oder Prozessen angesammelt, die nicht mehr benötigt werden beziehungsweise obsolet sind. Auf Seiten von EC hingegen ist ein höherer Standardisierungsgrad gegeben - was tendenziell zu einer Reduktion von Komplexität beiträgt. SAP-Anwender müssen sich daher entscheiden, ob Daten und Prozesse wie bisher betrieben und dementsprechend 1:1 übertragen werden sollen oder ob Prozesse unter Umständen neu gestaltet werden müssen. Was auf den ersten Blick wie eine Einschränkung wirkt, kann auch als Chance verstanden werden, "alte Zöpfe abzuschneiden".

Organisationsstruktur: EC bietet zwar auch die aus HCM bekannte Organisationsstruktur an, umfasst aber andere Strukturierungselemente (Legal Entity, Business Unit, Division und Department). Daneben besteht seitens der SAP die Empfehlung in ihren Implementation Design Principles, das EC im "Department only" Modus zu betreiben. In diesem Falle wird das Organigramm auf jeder Hierarchieebene lediglich mittels Departments umgesetzt. Allerdings plant SAP eine entsprechende Weiterentwicklung um Business Units und Divisions. Vorteile laut Hersteller: geringerer Programmieraufwände in der Migration und Replikation sowie ein vereinfachter Betrieb. Auch werden Reorganisationen hierdurch vereinfacht. Dabei gilt es zu bedenken, dass EC - im Gegensatz zum SAP HCM - kein Vererbungsprinzip kennt. Dieser funktionale Unterschied muss im Zweifel programmatisch gelöst werden.

Testen, testen, testen: Bei jedem IT-Projekt ist umfangreiches Testen unerlässlich, um sicherzustellen, dass am Ende alles fehlerfrei funktioniert. Dies gilt insbesondere für die Migration beziehungsweise Integration von SAP HCM und EC. Da es sich hier um ein hybrides Betriebsmodell handelt, steigt die Komplexität deutlich und damit auch die Anzahl potenzieller Fehlerquellen. SAP bietet daher einen Datenreplikationsmonitor und eine erweiterte Protokollierung an. Damit lässt sich im Zweifel identifizieren, wo genau etwas bei der Migration respektive Replikation nicht funktioniert hat. Im besten Fall können damit einzelne Fehler sogar automatisiert behoben werden.

Was tun, wenn der SAP Standard nicht ausreicht

Generell gilt: Je mehr SAP-Standard verwendet wird, desto einfacher gestaltet sich die Umstellung. Programmiert werden muss erfahrungsgemäß immer. Wenn der SAP-Standard nicht ausreicht, zum Beispiel bei kundeneigenen Infotypen, die auf Seiten vom SAP HCM System implementiert wurden, kann mittels Business Add-Ins (BAdIs) - sprich anhand von Coding - auf das Mapping eingewirkt werden. Die Erfahrung zeigt jedoch: Wenn eine eigene Integrationslogik benötigt wird, sollte diese so schlank wie möglich gehalten werden. Denn je umfangreicher die eigene Programmierung, desto mehr Probleme sind im Betrieb zu erwarten und desto aufwändiger wird die Wartung im Betrieb. Ferner kann im Zweifel auch die Performance darunter leiden.

Ein Tipp: Es sollte immer hinterfragt werden, ob der jeweilige Sachverhalt wirklich noch benötigt wird, und wenn ja, ob dieser tatsächlich ins EC überführt werden muss oder eventuell im HCM verbleiben kann.

Was SAP weiter plant

Die Roadmap der SAP führt für das Personalwesen in die Cloud. Spätestens 2030 ist mit SAP ERP HCM, wie wir es heute kennen, Schluss. Für Unternehmen, die aktuell noch nicht in die Cloud wechseln wollen oder können, existiert seit Ende 2022 die Nachfolgelösung SAP HCM for S/4HANA (H4S4). Diese steht in der konventionellen On-premises-Version, oder als Private-Cloud-Edition zur Verfügung.

Lesetipp: SAPs Cloud-Geschäfte brauchen Zeit

SAP garantiert die Wartung und den Support von H4S4 bis 2040. Wichtig: Auch für SAP HCM for S/4HANA ist eine Integration nach SuccessFactors EC über den BIB verfügbar. Das notwendige Integration Add-on (ECS4HCM) ist nochmals optimiert gegenüber der SAP ERP HCM Version (PA_SE_IN). Zudem wird ein entsprechender Upgrade unterstützt.

SAP wird in den kommenden Jahren alle Funktionen aus SAP HCM in die Cloud bringen, dies umfasst auch Zeitwirtschaft und Payroll. Selbst wenn bis dahin vermeintlich viel Zeit bleibt, sollten sich Entscheiderinnen und Entscheider baldmöglichst um eine entsprechende Planung und - falls nicht vorhanden - eine eigene HR/IT Roadmap bemühen. (ba)