Recruiting auf TikTok & Co.

So finden Arbeitgeber Top-Talente

21.06.2023 von Lisa Köppel
Arbeitgeber müssen ordentlich ins Social Recruiting investieren. Und es lohnt sich, wenn sie die neuen Verhaltensweisen der Bewerber berücksichtigen und auch intern einiges umstellen.
Arbeitgeber müssen ihre Rekrutierungsstrategie auf den neuesten Stand bringen, vor allem wenn sie die IT-Talente der jüngeren Generation erreichen wollen.
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In Deutschland müssen sich Unternehmen schon seit geraumer Zeit mit einem ausgeprägten Arbeitnehmermarkt auseinandersetzen - gerade im IT-Bereich findet man mit den klassischen Methoden kaum noch qualifizierte und motivierte Mitarbeitende. Früher war das Bewerbungsverfahren ein Kinderspiel: einfach eine 08/15-Anzeige in der lokalen Tageszeitung aufgeben, die Füße hochlegen und auf die Bewerbungen warten.

Heute gestaltet sich das Recruiting weitaus schwieriger, vor allem wenn wir die IT-Talente der jüngeren Generation erreichen wollen. Was heißt das für Arbeitgeber? Ganz einfach: Sie müssen ihre Rekrutierungsstrategie auf den neuesten Stand bringen und sich auf die neue Spielwiese der Talentsucher und Talentsucherinnen begeben - Social Media Kanäle wie Instagram/Facebook, TikTok, YouTube LinkedIn & Co. Entscheidend für den Erfolg sind eine strukturierte Vorgehensweise, sorgfältige Zielgruppen-Recherche und -Ansprache, passende Plattformen und Formate sowie die Nachverfolgung, Messung und laufende Optimierung.

Zuerst kommt die Analyse der Zielgruppen

Natürlich muss zum Beispiel eine Recruiting-Kampagne für SPS-Programmierer früher oder später jobspezifische Details beinhalten. Aber mit einer rein anforderungsbezogenen Stellenanzeige in einer Regional- oder Special-Interest-Publikation erreicht man nicht mehr die Personen, die sich tatsächlich für die vakante Position eignen. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass ein Großteil der passenden Kandidaten überhaupt nicht auf der Suche nach einem neuen Job ist.

Daher liegt der Fokus auf Kanälen, die Mitarbeiter auch ohne Wechselabsicht besuchen. Spezifische Job-Portale oder regionale Plakat-Schaltungen flankieren und ergänzen die Kampagne lediglich. Weiterhin gilt das Motto: Zielgruppe spricht zur Zielgruppe. Wenn Sie Senior-Entwickler suchen, sollte im gewählten Kanal und Format auch ein Senior-Entwickler zu Wort kommen, um sofort Identifikationspotential zu schaffen.

Nächste Frage: Wo treibt sich die Zielgruppe herum?

Nicht weniger wichtig bei der zielgruppengerechten Ansprache: die Bedürfnisse herausarbeiten. Was bewegt Kandidaten, aus einer festen Anstellung heraus den Job zu wechseln? Welche negativen Aspekte und Erfahrungen wollen sie hinter sich lassen? Im nächsten Schritt sind die Kanäle zu identifizieren, mit denen sich die Zielgruppe hauptsächlich beschäftigt.

Geeignete Plattformen zur Zielgruppenansprache

Abhängig von Alter, Ausbildung und aktuellen Lebensumständen erfolgt die Auswahl des passenden Social-Media-Kanals. TikTok nutzen zum Beispiel 73 Prozent der 16- bis 19jährigen, aber nur 13 Prozent der Alterskohorte 50 bis 59 Jahre. Diese findet man eher auf Facebook - oder im Business-Netzwerk LinkedIn, wo sich aber auch sehr viele Berufstätige aus der Altersgruppe 20 bis 39 Jahre tummeln.

Instagram zieht immer noch mindestens zwei Drittel der 16- bis 39jährigen in seinen Bann. Sondiert man nach Interessen und Hobbies, wird man auch auf YouTube fündig. Neben diesen weithin bekannten Plattformen gibt es aber auch noch etliche Nischen-Plattformen, die sich durch deutlich geringeren Konkurrenzdruck auszeichnen.

Hier liegt man richtig, wenn man sehr genau über die Charakteristika der Zielgruppe Bescheid weiß und sich einen entsprechenden Kandidaten-Avatar zusammengestellt hat. Dieser hilft aber natürlich auch bei allen anderen Kanälen. Von der Plattform und der dort vorherrschenden Tonalität leitet sich dann direkt das Format der Werbeanzeigen, der sogenannten "Creatives" ab.

Hoch oder quer, ausgelassen oder seriös - das Format der Creatives

In den sozialen Medien geht nichts mehr ohne Videos - oder zumindest animierte Grafiken. Die "Creatives" richten sich nach dem Medium, allgemein gilt aber: je kürzer, desto besser. Wir erinnern uns: Die Zielgruppe sucht nicht aktiv nach einem neuen Job, entsprechend wenig Akzeptanz ist für langatmige Filme oder die staubtrockene Aufzählung von Job-Skills vorhanden. Dementsprechend ist ein Einstieg wichtig, der sofort die Aufmerksamkeit der Nutzer weckt und eine vertrauensvolle Augenhöhe herstellt.

Aktuell funktioniert hervorragend ein Intro à la "POV: Du bist Java-Developer …" Hier wird direkt mit der Ich-Perspektive gearbeitet, um dann sofort mit einem Pain-Point nachzusetzen: "… und "Hast keine Lust auf ständige Last-Minute-Änderungen der Spezifikationen?" Stehen die Creatives so weit, müssen sie in den Fokus der Zielgruppe gebracht werden. Hier gilt es, eine Balance zwischen Präsenz und Lebensdauer zu finden.

Wichtige Stellschrauben: Präsenz, Frequenz und Budget

Um überhaupt in die Wahrnehmung der potenziellen Kandidaten zu gelangen, sollte die jeweilige Kampagne mindestens ein halbes Jahr laufen. Damit Ermüdungserscheinungen vorgebeugt wird, empfiehlt es sich, die Creatives einer Kampagne regelmäßig auszuwechseln, ohne die grundsätzliche Ansprache zu verwässern. Parallel können die Formate für Displays, Plakate oder andere zielgruppenspezifische Werbeformen adaptiert werden, um eine Rundum-Kommunikation (360°-Kampagne) zu gewährleisten.

Idealerweise macht man auf das eigene Unternehmen und die Vorteile einer Mitarbeit aufmerksam, bevor ein konkreter Bedarf entsteht. Herrscht schon ein Mindestmaß an Bekanntheit, vermeidet man einen harten Kaltstart, wenn konkrete Stellen zeitnah besetzt werden müssen. Im Gegensatz zur Buchung von herkömmlichen Stellenanzeigen in Offline- und Online-Medien lassen sich alle relevanten KPIs exakt messen und für die Optimierung nutzen.

Messen und verbessern - mit den richtigen Methoden

Mit der Schaltung von Creatives auf den passenden Kanälen ist es noch nicht getan. Den Bewerbern sollte so wenig Interaktion wie möglich zugemutet werden, um das weniger stark ausgeprägte Interesse nicht zu ersticken. Dies bedeutet: Verzicht auf (Motivations-)Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse, etc. Verständlicherweise hat kaum jemand diese Dokumente auf dem mobilen Gerät parat, wenn intuitiv auf ein Creative geantwortet wird.

Dementsprechend sollte ein Link auf eine stellenspezifische Landingpage führen, die maximal Name, E-Mail und Mobilnummer abfragt - und direkt nach erfolgreicher Dateneingabe automatisiert eine Bestätigung generiert, um über das weitere Vorgehen zu informieren. Diese enthält ein Tracking-Element, um die Wirksamkeit der jeweiligen Kampagne zu messen und Daten für die Optimierung bereitzustellen. Im nächsten Schritt ist dann das HR-Team gefragt, um Kontakt aufzunehmen, weitere Daten zu sammeln und Kennenlern- und Folgegespräche zu initialisieren.

Bewerbungsverfahren so einfach wie möglich

Eins ist klar: Unternehmen müssen sich heute bei den Fachkräften bewerben - nicht umgekehrt. Dies sollte so niedrigschwellig wie möglich, aber gleichzeitig sehr zielorientiert und strategisch erfolgen. Erfolgsentscheidend ist, wie schnell und effektiv man die potenziellen Kandidaten für das Unternehmen einnimmt und die nächsten Schritte einleitet.

Social Recruiting eignet sich für diese Strategie sehr gut, erfordert aber auch eine ernsthafte und sorgfältige Beschäftigung mit den jeweiligen Eigenheiten der Kanäle und ihrer Nutzer. Aber auch Durchhaltevermögen und konsequente Datenerhebung und -nutzung tragen zum langfristigen Erfolg bei.

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