Unruhige ERP-Zeiten

SAP und ihre sieben größten Probleme

20.10.2008 von Martin Bayer
Die SAP-Verantwortlichen haben sich hohe Ziele gesteckt. Doch um mehr Kunden zu gewinnen und den Börsenwert zu steigern, muss sich der Konzern großen Herausforderungen stellen.

Die Ziele, die sich der größte deutsche Softwareanbieter vor rund zweieinhalb Jahren gesteckt hat, sind ehrgeizig: Bis Ende 2010 will SAP die Zahl seiner Kunden auf 100 000 erhöhen. Außerdem soll sich der Börsenwert auf knapp 90 Milliarden Euro verdoppeln. Doch auf halber Strecke liegen die Walldorfer noch weit hinter ihrem Plan zurück. Zwar hat sich die Kundenzahl vor allem im Zuge der Übernahme von Business Objects deutlich erhöht. Es fehlen immer noch gut 25 000 Namen auf der Kundenliste. Ohne weitere teure Zukäufe dürfte es schwierig werden, die Zielvorgabe zu erreichen.

Auch in Sachen Marktkapitalisierung hat sich bis dato wenig getan. Nach der jüngsten Warnung, der Konzern werde seine selbst gesteckten Ziele für das dritte Quartal verfehlen, sackte der Aktienkurs erst einmal in den Keller. Der Marktwert des Softwareriesen pendelte Mitte Oktober um etwa 35 Milliarden Euro. Die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise können wohl nur teilweise als Ausrede für die SAP-Spitze herhalten. Kurz vor dem Börseneinbruch kratzte das Papier gerade einmal an der 50-Milliarden-Euro-Grenze. Die angepeilten 90 Milliarden Euro liegen so oder so in weiter Ferne.

Stolze 300 Millionen Euro hat SAP an seinen Führungszirkel ausgelobt, wenn alle Ziele planmäßig bis 2010 erreicht werden. Das dürfte allerdings nicht einfach werden. Die Märkte sind unruhig, Anwender geizen mit den IT-Budgets und die Konkurrenten warten nur auf die passende Gelegenheit, dem Branchenprimus ein Bein zu stellen. Vor der SAP liegen etliche Herausforderungen, die erst einmal überwunden werden wollen. Wir haben die drängendsten Problem zusammengefasst.

1. Finanzkrise und die Folgen für SAP

Die Anwender müssen sparen. Nicht zuletzt wegen den derzeit kaum abschätzbaren Folgen der internationalen Finanzkrise treten viele Unternehmen auf die Kostenbremse. Das macht sich auch bei den IT-Budgets bemerkbar. In einer Umfrage von Forrester Research haben 40 Prozent der Großunternehmen angegeben, ihre IT-Ausgaben senken zu wollen. Die Marktforscher von IDC prognostizierten kürzlich, das der deutsche IT-Markt an Schwung verlieren werde. Grund dafür seien die sich weiter verschlechternden Rahmenbedingungen. Gartner hat kürzlich seine Wachstumsprognose für das kommende Jahr drastisch reduziert. Statt um 5,8 Prozent sollen die weltweiten IT-Investitionen 2009 nun um lediglich 2,3 Prozent zulegen. Die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten hinterlassen ihre Spuren in den IT-Budgets der Anwenderunternehmen, lautet das Fazit der Marktforscher.

Immerhin geben die Auguren für das laufende Jahr noch recht positive Prognosen ab. Gartner meldete, man rechne für 2008 mit weltweiten IT-Aufwendungen in Höhe von 3,4 Billionen Dollar, dies wäre ein Plus von 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für Deutschland hat der Branchenverband Bitkom erst vor kurzem seine Wachstumsprognose heraufgesetzt. Statt einem Plus von 1,6 Prozent rechnen die IT-Lobbyisten nun mit einem Wachstum des hiesigen IT-Marktes von 1,8 Prozent auf ein Volumen von insgesamt 145,5 Milliarden Euro. Besonders die Softwareanbieter könnten sich über steigende Einnahmen freuen, hieß es. Laut der aktuellen Vorhersage von Mitte September würden die Umsätze in diesem Branchensegment 2008 gegenüber dem Vorjahr um 5,3 Prozent auf 14,6 Milliarden Euro zulegen.

2. Knick in der Wachstumskurve

SAP-Chef Henning Kagermann: "Leider konnte sich die SAP den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht entziehen."

Die aktuellen Entwicklungen bei SAP geben jedoch wenig Anlass zur Hoffnung, dass das Softwarejahr 2008 gut ausgeht. Die Beben auf dem internationalen Finanzparkett haben SAP mächtig ins Wanken gebracht, obwohl die Verantwortlichen in Walldorf diese Gefahr bis zuletzt vehement bestritten. Die IT stecke in keiner Krise, hatte SAPs Vorstandssprecher Henning Kagermann noch Ende September beteuert. Die internationalen Finanzmärkte seien ins Schlingern geraten, nicht die IT-Branche. Anwenderunternehmen hätten keineswegs aufgehört zu investieren. Ausgaben für Enterprise Software seien aus Sicht des SAP-Lenkers die richtige Antwort auf die aktuellen Herausforderungen. Dazu zählt der promovierte Physiker beispielsweise die steigenden Anforderungen in Sachen Flexibilität, da die Firmen sich heute schnell an die sich rasch ändernden Marktbedingungen anpassen müssten.

Nur wenige Tage später waren dann aber ganz andere Töne aus SAPs Führungsetage zu hören. Kleinlaut musste Kagermann Anfang Oktober einräumen, dass die selbst gesteckten Erwartungen für das dritte Quartal des laufenden Geschäftsjahres verfehlt würden. "Die Entwicklung der Finanzmärkte in den letzten Wochen ist für viele Unternehmen dramatisch und beunruhigend", sagte der SAP-Chef. Dies habe in der Folge zu einem abrupten und unerwarteten Abschwung des Geschäfts unmittelbar vor Ende des dritten Quartals geführt. "Leider konnte sich die SAP den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht entziehen", lautete das Resümee des Firmenlenkers.

Die Folgen für den Softwarekonzern sind derzeit noch nicht absehbar. Zunächst brach der Aktienkurs des Softwareherstellers um über 16 Prozent ein. Das Management reagierte mit einem rigiden Sparkurs. Alle anstehenden Investitionen vom Dienstwagen bis zum Bürostuhl werden nun genau geprüft. Außerdem verhängten die Walldorfer einen Einstellungsstopp und schränkten die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern ein. Dienstreisen sind nur noch gestattet, wenn es um Kundenkontakte geht. Der SAP-Vorstand will zudem auf zehn Tage Urlaub verzichten und spornte die Belegschaft an nachzuziehen. Zu guter letzt sieht das Sparprogramm vor, alle Mitarbeiter zwischen Weihnachten und Neujahr in den Zwangsurlaub zu schicken.

Ob SAP mit diesen Maßnahmen seine Bilanz retten kann, steht in den Sternen. Insider runzeln indes die Stirn angesichts des Krisen-Managements im Badischen. "Erst die Aufforderung zur Urlaubsspende, dann der Zwangsurlaub - beides geniale Management-Entscheidungen. Kann man SAP überhaupt noch ernst nehmen", fragt ein Kommentator im CW-Forum. "Mit solcher Panik", heißt es weiter, "reagieren selbst die marodesten Unternehmen nicht."

Ist der Panikmodus gerechtfertigt?

Bei all der Panik rund um die jüngsten Zahlen, darf daran erinnert werden, dass SAP keineswegs vor dem Bankrott steht. Hat der Konzern doch in den vergangenen Jahren eine konstante Erfolgsserie hingelegt, die sich sehen lassen kann. Von 1998 bis 2007 wuchs der Jahresumsatz von 4,3 auf zuletzt 10,2 Milliarden Euro. Das Betriebsergebnis legte im gleichen Zeitraum von 901 Millionen auf 2,7 Milliarden Euro zu. Unterm Strich bedeutet das in beiden Kategorien durchschnittliche jährliche Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich. Auch im dritten Quartal ist nicht zu erwarten, dass sich die Bilanz rot färbt. SAP rechnet mit Software- und softwarebezogenen Serviceerlösen in Höhe von 1,97 bis 1,98 Milliarden Euro. Das würde immerhin noch ein Plus von 13 bis 14 Prozent bedeuten. Allerdings hatte die SAP-Führung mit einem Plus von deutlich über 15 Prozent gerechnet. Im zweiten Quartal 2008 legte dieser Posten gegenüber dem Vorjahresquartal noch um 21 Prozent auf 2,06 Milliarden Euro zu.

SAP ist jedoch an den Börsen aufgrund der hohen Profitmargen und der Wachstumserwartungen traditionell hoch bewertet. Deshalb ist das Abwärtspotenzial im Falle "besonderer Vorkommnisse" beträchtlich. Erst im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres haben die Softwerker aus dem Badischen die Markterwartungen enttäuscht. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern erhöhte sich im Jahresvergleich von 581 auf 593 Millionen Euro und blieb damit deutlich unter den Schätzungen der Analysten. Der Überschuss schrumpfte von 449 Millionen Euro im Vorjahresquartal auf 408 Millionen Euro.

Für das SAP-Management muss es jetzt darum gehen, Ruhe in das eigene Unternehmen und das Geschäft zu bekommen. Ende Oktober will der Konzern die Zahlen für das dritte Quartal vorlegen und einen Ausblick auf das gesamte Geschäftsjahr wagen. Bis dato schweigen sich die Softwerker darüber aus, wie das Jahr 2008 ausgehen könnte. Sicher ist aber, dass viel von den nächsten Wochen abhängt. Derzeit läuft das vierte Geschäftsquartal, in dem SAP traditionell den meisten Umsatz im Jahr verbucht. Bis Ende Dezember müssen wichtige Deals unter Dach und Fach sein, auch um die Weichen für das kommende Geschäftsjahr 2009 zu stellen.

3. Verärgerte Kunden

Die Gebühren für SAPs Enterprise Support werden in den nächsten Jahren stufenweise angehoben.

Ob allerdings die SAP-Kunden noch so bereitwillig ihre Unterschriften unter die Verträge setzen, wie in den Jahren zuvor, ist fraglich. Die Anwenderunternehmen sind nicht nur wegen der Finanzkrise und der voraussichtlich resultierenden Rezession verunsichert. Viele Firmen haben sich zuletzt über die Erhöhung der Wartungssätze geärgert. Nachdem SAP im Frühjahr zunächst den Neukunden ein hochpreisiges Supportmodell verordnete, kamen im Juli auch die Bestandskunden an die Reihe. Wer künftig SAP-Software einkauft, bekommt dafür automatisch statt dem bisher üblichen Standard-Support den neuen um verschiedene Dienste erweiterten Enterprise Support, muss dafür aber jährlich 22 Prozent des Listen-Lizenzpreises bezahlen. Bislang waren im Rahmen der Standardwartung 17 Prozent zu zahlen. Für bestehende SAP-Lösungen werden schrittweise höhere Wartungsgebühren fällig. Bis 2012 steigen die Supportsätze jährlich in festgelegten Stufen bis auf 22 Prozent an.

Als Begründung für die höheren Supportkosten muss die angeblich höhere Komplexität der IT-Infrastrukturen bei den Anwenderunternehmen herhalten. Das wachsende Lösungsportfolio, die weitere Verbreitung unternehmensübergreifender Geschäftsnetze und der steigende Einsatz serviceorientierter Architekturen (SOA) würden herkömmliche Supportansätze in Frage stellen. Der bisherige SAP-Support, der noch von den Gründungsvätern als Anwendungswartung entwickelt worden sei, könne den Bedarf der Kunden nicht mehr abdecken. Mit dieser Argumentation konterkariert SAP jedoch die Botschaften, die der Konzern seit Jahren in den Markt hinausträgt, um Kunden zum Umstieg auf neue Software-Releases zu bewegen: Damit lasse sich der zunehmenden Komplexität der IT entgegenwirken, lockte der Konzern die Anwender.

Die reagierten verärgert auf die erhöhten Wartungsgebühren. Man benötige keine Zusatzleistungen und werde daher die Erhöhung nicht akzeptieren, lautete die weit verbreitete Kritik vor allem in SAPs Mittelstandsklientel. Diese Kunden achten schon allein aufgrund ihrer beschränkten IT-Ressourcen auf eine möglichst einfach zu handhabende Systeminfrastruktur. Das erweitere Serviceangebot im Enterprise Support werde definitiv nicht benötigt. Angeheizt wurde der Ärger noch dadurch, dass SAP Top-Kunden, die mehr als fünf Millionen Euro jährlich an Wartungsgebühren nach Walldorf überweisen, von den teureren Wartungssätzen verschonte - obwohl gerade diese Klientel die komplexesten SAP-Systeme in Betrieb haben dürfte.

Gute Wartung - schlechte Wartung

Das neue Wartungsmodell des SAP hat für viel Unruhe und Ärger unter den Anwendern gesorgt. Die COMPUTERWOCHE möchte wissen, wie Sie die veränderten Konditionen bewerten und welche Auswirkungen das für Ihr Unternehmen hat. Nehmen Sie an unserer Umfrage teil und gewinnen Sie einen iPod Nano. Hier finden Sie den Fragenbogen:

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Auch über die Art und Weise, wie der Softwarehersteller seine Kunden informierte, schüttelten viele Anwendervertreter die Köpfe. Nachdem es noch wenige Wochen zuvor geheißen hatte, für die Bestandskunden bleibe in Sachen Wartung alles beim Alten, flatterte den Unternehmen Anfang Juli ein Brief ins Haus, in dem SAP kurz angebunden die neuen Wartungskonditionen verkündete. Nur wenige Tage darauf gab der Konzern die Veränderung öffentlich bekannt.

Noch ist nicht abzusehen, ob die geänderte Wartungsstrategie dauerhafte Gräben zwischen Anbieter und Anwender hinterlassen wird. Widerstandslos schlucken werden die höheren Kosten jedoch die wenigsten. Viele Unternehmen machen sich derzeit daran, ihre SAP-Umgebungen zu optimieren. Das könnte dazu führen, dass bestehende Lizenzen aus der Wartung genommen oder weitere Investitionen in SAP-Software vorerst auf Eis gelegt werden. Hier wird es für die Walldorfer vorrangig darum gehen, die Wogen zu glätten und die aufgebrachten Kunden zu besänftigen. Das dürfte jedoch nicht ohne Zugeständnisse funktionieren.

4. Umbruch im Management

Ob das SAP-Management dazu bereit ist, scheint fraglich. Bis dato verteidigt das Management sein neues Supportmodell hartnäckig. Auf die Kritik der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG), Kunden wollten keinen Enterprise Support als Pflicht, entgegnete SAP-Chef Kagermann: "Wir sind ein Standardsoftwareanbieter mit Standardkonditionen." Viele Eskalationen von Kundenproblemen resultierten aus unzureichendem Support. Obwohl viele Nutzer die Vorteile heute noch nicht erkennen würden, sei SAP bereit, den Nachweis zu erbringen, dass der verordnete Enterprise Support etwas bringt.

Ab Mai 2009 übernimmt Leo Apotheker allein das Ruder bei der SAP.
Foto: SAP

Diese Aufgabe wird vor allem dem künftigen starken Mann bei SAP, Leo Apotheker, zufallen. Nachdem sich im Frühjahr vergangenen Jahres der Technikspezialist Shai Agassi mangels Perspektiven von SAP verabschiedet hatte, kürte die Firmenspitze den in Paris lebenden SAP-Vorstand zum Kronprinzen. Aktuell fungiert Apotheker neben Kagermann als Co-Vorstandssprecher. Im Mai kommenden Jahres, nach dem Abschied Kagermanns, übernimmt er das SAP-Ruder allein.

Durch den Personalwechsel im Chefsessel könnte sich im Konzern einiges ändern. Mit Apotheker nimmt ein Vertriebsspezialist die Fäden in die Hand. Nach Kagermann, der sich aus der Produktentwicklung an die Konzernspitze vorgearbeitet hatte, dürften mit Apotheker als alleiniger Vorstandssprecher einige Veränderungen innerhalb des Softwareunternehmens wie auch in dessen Auftreten nach außen einhergehen. Wurzelte sein Vorgänger noch stark in der Technik, machte Apotheker schnell klar, wo seine Prioritäten liegen: In den kommenden Jahre gehe es darum, die Ernte einzufahren. Nachdem sich der Hersteller in den zurückliegenden Jahren vor allem darauf konzentriert habe, neue Technik zu entwickeln, müssten sich die daraus resultierenden Produkte nun verstärkt in barer Münze auszahlen.

Mit dem Amtsantritt Apothekers richtete SAP seinen Vorstand internationaler aus. Neben dem neuen Vorstandssprecher der SAP finden sich der ehemalige USA-Chef Bill McDermott, der Ex-Business-Objects-CEO John Schwarz sowie der dänische Entwicklungsspezialist Jim Hagemann Snabe in dem erweiterten Führungsgremium. Andere langjährige SAP-Manager nehmen ihren Hut. Neben Kagermann wird auch Peter Zencke, verantwortlich für die Entwicklung der Anwendungsplattform rund um E-SOA und die neue Mietsoftware Business ByDesign, im kommenden Jahr den Konzern verlassen. Insidern zufolge gibt es auch Gerüchte, dass alte SAP-Haudegen wie der Finanzvorstand Werner Brandt und Gerhard Oswald, verantwortlich für den globalen Service und Support, ihren Abschied planen.

Diese Veränderungen werden vor allem in den Reihen der deutschen Belegschaft misstrauisch beobachtet. Immer wieder klangen Befürchtungen durch, SAP vernachlässige seinen Heimatmarkt und werde sich in Zukunft zu Lasten der hiesigen Niederlassungen stärker auf dynamischere Märkte wie die USA, Indien oder China konzentrieren. Auch von kulturellen Gräben unter den SAP-Beschäftigten ist immer wieder die Rede. Angeblich werfen junge Niederlassungen in aufstrebenden internationalen Märkten der deutschen Zentrale Schwerfälligkeit und mangelnde Flexibilität vor. Die SAP-Verantwortlichen hatten derlei Spekulationen immer vehement zurückgewiesen.

Experten zufolge ist die Handschrift Apothekers bereits deutlich zu spüren. Neben der starken Vertriebsbetonung trimmt der 55-jährige Manager die gesamte SAP-Organisation auf mehr Effizienz. Insider berichteten wiederholt von rigiden internen Bewertungsrichtlinien, nach denen die SAP-Mitarbeiter in verschiedene Leistungsschubladen eingeordnet würden. Es sei ein deutlicher Bruch in der SAP-Kultur erkennbar, hieß es von verschiedenen Seiten. Das SAP-Management wies auch diese Vorwürfe deutlich zurück.

Ob Apotheker der richtige Mann ist, die Risse intern wie auch zum Kunden zu kitten ist zweifelhaft. Dazu kommt die angespannte wirtschaftliche Situation, die offenbar die Nerven des SAP-Managements blank legt. Bislang bewies Apotheker jedenfalls kein glückliches Händchen in Sachen Kundendiplomatie. Die deutliche Kritik der DSAG am neuen Wartungsmodell konterte der designierte SAP-Chef mit der Bemerkung: "Nicht die Anwendervereinigungen kaufen die Lizenzen, sondern die Kunden."

Diese Äußerung sorgte für Unmut unter den SAP-Kunden. "So schafft man Feindbilder", lautete die Antwort im CW-Forum. "Der feine Unterschied zwischen Anwendervereinigungen und Kunden scheint mir entgangen zu sein", heißt es weiter. "Ziehen Sie die Notbremse und stoppen Sie Herrn Apotheker", fordert ein anderer Forumsteilnehmer.

5. Akquisitionen - groß oder klein?

Oracle-Chef Lawrence Ellison setzt weiter auf eine aggressive Akquisitionsstrategie, während sich SAP bislang nur mit Business Objects einen Milliarden-Zukauf geleistet hat.

Auch in einem anderen Bereich hinterlässt der Vertriebsmann Apotheker deutliche Spuren. Die SAP-Verantwortlichen haben in der Vergangenheit immer wieder betont, in erster Linie organisch wachsen zu wollen, und sich damit wiederholt die Kritik der Börsianer eingehandelt, sie agierten zu vorsichtig und bieder am Markt. Die Zukäufe der vergangenen Jahre hatten fast ohne Ausnahme einen produkttaktischen Hintergrund und dienten dazu, das eigene Portfolio um technisches oder industriespezifisches Know-how zu ergänzen. Es gehe nicht darum Kunden oder Wachstum zu kaufen, hieß es gebetsmühlenartig in der Konzernzentrale. Dennoch klang immer wieder durch, dass auch Akquisitionen ihren Beitrag zur Erreichung der ehrgeizigen Zielvorgaben beitragen könnten, und zuletzt haben die Walldorfer mit der milliardenschweren Übernahme von Business Objects ihre selbst auferlegten Regeln gebrochen.

Im Gegensatz zum großen Rivalen Oracle haben die Badener allerdings keine Erfahrung darin, große Brocken zu verdauen. Im Zuge der Integration des Business-Intelligence-Spezialisten verlief längst nicht alles so glatt, wie es sich die Beteiligten wohl erhofft hatten. Gerade die Bereinigung des Produktportfolios und die gemeinsame Roadmap sorgten für Unruhe unter den Anwendern.

Erzrivale Oracle

SAP und Oracle verbindet schon seit Jahren eine tiefe Rivalität. Oracle-Chef Lawrence Ellison lässt keine Gelegenheit aus, seinem deutschen Gegner Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Teilweise machten es die Walldorfer dem Multi-Milliardär dabei allerdings recht einfach. Anfang 2005 hatte SAP den US-amerikanischen Serviceanbieter TomorrowNow übernommen. Ziel des Deals war es, Wartungsdienste für Applikationen von Peoplesoft und J.D. Edwards anzubieten. Beide Anbieter waren kurz zuvor von Oracle geschluckt worden. Um den Third-Party-Support anbieten zu können, arbeitete die SAP-Tochter nicht ganz sauber. Im vergangenen Jahr ließ Oracle die Bombe platzen und zerrte SAP vor den Kadi. Der Vorwurf: Tomorrow habe sich Zugang zu Oracle-Systemen verschafft und dort illegal Materialien wie Patches und Dokumentationen herunter geladen. SAP musste in der Folge Unregelmäßigkeiten einräumen und gab unzulässige Downloads zu. Den Vorwurf eines systematischen Missbrauchs wiesen die Walldorfer jedoch zurück.

Oracle will seinen Konkurrenten jedoch nicht so schnell vom Haken lassen und lehnte bislang alle Bemühungen um eine gütliche außergerichtliche Einigung ab. Während SAP daran gelegen sein muss, die Geschichte möglichst schnell vom Tisch zu bekommen, tut der US-Konkurrent alles, um den Prozess in die Länge zu ziehen. So haben die Oracle-Verantwortlichen ihre Klage kontinuierlich um neue Vorwürfe erweitert. Mittlerweile geht es um Industriespionage, über die angeblich auch die SAP-Spitze in Walldorf genau informiert gewesen sei. Der Schaden, den Oracle eigenen Angaben zufolge erlitten hat, geht angeblich in die Milliarden. SAP zog mittlerweile die Notbremse und hat den Geschäftsbetrieb von TomorrowNow eingestellt. Der Prozess rund um die Fehltritte der Service-Tochter dürfte sich jedoch noch Jahre hinziehen und könnte für SAP mit einer empfindlichen Geldstrafe plus damit verbundenem Image-Verlust im so wichtigen US-Markt enden.

Angesichts der hochgesteckten Erwartungen werden die SAP-Oberen verstärkt darauf achten müssen, ihr Wachstumstempo zu halten. Keine leichte Aufgabe, vor allem auch deswegen, weil sich das deutsche Softwarehaus an der Performance seiner ärgsten Wettbewerber messen lassen muss. Hier sorgte in den vergangenen Jahren in erster Linie Oracle für Furore. Der US-amerikanische Softwarekonzern hat in den zurückliegenden Jahren rund 30 Milliarden Dollar in Akquisitionen investiert und über 50 Softwarefirmen geschluckt, darunter Schwergewichte wie Peoplesoft, Siebel und Bea Systems. Mit den Übernahmen hat Firmenlenker Lawrence Ellison in erster Linie sein Produktportfolio abseits der Datenbank rund um Middleware und Applikationen ausgebaut und damit auch die Wachstumsfantasien der Börsianer immer wieder aufs Neue beflügelt.

6. Roadmap - was kommt nach ERP?

Dabei hatte der Konzern seinen Kunden zur weiteren ERP-Strategie schon vor Jahren eine klare und transparente Roadmap vorgelegt, was die Wartungszyklen seiner Applikationen betraf. Auch die Zusicherung, den aktuellen ERP-Kern stabil zu halten, fand in Anwenderkreisen ein positives Echo. Das Schreckgespenst aufwändiger und teurer Migrationen, das Generationen von SAP-Administratoren schlaflose Nächte bereitet hatte, schien damit bis auf weiteres gebannt. Erweiterungen des aktuellen ERP-Release werden im Rahmen sogenannter Enhancement-Packages ausgeliefert, die sich laut Hersteller einfach in bestehende SAP-Installationen einpflegen lassen sollen.

Allerdings sind die Walldorfer ihren Kunden immer noch weit voraus. Seit Jahren predigt der Konzern die Vorzüge seiner E-SOA-Infrastruktur rund um die Business Process Platform (BPP) mit der Integrationsplattform Netweaver und dem Enterprise Servcies Repository (ESR). Damit besäßen die Anwenderunternehmen die notwendige Flexibilität, ihr Geschäft an die sich ständig ändernden Marktbedingungen anzupassen und so im weltweiten Wettbewerb zu bestehen, warben die SAP-Verantwortlichen für ihre neue Softwaregeneration. Den Weg dorthin haben bis dato allerdings die wenigsten Anwender gefunden. Zwar haben mittlerweile die meisten Anwenderunternehmen - nicht zuletzt auch aufgrund der finanziellen Anreize seitens der SAP - einen neuen ERP-Vertrag unterschrieben. Auch die Zahl der technischen Upgrades aus der alten R/3- in die neue ERP-Welt wächst stetig. Den Umbau in Richtung Service-orientierte Architekturen (SOA) haben indes die wenigsten in Angriff genommen. Das ist mit einer ERP-Umstellung allein nämlich nicht getan. SOA gibt im Grunde nur Sinn, wenn die Unternehmen auch ihre Prozesse genau unter die Lupe nehmen und auf mehr Effizienz trimmen.

Die SAP-Verantwortlichen bemühen sich allerdings, ihre Kunden auf diesem Weg zu unterstützen. Dabei spielt eine Reihe von Communities eine wichtige Rolle. Neben dem SAP Developer Network (SDN), auf dem sich laut Herstellerangaben schon über 900 000 Entwickler tummeln, gibt es eine sechsstellige Zahl von Business Process Experts (BPX) und verschiedene "Industry Value Networks" (IVNs). Damit will der Konzern Kunden, Anwender und andere Softwarehersteller an einen Tisch bekommen, um Standards für einzelne Branchen zu entwickeln, die wiederum in die SAP-Produktentwicklung einfließen sollen. Der Konzern will also vom Branchen-Know-how seiner Kunden profitieren.

In den Chefetagen in Walldorf wird man sich also weiter in Geduld üben müssen, bis die Anwender nachziehen. Dabei muss die SAP genau auf die Bedürfnisse seiner Kunden hören und vor allem in der Lage sein, den Anwenderunternehmen genau zu belegen, welche Vorteile - auch in monetärer Hinsicht - die neue Softwarewelt bietet. Und irgendwann muss die Konzernführung auch die Frage beantworten, ob und wann der nächste Release-Wechsel ansteht. Trotz aller Visionen rund um Software as a Service und Cloud Computing bleibt das Lizenzgeschäft vorerst die wichtigste Cash-Cow der etablierten Softwareanbieter.

7. Problemkind Business ByDesign

Mit neuen Ideen wie beispielsweise Software as a Service haben sich die SAP-Verantwortlichen lange Zeit schwer getan. Getrieben von Erfolgen der Konkurrenz zum Beispiel des CRM-on-Demand-Anbieters Salesforce.com mussten die Walldorfer jedoch reagieren. Im Herbst vergangenen Jahres stellte SAP mit Business ByDesign eine komplette Suite an Business Applikationen vor, die Anwender via Internet mieten und nutzen können. Die Anstrengungen, diesen für SAP komplett neuen Softwaretyp zu entwickeln waren immens. 2000 Entwickler hätten vier Jahre lang an der Lösung gearbeitet, hieß es. Der Konzern adressiert mit den stark standardisierten Anwendungen Firmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern, die bislang wenig in Sachen Business Software unternommen haben. Das Kundenpotenzial taxierten die Verantwortlichen auf weltweit 1,2 Millionen Unternehmen und ein Marktvolumen von 15 Milliarden Dollar.

Mit Business ByDesign will SAP eine komplette Softwaresuite für alle Belange eines Mittelständlers online zur Miete anbieten.
Foto: SAP

Angesichts dieser Zahlen setzten die Walldorfer zunächst große Hoffnungen auf Business ByDesign. Bis 2010 sollten 10 000 Kunden gewonnen werden, die rund eine Milliarde Euro Einnahmen zum Gesamtumsatz beisteuern sollten. Von seinen ambitionierten Plänen musste sich der Konzern im Frühjahr 2008 jedoch erst einmal verabschieden. Man müsse die Vorgaben um zwölf bis 18 Monate nach hinten verschieben, hieß es im April. Neben der Lösung von technischen Problemen gelte es, die Performance und das Handling des On-Demand-Systems zu verbessern. Zudem würden die Investitionen in das neue System zurückgefahren, hatte es im Frühjahr geheißen. Das betreffe jedoch nicht die technische Weiterentwicklung, beeilten sich die Verantwortlichen zu versichern. Vielmehr verringere sich der Aufwand, Business ByDesign auf den Markt zu bringen, da sich der Konzern auf weniger Länder konzentrieren wolle. Es gebe jedoch keinen Anlass, von den Zahlen abzurücken, beteuerte das Management.

Zuletzt sickerte jedoch durch, dass SAP nicht allein technische Hindernisse zu überwinden habe. Ende August 2008 räumten Kagermann und Apotheker ein, nicht genau zu wissen, wie man mit der neuen Mietsoftware Geld verdienen könne. "Als Startup können sie Geld verbrennen", sagte Kagermann auf einer Finanzveranstaltung in New York. SAP sei jedoch börsennotiert und müsse Jahr um Jahr Wachstum vorweisen. Es dauere jedoch lange und sei teuer, dem Mittelstand die neue Software zu verkaufen. SAP müsse noch daran arbeiten, Marketin, Vertrieb und Support für Business ByDesign zu automatisieren. Erst wenn diese Nuss geknackt sei, werde man mit der SaaS-Lösung in großem Maßstab auf den Markt gehen.

Fazit

Sieben Nüsse hat SAP also zu knacken, um seine Zielvorgaben doch noch zu erreichen. Wenn sich die Verantwortlichen daran nicht die Zähne ausbeißen wollen, müssen sie sich in erster Linie darum bemühen, ihr Verhältnis zu den Kunden wieder zu kitten. Die Gräben, die die unverhoffte Erhöhung der Wartungsgebühren gerissen hat, sind tief.