SAP bastelt an neuen Frontends

23.01.2007
Der "Netweaver Business Client" soll bei Endanwendern den Sapgui beerben. Die Benutzerführung richtet sich nach Prozessen und Aufgaben, nicht mehr nach Softwaremodulen. Damit konkretisieren die Walldorfer Pläne von "Project Muse".

Netweaver Business Client ist eine Weiterentwicklung von SAPs Software an der Benutzerschnittstelle. Er stützt sich auf die Ablaufumgebung Netweaver und verwendet Web-Dynpros. Die neue Technik richtet sich an Fachanwender. Der neue Client verwendet nicht mehr ein proprietäres Protokoll, sondern http und tauscht mit dem Server HTML- und XML-Inhalte aus. Web-Dynpro ist eine Programmierumgebung nach dem Model-View-Controller-Prinzip und dient dazu, Web-gestützte Anwendungs-Frontends für Java- sowie Abap-Programme zu bauen (siehe auch Vom SAP Dynpro zum Web Dynpro).

SAP will den Anwendungszugriff über unterschiedliche Kanäle ermöglichen. Als Ablauf- und Entwicklungsplattform dient Netweaver. Quelle: SAP
Foto: SAP

Das neue Frontend soll Anwendern ein besser auf ihre jeweiligen Aufgaben zugeschnittenes User-Interface bieten, leichter anpassbar und übersichtlicher sein. Die Walldorfer hatten im letzten Jahr erste Pläne in diese Richtung unter dem Label "Project Muse" angekündigt (siehe auch Mit Project Muse will SAP benutzerfreundlicher werden).

SAP wird den Netweaver Business Client mit der neue Version von "SAP All-in-One", die unlängst vorgestellt wurde, sowie für "Mysap ERP 2005" ausliefern, und zwar voraussichtlich mit dem "Enhancement Package 2". Letzteres sind Erweiterungspakete für die ERP-Umgebung, die Nutzer ohne großen Aufwand installieren können sollen (siehe auch SAP runderneuert All-in-one und SAP verabschiedet sich von Upgrade-Roadmap für Mysap ERP).

Der Netweaver Business Client folgt dem Konzept der "Rich Clients", das auch andere Hersteller wie IBM, Microsoft und Adobe aufgegriffen haben. Diese Kategorie von Desktop-Software soll die Vorteile von Web-Browsern und "fetten" Frontends vereinen, jedoch nicht deren Nachteile aufweisen. Reine HTML-Schnittstellen sind kein vollständiger Ersatz für traditionelle Endbenutzerprogramme. Fat Clients wie der Sapgui wiederum sind meist unflexibel und aufwändig in der Verwaltung.

Einstellen will SAP den Sapgui hingegen nicht, und er wird weiterhin unterstützt. Laut Hersteller werden bestimmte Anwendergruppen, beispielsweise Administratoren, auch weiterhin mit dem alten SAP-Client arbeiten.

Zur Navigation bietet der Business Client eine Task-Leiste, die an die linke Spalte in Microsofts Outlook erinnert. Karteireiter erlauben es, unterschiedliche Dialoge ein- und auszublenden - vergleichbar mit dem "Tabbed Browsing" in Web-Browsern. Kontextsensitiv werden "Muselets" eingeblendet, das sind zusätzliche Funktionsbausteine, die zum jeweiligen Dialog passen. Beispielsweise wird die Hilfefunktion zu einer Maske über ein Muselet am rechten Bildschirmrand eingeblendet.

Zunächst läuft der neue Client nur unter Windows und .NET. Später soll es Erweiterungen geben, die beispielsweise mobile Endgeräte wie den Blackberry unterstützen. "Ein natives Blackberry-Modul wird es ermöglichen, SAP-Applikationen auf dem Gerät zu bedienen", erläutert Filip Misovski, Product Strategist Netweaver User Interface Technology.

Die mobile Option wird jedoch nicht für alle Lösungen, sondern für typische SAP-Prozesse frei geschaltet, bei denen Anwender einen drahtlosen Zugriff benötigen. Dazu zählt zum Beispiel der Vor-Ort-Kundendienst. Wann genau die besagten mobilen Clients erscheinen, kann SAP noch nicht sagen. Partner realisieren bereits Anbindungen von Blackberry und anderen tragbaren Geräten an SAP-Lösungen.

Weiterentwickeln will SAP zudem die Web-Benutzerschnittstelle des Portals. Ajax (Asynchronous Javascript und XML) soll für bessere Bedienbarkeit der Web-Oberfläche sorgen sowie die Performance verbessern (siehe auch Die Renaissance des Web-Clients). Vor allem aber muss eine Seite nicht vom Anwender selbst aktualisiert werden, wenn sich im Backend Informationen ändern. Mit Ajax lassen sich Browser-Frontends bauen, die eine ähnliche Interaktivität erlauben wie Windows-Software. SAPs Ajax-Client wird Menüs zur Verfügung stellen, die wie bei Desktop-Applikationen aufklappen. Laut SAP bildet der "Netweaver Enterprise Portal Client" die Frontend-Mechanismen des Business Client im Portal nach.

SAPs Portal wird künftig über eine Ajax-basierendes Browser-Frontend zugänglich sein. Quelle: SAP
Foto: Alexander Huels

Ob auch "SAP Business One" das neue Frontend erhalten soll, konnte SAP-Mann Misovski noch nicht sagen. Von diesem Produkt erscheint in diesem Jahr eine neue Version.

Mit ihren neuen Client-Konzepten befindet sich SAP in guter Gesellschaft: Auch ERP-Konkurrent Microsoft arbeitet emsig ein neuen Oberflächen. Der "Dynamics Client", der wie SAPs Business Client in diesem Jahr auf den Markt kommt, soll Anwendern eine aufgabenorientierte Umgebung bereitstellen. Über einen Bildschirm wird der ERP-Nutzer Transaktionen auslösen, Statistiken zu Geschäftsdaten abrufen sowie auf E-Mails, Termine und Dokumente zugreifen können. Die erste Anwendung, die den Dynamics Client verwendet, ist "Dynamics NAV 5.1" (siehe auch Convergence 2006: Microsoft verwischt Grenzen zwischen Office und Business-Software).

Microsoft und SAP kooperieren unabhängig davon weiterhin in Sachen ERP-/Office-Integration. Das gemeinsame Produkt "Duet" verbindet beide Softwarelösungen miteinander. (fn)

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