Dokumenten-Management

SAP macht Ernst mit seiner ECM-Strategie

07.01.2009 von Sascha Alexander
Der Konzern geht mit Software für Produktdatenverwaltung und Records-Management sowie einer Service-orientierten-Architektur in die Offensive.

Glaubt man Analysten, kann SAP schon seit längeren ein mächtiges Produktportfolio für die Dokumentenverwaltung bieten. Doch wurde es bisher weder systematisch aufeinander abgestimmt noch als Angebot für Enterprise Content Management (ECM) positioniert, wie dies die Konkurrenten IBM, Oracle oder EMC mit ihren ECM-Plattformen anstreben (mehr zur Marktentwicklung finden Sie hier). Stattdessen firmieren die SAP-Angebote bis heute unter Namen wie Dokumentenverwaltungssystem (DVS), Product Lifecycle Management (PLM), SAP NetWeaver Records Management und Knowledge Management. Außerdem ist mit "Web Page Composer" ein Tool zur Erstellung und Verwaltung von Web-Seiten im SAP NetWeaver Portal erhältlich (auch setzt SAP künftig beim Thema Collaboration auf das Web 2.0 und Wikis).

Product Lifecycle Management

Ein Entwicklungsschwerpunkt des ECM-Portfolios ist traditionell das PLM-Angebot (SAP PLM). Es wird vorrangig zur Verwaltung strukturierter Informationen wie CAD-Zeichnungsobjekten eingesetzt und bietet Anwendern beispielsweise die Möglichkeit, einzelnen Baugruppen Stücklisteninformationen detailliert zuzuordnen. Als Benutzeroberfläche dient entweder das SAP-GUI oder eine laut Hersteller leicht anpassbare Web-Oberfläche. Erstere eignet sich vor allem für Anwender, die überwiegend in SAP arbeiten und mit der Oberfläche vertraut sind. Dabei lassen sich Informationen unterschiedlicher Herkunft und Typs auf eine ganzheitliche Sicht der zugrunde liegenden betriebswirtschaftlichen Aspekte verdichten.

Die ECM-Architektur der SAP soll im Lauf der kommenden zwei Jahre stehen. Herzstück ist der ECM Integration Layer, über den künftig Unternehmens-anwendungen auf die Dienste für die Dokumenten-verwaltung zugreifen können.

Technisch beruht SAP PLM auf dem DVS, das laut Hersteller die benötigten Dokumenten-Management-Funktionen umfasst. Hierzu zählen die Versionsverwaltung, Statusnetz, Objektverknüpfung (wie Materialstammsatz), Klassifizierung, Änderungsdienst und Archivierung. Der Zugriff auf das DVS erfolgt über das SAP-GUI oder über den Windows-Client "Easy DM".

Letzterer integriert sich laut Untersuchungen des Business Application Research Center (Barc) tief in das Client-Betriebssystem sowie bestehende Fachanwendungen und fällt daher als gesonderte DMS-Komponente nicht weiter auf. Dies ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass sich das DMS-System dem Benutzer als Laufwerk präsentiert und sich Informationen analog zu den üblichen Arbeitsweisen dort ablegen lassen.

Ebenso ist es möglich, Dokumente automatisch zu verschlagworten, indem sich über Easy DM Datenbanken einbinden oder definierte Attribute beispielsweise in Word-Dokumenten verwenden lassen. Laut SAP haben mittlerweile über 2000 Kunden aus der Automobil- und Fertigungsindustrie, aber auch anderer Branchen Easy DM aus dem Netz geladen und nutzen den Client vorzugsweise für das Ein- und Auschecken von Zeichnungen in das DVS. Alternativ bietet SAP seit kurzem neben dem SAP GUI und dem Easy DM auch eine leicht anpassbare Web-Oberfläche für SAP PLM an.

Records-Management

Ergänzend zum PLM-Angebot hat sich in den letzten Jahren die Komponente "SAP Netweaver Records Management" zum zweiten Standbein der Walldorfer im ECM-Umfeld entwickelt. Allein in Deutschlands sollen es rund 300 Kunden aller Branchen sein, die dieses Angebot auch als "Plattform für dokumentorientierte Prozesse" einsetzen, so SAP. Ein Beispiel ist Boehringer Ingelheim, das im Geschäftsbereich Biopharmaceuticals auf Basis von SAP Records Management zentrale Kernprozesse wie Abweichung, Erstellung von Zulassungsdossiers und Änderungsmanagement umsetzt.

Laut Hersteller erfüllt SAP Netweaver Records Management die meisten heutigen Anforderungen an ein elektronisches Akten-Management-System, inklusive einer Steuerung von Dokumentenprozessen über eine Art "Process-based Workspace". Darüber hinaus lässt sich Content direkt mit den Stamm- und Bewegungsdaten jeglicher SAP-Anwendungen verknüpfen.

Laut Andreas Engel, Solution Manager bei SAP, können Anwender in ihren Akten (Kunde, Bestellung, Patient) nicht nur Dokumente und URLs verwalten, sondern auch Links auf SAP-Business-Objekte wie beispielsweise "Rechnungen". Dabei würden typische Industriestandards im Records-Management unterstützt. Ergänzend gebe es zusammen mit Partnern entwickelte Lösungen wie beispielsweise eine "Kontrakt"-, eine "Kunden"- oder "Equipment"-Akte. Als Benutzeroberfläche dient das SAP-GUI, doch soll Mitte 2009 auch ein Zugriff über den Windows Explorer möglich werden.

Archivierung bleibt vorrangig Partnern überlassen

Während SAP in den Anwendungsgebieten PLM und Records-Management seine Stärken und Entwicklungsschwerpunkte sieht, hält sich der Hersteller in puncto Archivierung von unstrukturierten Daten zurück. So heißt es offiziell, dass man sich grundsätzlich nicht als Anbieter von Lösungen für die Langzeitarchivierung positionieren wolle - wohl auch ein Zugeständnis an die vielen ECM-Hersteller und Partner im Markt, die sich im SAP-Umfeld insbesondere mit ihren Archivlösungen positionieren.

Dennoch verfügen die Walldorfer mit der SAP-Netweaver-Komponente "Knowledge Provider" (KPro) auch über eigene Archivierungstechnik. KPro stellt im SAP-Jargon eine technische Infrastruktur dar, die neben modularen Services definierte Schnittstellen für die Verarbeitung und Ablage unterschiedlicher Informationstypen innerhalb und zwischen Dokumenten und dokumentartigen Objekten bietet. Damit sind Texte, Bilder, Video- und Audioaufnahmen, aber auch Programme, Web-Seiten oder auch Controls gemeint.

Im Einzelnen untergliedert sich KPro in einen "Document Management Service" (Bearbeitung von Dokumenten und dokumentartigen Objekten auf der Basis von anwendungsspezifischen Content-Modellen) sowie einen "Content Management Service" (Ablage, Caching). Für die eigentliche physikalische Speicherung kann der Kunde über die "ArchiveLink"-Schnittstelle den hauseigenen "SAP Content Server" verwenden oder ein anderes Repository wählen, das ArchiveLink unterstützt.

ArchiveLink wurde von SAP entwickelt, um Kunden eine Archivierung gescannter Eingangs- und Ausgangsdokumente sowie Drucklisten auf entsprechend zertifizierten Systemen von Drittanbietern zu ermöglichen.

Anwendungen, die die technische Infrastruktur von KPpro nutzen, sind der "SAP Business Workplace", das DVS, SAP Records Management und das "Knowledge Warehouse". Technisch positioniert SAP KPro plus Content Server als Alternative zu marktgängigen Archivlösungen, die über die SAP-Schnittstelle ArchiveLink verfügen. Zwar ist der SAP Content Server funktional nicht mit anderen Archivlösungen im Markt vergleichbar. Durch eine Kombination mit Speichertechnik, beispielsweise "EMC Centera", lässt sich die SAP-Komponente aber ausbauen und dann sehr wohl für eine revisionssichere Dokumentenablage einsetzen.

Information-Lifecycle-Management

In Bezug auf strukturierte Daten bietet SAP seit Ende 2008 auch das Produkt "SAP NetWeaver Information Lifecycle Management" (SAP NetWeaver ILM). ILM verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der auf der Datenarchivierungsfunktionen von SAP basiert und es Kunden ermöglicht, die Aufbewahrung ihrer transaktionalen Daten sowie die dazugehörigen eingescannten Eingangs- und Ausgangsdokumente über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg zu verwalten.

Als Teil von ILM werden Aufbewahrungsregeln erstellt, die zum einen automatisch sicherstellen, dass die Daten durch die Archivierung am richtigen Ort in der Speicherhierarchie landen, und zum anderen, dass sie nicht vor dem Ablaufdatum vernichtet werden.

Um diesen ganzheitlichen Ansatz zu gewährleisten, arbeitet SAP eng mit Anbietern von ECM-Lösungen und WORM-ähnlichen magnetischen Speichertechnologien zusammen und bietet hierfür auch eine Schnittstellenzertifizierung an. Darüber hinaus enthält SAP NetWeaver ILM auch eine standardisierte Methode, um Altsysteme abzuschalten, und ermöglicht Reporting und Prüfungen zum Beispiel im Rahmen von Steuerprüfungen auf den archivierten Daten. Der Schutz durch die Aufbewahrungsregeln bleibt weiterhin bestehen.

Von ECM-Software zu ECM-Services

Den insgesamt stark programmiertechnischen Ansatz beim Aufbau von Lösungen für die Dokumentenverwaltung will SAP durch eine Modernisierung und Modularisierung seines Portfolios in den kommenden Monaten abschwächen. Der Schlüssel hierfür sind eine Service-orientierte Architektur (SOA) und dynamische, vornehmlich Webdynpro-basierende Clients, die im Lauf des Jahres 2009/2010 auf den Markt kommen sollen. Ziel ist es, dass SAP-Anwendungen künftig über eine einheitliche, standardisierte ECM-Integrationsschicht von SAP NetWeaver ECM Services aufrufen können, um beispielsweise anwendungsspezifische Dokumente und Ordnerstrukturen und deren Metadaten zu verwalten.

Darüber hinaus erhalten Anwender die Option, in "Composite Applications" ECM-Services über die gemeinsame ECM-Integrationsschicht für kundenspezische Prozesse und Objekte zu verwenden. Laut SAP wird die Implementierung der Basis-ECM-Services auf Grundlage der bisherigen Anwendungen SAP Records Management, SAP PLM, DVS und KM erfolgen. Die erste Komponente "Document Management Service" der neuen Architektur soll zum Jahresende verfügbar sein. Anders als ArchiveLink dient sie nicht nur der Ablage, sondern einer vollständigen Dokumentenverwaltung, die beispielsweise die Versionierung oder das Verschieben von Dokumenten einschließt.

Enterprise Search auch für Dokumente

Ein weiterer Baustein der künftigen ECM-Strategie ist die Suche. Schon seit einigen Jahren können Anwender über die hauseigene Suchmaschine "TREX" sowohl strukturierte Geschäftsdaten als auch unstrukturierte Dokumente in verschiedenen SAP-Lösungen suchen. Allerdings fehlt bisher ein übergreifender Ansatz. So erhalten die ECM-Lösungen wie zum Beispiel SAP PLM, DVS oder das SAP NetWeaver Portal jeweils ihre eigene Suche. Dies führt dazu, dass ein SAP-Kunde seine Materialstammdaten oder andere Dokumentenablage weitgehend getrennt durchsucht und die Ergebnisse nicht zueinander in Beziehung setzten kann. Mit "SAP NetWeaver Enterprise Search" will SAP in der kommenden Zeit Abhilfe schaffen. Die Komponente soll eine einheitliche und übergreifende Suche in Geschäftsdaten gestatten, indem sie auf die geplanten ECM Services zugreifen kann.

Ergänzend zu den eigenen ECM-Diensten möchte SAP Partner und Drittanbieter für die neue Architektur erwärmen. Deren Angebote könnten sich als "Extended ECM Services" über die neue ECM-Integrationschicht einbinden und bereitstellen lassen, lockt der Hersteller. Ein Beispiel für einen Extended ECM Service ist die Speicherung und Verwaltung digitaler Medieninhalte (Digital Asset Management). Zugleich betont SAP aber auch, dass kein Kunde gezwungen sei, auf die künftige ECM-Architektur umzusteigen. Vielmehr könnten Anwender auch künftig mit den bisherigen SAP-"Core"-Komponenten weiterarbeiten. Weitere Details zur Lizenzierung und zur ECM-Architektur will SAP im Lauf der kommenden Monate nennen.