Cisco Director Schmidt im CW-Gespräch

So sehen Ciscos Cloud-Pläne für Deutschland aus

09.04.2014 von Jürgen Hill
Cisco will in den nächsten zwei Jahren ein Milliarde Dollar in die Cloud investieren. Mit Patrick Schmidt, Managing Director Architecture Sales bei Cisco Zentraleuropa, diskutierten CW-Redakteur Jürgen Hill und CP-Redakteurin Regina Böckle über die Cloud-Pläne des Netzherstellers.

CW: Cisco, ein klassischer Hersteller von Netzequipment, investiert eine Milliarde in die Cloud. Warum?

Patrick Schmidt: Unternehmen nutzen zunehmend Private-, Public- und Hybrid-Cloud-Angebote, um ihre Effizienz und Produktivität zu erhöhen - bei deutlich geringeren Gesamtkosten. Die Basis für sämtliche Cloud-Anwendungen bilden Netzwerke. Daher müssen und wollen wir als Netzwerk-Anbieter in moderne, offene und hochsichere Cloud-Architekturen investieren, um unseren Kunden und Partnern optimale Lösungen zu bieten. Die Cloud ist Gegenwart und Zukunft für das Netzwerk. Seit einigen Jahren bietet Cisco bereits Lösungen an, zum Aufbau von privaten Clouds. Hier sind wir weltweit Marktführer. Darüber hinaus haben wir eigene SaaS-Angebote wie etwa Web Conferencing-Lösungen oder Cloud-Lösungen im Security Bereich.

Patrick Schmidt ist Managing Director Architecture Sales bei Cisco Zentraleuropa
Foto: Cisco

CW: Und das bedeutet konkret? Treten sie jetzt als Cloud-Anbieter in Konkurrenz zu Amazon, Google, Microsoft und Co?

Schmidt: Nein, wir konkurrieren nicht mit diesen Firmen. Diese bieten Infrastruktur-zentrierte Public Cloud-Angebote an. Wir entwickeln dagegen zusammen mit unseren Partnern ein Netzwerk von weltweiten Clouds, das die Anwendung in den Mittelpunkt stellt und dabei auch Public-Cloud-Angebote integrieren kann. Bereits Anfang des Jahres auf der Cisco Live in Mailand (Die COMPUTERWOCHE berichtete) haben wir eine entsprechende Hybrid-Cloud-Lösung zur Mobilität von virtuellen Maschinen über Provider-Grenzen hinweg und unabhängig vom Hypervisor angekündigt.

Kein Kokurrenzkampf mit Amazon und Google

CW: Also werden Sie keine Public Cloud Services vermarkten, wie etliche Medien berichteten?

Schmidt: Wir arbeiten mit verschiedenen Cloud-Anbietern zusammen, um ein extrem skalierbares, flexibles und hochsicheres Netzwerk von Clouds, die sogenannte Intercloud, zu entwickeln. Die darauf basierenden Cisco Cloud Services unterstützen hohe Arbeitslasten, Datenhoheit und lokale Compliance-Regeln. Sie ermöglichen unabhängig von der eingesetzten Hypervisor-Technologie eine Arbeitslast-Verschiebung über verschiedene Cloud-Typen hinweg. Außerdem bieten wir natürlich auf dieser Plattform unsere bestehenden SaaS-Angebote wie beispielsweise WebEx oder auch E-Mail Security.

CW: Sie sprachen die Intercloud an, was kann ich mir darunter als Anwender konkret vorstellen?

Schmidt: Heute gibt es eine Vielzahl an Cloud-Angeboten, die jedoch nicht oder nur schwer miteinander kompatibel sind. Wenn sie lokal HyperV nutzen, können Sie Cloud Angebote, die auf VMware Technologie beruhen, nicht nutzen - und umgekehrt. Diese Situation können wir uns in der Branche aufgrund der steigenden Flexibilitätsanforderungen der Kunden nicht mehr länger erlauben. Ja, ich möchte sogar sagen, dass - neben den regulatorischen und sicherheitsrelevanten Aspekten die technischen Herausforderungen beim Bilden einen virtuellen privaten Cloud bisher DER Knackpunkt für die Akzeptanz von Cloud-Diensten waren. Entsprechend möchten wir die verschiedenen Cloud-Angebote miteinander verbinden, damit die Daten und Services nahtlos übertragen und genutzt werden können. Dieser Zusammenschluss der verschiedenen Clouds diverser Anbieter ist die Intercloud. Auf dieser Basis bieten wir gemeinsam mit unseren Partnern Cisco Cloud Services an.

Cisco Live 2014 - Impressionen
Cisco Live 2014 - Impressionen
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Cisco Live 2014 - Impressionen
Cisco Live 2014 - Impressionen

Ciscos Business-Modell in der Cloud

CW: Und diese Services beziehe ich als Enterprise-Kunde direkt bei Cisco oder wie soll das Business-Modell aussehen?

Schmidt: Die Cisco Cloud Services werden generell von unseren Partnern vertrieben. Bislang haben wir bereits Kooperationen mit verschiedenen Unternehmen wie Telstra, Allstream, Canopy, Ingram Micro, Logicalis, MicroStrategy, OnX, Sungard und Wipro, die Cisco Cloud Services anbieten möchten oder ein Teil der Intercloud-Initiative sind. Dieses Partner-Netzwerk wird natürlich noch deutlich erweitert

CW: Verärgern Sie mit diesem Schritt nicht ihre klassischen Partner, als Carrier wie die Telekom/T-Systems oder British Telecom? Und der Channel dürfte auch nicht begeistert sein, wenn er in die Consulting-Rolle gedrängt wird.

Cloud ja, aber nur mit Partnern.
Foto: Cisco

Schmidt: Nein, kein einzelnes Unternehmen, nicht einmal der größte Service Provider oder Carrier, kann die für das Internet of Everything notwendige Skalierung bewältigen und hat die benötigten Rechenzentrumskapazitäten weltweit. Denken Sie ebenso an die lokalen Gesetze für Datenhaltung - kein Anbieter kann dem überall gerecht werden - durch die Verbindung von lokalen Clouds ergeben sich hier einmalige neue Gestaltungsmöglichkeiten. Nur in der weltweiten Zusammenarbeit lassen sich die Anforderungen der heutigen Geschäftswelt an die flexible, schnelle Bereitstellung neuer Services erfüllen. Der Channel kann natürlich auch bei den Cisco Cloud Services wie bei allen bisherigen Diensten nicht nur beraten, sondern auch darauf basierende Lösungen oder Angebote entwickeln und vertreiben. Wir schränken in keiner Weise irgendeinen Partner ein.

CW: Wer schließt die Verträge mit dem Endkunden und stellt die Rechnung für die bezogenen Leistungen - der Partner oder Cisco?

Schmidt: Sämtliche Kundenbeziehungen, inklusive Vertragsabschluss und Rechnungsstellung, bleiben auch bei den Cisco Cloud Services weiterhin vollständig beim Partner.

CW: Wo sehen Sie die typischen Anwendungen für die "Cisco Cloud"?

Schmidt: Die Intercloud wurde vor allem für die neuen Anwendungen im Zuge des Internet of Everything entwickelt. Dieses verbindet Menschen, Daten, Prozesse und Objekte miteinander. Die Intercloud erfüllt als weltweit verteilte Netzwerk- und Sicherheitsarchitektur die Anforderungen des Internet of Everything an hochwertige Anwendungen, Echtzeit-Analysen, unbegrenzte Skalierbarkeit sowie vollständige Compliance mit lokalen Datenschutzregeln. Wir erwarten, dass insbesondere in den Bereichen Mobile, Collaboration und Video neuartige Cloud-Services entwickelt werden.

Die Technik der InterCloud

CW: Blicken wir auf die Technik, in der Theorie klingt eine Intercloud als Cloud vieler Clouds faszinierend. Doch wie soll das funktionieren?

Mit neuen Services sollen Cisco und die Partner künftig zusätzlichen Umsatz generieren.
Foto: Sean Ebsworth Barnes

Schmidt: Dies funktioniert über die konsequente Nutzung offener Schnittstellen. Die auf Open Stack basierende Intercloud ermöglicht das einfache, sichere Kombinieren und Verschieben von Workloads - inklusive Daten und Anwendungen - in verschiedenen Public oder Private Clouds je nach Bedarf. Zudem erhalten Unternehmen, Service-Provider und Reseller APIs für die schnelle Entwicklung von Anwendungen und neuartigen Cloud IT Services.

CW: Ist die Intercloud damit ein Bestandteil der Cisco ONE Advanced Application Services und basiert auf Techniken wie dem ACI Fabric, dem UCS Director, Prime und APIC? Oder was kommt sonst zum Einsatz?

Schmidt: Die Intercloud ist zwar kein integraler Bestandteil von Cisco ONE, nutzt aber die entsprechenden Technologien zur Programmierbarkeit der Infrastruktur. Zum Beispiel wird die Cisco Application Centric Infrastructure (ACI) verwendet, um die Anwendungs-Performance zu optimieren und den Rollout neuer Services deutlich zu beschleunigen. Dabei wird die Sicherheit, Compliance, Prüfung und Mobilität der Anwendungen mit den zentralisierten, programmierbaren Sicherheitsrichtlinien von ACI verbessert. Auch andere Lösungen wie die Cisco InterCloud Fabric, APIC, Prime oder UCS kommen zum Einsatz. Erlauben Sie mir zu sagen, dass Cisco hier, wie in vielen Fällen zuvor, möglichst viel der eigenen Technologien nutzen wird - getreu dem Motto: "eating your own dog food" - und gleichzeitig radikal Standardisierung betreiben wird. So etwas gibt es in der Cloud-Industrie bisher nicht.

CW: Und in der Praxis bedeutet dies, dass Cisco künftig eigene Rechenzentren betreibt?

Schmidt: Cisco betreibt schon seit längerem eigene Rechenzentren. So umfasst unser bestehendes Cloud-Portfolio bereits SaaS-Angebote wie WebEx, Meraki und Cisco Cloud Web Security sowie differenzierte Cloud Services wie Hosted Collaboration und Cloud DVR.

CW: Wird der Konzern im Rahmen der InterCloud-Strategie auch in Deutschland investieren?

Schmidt: Natürlich umfasst unsere weltweite Investitionsstrategie auch Deutschland, als einen der größten europäischen Märkte

CW: Und in welcher Form wird dies geschehen?

Neben der Hardware stehen jetzt verstärkt Services auf der Agenda.

Schmidt: In welcher Form wir genau in Deutschland investieren, wird derzeit intern sowie mit unseren Partnern im Detail besprochen. Geplant sind Investitionen in Anwendungen, Cloud Services sowie das Go-to-Market-Programm für unsere Partner.

CW: Und wie wird Cisco deutsche/europäische Datenschutzanforderungen/ängste bei der InterCloud berücksichtigen? Seit den Snowden-Enthüllungen ist es ja mit der Reputation von US-Herstellern in Sachen Security nicht zum Besten gestellt.

Schmidt: Cisco wird, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, auch weiterhin die lokalen Datenschutzregeln und Compliance-Anforderungen vollständig erfüllen. Auf Wunsch stellen wir die Cisco Cloud Services auch ausschließlich auf europäischen oder deutschen Rechenzentren von uns oder unseren Partnern zur Verfügung.

Teaserbild: Cisco