Produktivität der IT

Skaleneffekte werden überbewertet

18.06.2009 von Thomas Gießen
Eine homogene IT-Umgebung ist die wichtigste Voraussetzung für Kosteneffizienz in der Informationstechnik.

Die IT-Einkäufer rechneten knallhart: Auf einen Schlag bestellten sie 16.000 USB-Sticks - den gesamten Bedarf ihres Unternehmens für die kommenden drei Jahre - und erhielten dafür vom Lieferanten einen satten Mengenrabatt. Die zunächst nicht benötigten Speicher wurden eingelagert. Offensichtlich erneut ein Triumph des Prinzips Masse - je höher das Volumen, desto günstiger die Leistung. Der Skaleneffekt schien sich wieder einmal bewährt zu haben.

Eine nachträglichen Analyse sorgte jedoch für Ernüchterung: Der zwischenzeitliche Preisverfall für USB-Sticks am Markt (im Schnitt 35 Prozent pro Jahr) hatte den Gewinn schon nach zwei Jahren dahinschmelzen lassen. Unter dem Strich zahlte das Unternehmen schließlich drauf.

Vermeintliche Vorteile des Outsourcing

Auch wenn sich vielleicht wenige IT-Einkäufer so dumm anstellen - beim Bezug von Dienstleistungen lässt sich ebenfall beobachten: Skaleneffekte werden überbetont. Die rein quantitative Betrachtungsweise prägt nicht nur den Einkauf, sondern auch strategische Entscheidungen wie beispielsweise die über ein Outsourcing. Dessen Vorteile werden ja ebenfalls oft mit dem vermeintlich erzielbaren Skaleneffekt begründet: Externe Dienstleister könnten nun einmal mit höheren Stückzahlen operieren und daher effizienter arbeiten, so die Argumentationslinie.

Die Produktivität beim Anwender-Support steigt nicht linear mit der Beschäftigtenzahl, sondern nur innerhalb einer der drei Homogenitätsklassen.
Foto: Compass Deutschland

Nach dieser Logik müssten Großunternehmen mit großen Stückzahlen durchweg effizienter sein als kleine. Doch in der Realität trifft man oft auf das Gegenteil. So hat die der Unternehmensberatung Compass untersucht, wie viele Kontakte ein Service-Desk-Mitarbeiter pro Woche bearbeiten kann - abhängig von der Zahl der insgesamt betreuten Anwender. Gemäß der Theorie des Skaleneffekts müsste eigentlich die Zahl der wöchentlich bearbeiteten Kontakte pro Mitarbeiter proportional zur Gesamtzahl der Anwender steigen. Ein solcher linearer Anstieg war in der Praxis jedoch nicht feststellbar.

Vielmehr ließen sich der Untersuchung zufolge verschiedene Gruppen bilden - abhängig von der Standardisierung der Infrastruktur und der Reife der Prozesse in den jeweiligen Unternehmen. Nur innerhalb dieser Klassen ließen sich die Skaleneffekte verfolgen - und zwar umso stärker, je homogener die jeweilige Infrastruktur war (siehe Grafik).

Homogenität durch Standardisierung

Damit sind wir bei einem qualitativen Kriterium, das bei der Fixierung auf den Skaleneffekt meist aus den Augen verloren wird: Homogenität der Infrastruktur, erzielt durch Standardisierung. Wie Compass auf der Basis von etwa 2500 Unternehmensanalysen aus den vergangenen zwei Jahren nachweisen kann, ist die Homogenität einer IT-Umgebung nicht nur eine wichtige Vorausetzung für Skaleneffekte; vielmehr ist sie für die Produktivität sogar wichtiger als der reine Mengenvorteil.

Sehen wir uns doch einmal die Einflussfaktoren an, die zu einem Skaleneffekt führen können:

Und welche Rolle spielt dabei die Standardisierung? Nun, es liegt auf der Hand, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Gerätetypen und Marken die ersten beiden Faktoren direkt negativ beeinflusst: Die identischen Bestellmengen sind kleiner, der Aufwand für den Support ist höher, und wenn beim Rollout die Software statt an 40.000 identische an viermal 10.000 unterschiedliche Geräte verschickt werden muss, ist die Zeit- und Personalinvestition eben auch fast viermal so hoch.

Kleine Unternehmen sind oft produktiver

Inhomogenität der Systeme hat vielfältige Ursachen. Oft ist sie historisch bedingt: Verschiedenen Fachabteilungen haben unterschiedliche Anforderungen, oft "Erbhöfe", spezielle gewachsene Anwendungen verlangen differenzierte Server. Bei einem Großkonzern durften die Anwender aus sage und schreibe 17 verschiedenen "Standard"-Hardware-Konfigurationen wählen. In einem anderen Unternehmen waren 300 verschiedene Desktop-Anwendungen im Einsatz, die ebenfalls als Standard galten. Besonders nach Firmenzusammenschlüssen stellt sich die Infrastruktur in der Regel äußerst heterogen dar; so sind zum Beispiel oft verschiedene Telefonanlagen in Gebrauch, deren Vor-Ort-Service hohe Wegekosten verursacht. Ein Merger, an dem zweimal 10.000 Mitarbeiter beteiligt sind, bedeutet also keineswegs automatisch einen Skaleneffekt; häufig verursachen diese 20.000 Anwender sogar einen - auch relativ - höheren Aufwand als vorher.

Der Skaleneffekt ist somit die Frucht, die ein Unternehmen nur ernten kann, wenn es vorher in Homogenität investiert hat. Doch die Chance auf Homogenität nimmt mit der Unternehmensgröße ab. Das liegt daran, dass sich in Großunternehmen zahlreiche Komplexitätstreiber breit machen: unterschiedliche Sprachen (vor allem bei internationalen Gesellschaften), eine höhere Marken-varianz, verschiedene Gerätetypen (zum Beispiel CAD-System in der hauseigenen Forschungsabteilung), größere Bandbreite bei den Arbeitszeiten, höhere Fertigungstiefe und mehr Anwendungslandschaften. Was den Homogenitätsgrad seiner Infrastruktur betrifft, setzt sich ein Großunternehmen quasi aus mehreren kleinen zusammen. In der Folge weisen kleinere, hochstandardisierte Unternehmen bei gleicher Fertigungstiefe und Prozessreife deutliche Vorteile gegenüber größeren, nur mäßig standardisierten Unternehmen auf.

Wie sich Komplexität reduzieren lässt

Das heißt allerdings nicht, dass Großunternehmen in puncto Homogenität kapitulieren müssen. Zwar ist nicht jeder Komplexitätstreiber wie beispielsweise Mehrsprachigkeit, Arbeitszeiten oder Fertigungstiefe eliminierbar; doch ist es durchaus möglich, deren Auswirkungen einzuschränken. So kann sich beispielsweise der IT-Einkauf zusichern lassen, dass die Hersteller für eine bestimmte Zeit baugleiche Geräte liefern. Solche "chargenreinen" Bestände senken den Support-Aufwand.

Im Unternehmen selbst sollte die IT die Anzahl der Plattformen konsequent reduzieren. Beispielsweise durch die strikte Regel, dass maximal je drei Desktop- und Notebook-Typen zur Auswahl stehen - wenn möglich, sogar noch weniger. Ausnahmen sind nur bei strengster Bedarfsprüfung zulässig. Benötigt beispielsweise die Entwicklung CAD-Rechner, dürfen diese auch nur dort eingesetzt werden, also nicht in den allgemeinen Auswahl-Pool einfließen. Rough Books (das sind besonders strapazierbare, beispielsweise feuerfeste oder wasserdichte Notebooks) bleiben dem technischen Außendienst mit extrem harten Anforderungen vorbehalten, Tablet-PCs den Vertriebsmitarbeitern im Feld, die von ihren Kunden direkt Unterschriften brauchen. Die eiserne Regel lautet: "Exoten" müssen im Unternehmen auch Exoten bleiben.

Die Voraussetzung dafür ist, dass die Fachseite mitzieht, dass sie den Willen zur Standardisierung teilt und bereit ist, auf liebgewordene Erbhöfe zu verzichten. Ein probates erzieherisches Mittel können prohibitive Preise sein: Für vom Standard abweichende Anforderungen wird ein deutlich höherer Zuschlag fällig. (qua)

Vorteile homogener Umgebungen

  • Bessere Service-Qualität: Im Problem-Management lassen sich Fehlerursachen einfacher bestimmen.

  • Effizientere Prozesse: Zum Beispiel muss bei baugleichen Geräten ein wegen Störung ausgetauschtes Gerät nicht mehr zurückgetauscht werden, woraus sich im Support ein geringerer Aufwand für Leistungsempfänger und Leistungserbringer ergibt.

  • Vereinfachte Testumgebungen: Das kommt bei der Softwareverteilung und bei Rollout-Tests zum Tragen.

  • Kostensenkung durch Skaleneffekt: Die Einkaufskonditionen werden günstiger, die Res-sourcenauslastung ebenfalls.