Für Wolfgang Gaertner haben sich die Herausforderungen an einen modernen CIO in den vergangenen drei Jahren kaum geändert: Kurz nach seiner Wahl zum "CIO des Jahres 2007" formulierte der CIO Core Banking der Deutschen Bank diese Aufgaben wie folgt: die strategische Weiterentwicklung beschleunigen, die IT transformieren, um sie flexibler, produktiver und kundenorientierter zu machen, sowie das Team für die neue Rolle der IT begeistern. Diese Aufzählung habe nichts von ihrer Gültigkeit verloren, konstatierte Gaertner.
Die IT der Deutschen Bank hat sich in den vergangenen beiden Jahren von Grund auf neu gestaltet. Sie lagerte große Teile ihres Betriebs und ihrer Softwareentwicklung aus. Gleichzeitig verwandelte sie ihre bis dahin vertikal orientierte Struktur in eine horizontale und funktional ausgerichtete. In diesem Zusammenhang bekam fast jeder Mitarbeiter neue Aufgaben. Eine solche Situation kann zum Prüfstein für das Funktionieren der gesamten Organisation werden. Sie stellt hohe Ansprüche an das Change-Management. Und das ist, wie Gaertner einräumte, "nicht die natürliche Stärke der IT".
Immer noch gelten ITler als introvertiert, technikverliebt und diktatorisch. Immer mehr CIOs haben jedoch verinnerlicht, dass die Abstimmung mit dem Linien-Management und die Zufriedenheit der Anwender vor allem eins erfordert: die Fähigkeit zu verstehen und verstanden zu werden. "Communicate IT" hieß deshalb das Motto der neunten "Hamburger IT-Strategietage", die Gaertner als Keynote-Speaker eröffnete.
In Sachen Consumer-IT auf Ballhöhe
War Kommunikationsfähigkeit früher gefragt, um dem Topmanagement das dröge Thema IT nahezubringen, so ist dies heute kaum noch notwendig. Wie Gaertner berichtete, musste er sich im vergangenen Jahr von einer IT-fremden Führungskraft der Deutschen Bank sogar sagen lassen, "wie IT funktioniert": Das Topmanagemet des Finanzdienstleisters hatte den iPad entdeckt.
Gaertner ist nach eigenem Bekunden weniger leicht für Hypes zu entflammen und konnte zu diesem Zeitpunkt in Sachen Tablet-PCs nicht mitreden. Das musste er schleunigst ändern. "Als Informatiker habe ich selbstverständlich schnell aufgeholt", schmunzelte er. Dennoch wurde dieser Zwischenfall für ihn zum "Schlüsselerlebnis". Spätestens wenn die Vorstände ein Thema aufgegriffen haben, ist es im Unternehmen nicht mehr aufzuhalten. Und der CIO tut gut daran, auch in Sachen Consumer-IT auf Ballhöhe zu bleiben.
Nächstes Jahr zum zehnten Mal
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Die "Hamburger IT-Strategietage" haben sich zum größten deutschen IT-Kongress entwickelt.
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Sie fanden in diesem Jahr zum neunten Mal statt.
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Diesmal nahmen rund 700 IT-Experten, zum großen Teil CIOs aus Anwenderunternehmen, teil.
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Veranstaltet wird der Kongress schon seit Jahren von "CIO"-Magazin und COMPUTERWOCHE sowie der Initiative "Hamburg at Work" unter Mitwirkung der "Financial Times Deutschland".
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Als Hauptsponsoren zeichneten in diesem Jahr Microsoft und das Beratungsunternehmen Detecon.
Das Ende des IT-Diktats
Dass viele Anwender auch im Job ihre privaten Endgeräte nutzen wollen, ist in vielen IT-Abteilungen Gegenstand hitziger Diskussionen. Erlaubt wird es aber selten. Zu den wenigen Ausnahmen gehört der Bohrmaschinen- und Befestigungsspezialist Hilti. "Das Paradigma der unbeschränkten Kontrolle ist Vergangenheit", so das Credo des Hilti-CIOs Martin Petry.
Genau diese Kontrolle hatte der in Liechtenstein beheimatete Konzern jedoch angestrebt, als er Anfang des Jahrtausends begann, seine IT zu konsolidieren und zu zentralisieren. Ein zentral geführtes IT-Team, globale Prozesse und ein einheitliches SAP-System waren das Ergebnis. Doch die Fachbereiche wussten das offenbar nicht zu würdigen. In Umfragen äußerten sie Unzufriedenheit mit einer als wenig agil und innovativ wahrgenommenen IT.
Insbesondere klagten die Anwender über beschränkte Auswahlmöglichkeiten beim Equipment. "Wir sind wohl zu weit gegangen", räumt Petry rückblickend ein. Er habe die Macht der Cunsumerisation in der IT unterschätzt. Das vom Unternehmen angebotene "Corporate Smartphone" auf Windows-Mobile-Basis beispielsweise habe niemand haben wollen. Gefragt waren iPhones oder Android-Geräte.
Um bei den Anwendern wieder Begeisterung für die IT zu wecken, machten Petry und sein Team eine Kehrtwendung um 180 Grad. Sie wollen den Anwendern jetzt Applikationen zur Verfügung stellen, die sich mit unterschiedlichen Endgeräten nutzen lassen - mit dem Unternehmens-Equipment und mit privaten Laptops oder Smartphones. In Vietnam läuft seit vier Monaten ein Pilotversuch mit etwa 50 Anwendern. Die IT gibt Empfehlungen hinsichtlich der technischen Rahmenbedingungen, zum Beispiel des Prozessors, aber die Auswahl der Geräte überlässt sie den Mitarbeitern.
Allerdings hat die Sache einen Haken: "Bring your own Device" heißt bei Hilti auch "Service yourself". Das senkt die Support-Kosten. Unter dem Strich lasse sich mit dem Bring-your-own-Ansatz allerdings kein Geld sparen, so Petry. Denn die Gerätevielfalt am User-Frontend erfordere einen festen Kern, also einen gestiegenen Engineering-Aufwand. Dennoch führt aus Petrys Sicht kein Weg an der neuen IT-Demokratie vorbei: "Bring Your Own ist die Zukunft der Unternehmens-IT."
Neues Business aus alten Wurzeln
Kommunikationsfähigkeit muss der CIO auch unter Beweis stellen, wenn er das tut, was das Kennzeichen eines modernen IT-Chefs ist, wenn er also dem Unternehmen hilft, neues Business zu schaffen. So wie es der für das Briefgeschäft zuständige CIO der Deutschen Post, Johannes Helbig, mit dem "E-Postbrief" vorgemacht hat. Für diese Leistung haben COMPUTERWOCHE und ihre Schwesterpublikation "CIO" ihn im vergangenen Jahr zum "CIO des Jahres" gekürt.
Ursprünglich war die CIO-Rolle rein auf das Backoffice reduziert, erläuterte Helbig. Im zweiten Schritt sei dem IT-Verantwortlichen die Aufgabe der Effizienzsteigerung übertragen worden - unter dem Stichwort "Stay in the race". Gang und gäbe sei es für die IT mittlerweile, neue Geschäftsprozesse zu ermöglichen ("Win the race"). Eine State-of-the-Art-IT leiste jedoch noch mehr; sie werde zum "differenzierenden Produktbestandteil" und verändere die Spielregeln des Marktes ("Change the rules").
Drei Erfolgsfaktoren nannte Helbig in diesem Zusammenhang: erstens eine schlanke Demand-Struktur der IT, die durch die Geschäftsbereiche getrieben wird; zweitens eine modulare und damit reaktionsfähige IT-Architektur; drittens eine IT, die in Sachen Performance ihre Hausaufgaben gemacht hat und deren Mitarbeiter nicht nur technisch, sondern vor allem analytisch die notwendige Qualifikation besitzen. Unnötig zu erwähnen, dass die Qualifikation auch kommunikative Fähigkeiten umfasst.
Vier Tipps für die IT-Kommunikation
Wie weit manche IT-Teams von diesen Fähigkeiten noch entfernt sind, verdeutlichte Uta Hahn, Geschäftsführerin der BGM GmbH & Co KG in München, die jedes Jahr gemeinsam mit dem "CIO"-Magazin den IT Excellence Benchmark ausrichtet. Sie schilderte den nicht unüblichen Fall, dass ein Unternehmen die persönlichen Drucker in den Büros durch Abteilungsdrucker ersetzen wollte - eine Maßnahme, von der die Mitarbeiter zumeist wenig begeistert sind.
Der IT-Chef, der die Anwenderzufriedenheit schwinden sah, wies seine Support-Mitarbeiter an, "mit den Leuten zu reden". So hoffte er, Verständnis für die Umstrukturierung erzeugen und die aufkeimende Unzufriedenheit ersticken zu können. Aber das Bemühen blieb fruchtlos. Also zitierte er den IT-Support zu sich und fragte nach, ob seine Anweisungen befolgt worden seien. "Ja, sicher", war die Antwort. "Und was haben Sie den Leuten gesagt?" - "Na ja, wir nehmen jetzt mal die Drucker mit."
Die Kommunikationsexpertin riet den CIOs dringend, aktiv am Image der IT zu arbeiten. Mit einem guten Image könnten sie Vertrauen aufbauen, eine "Aufmerksamkeitsreserve" anlegen, also deutlicher wahrgenommen werden, und letztlich auch höhere Preise für ihre Services durchsetzen.
Um das Bild, das andere von uns haben, mitbestimmen zu können, müssen wir jedoch unermüdlich kommunizieren. Hierfür gab Hahn dem Auditorium ein paar einfache Regeln an die Hand:
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Einmal kommuniziert heißt keinmal kommuniziert! Wichtige Botschaften lassen sich nur durch ständige Wiederholung in den Köpfen der Zuhörer verankern.
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Keine Hochglanzbroschüren! Wer seine Message allzu chic verkauft, läuft Gefahr, für einen Blender oder Geldverschwender gehalten zu werden.
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Die Werbung macht es uns vor: Um eine Botschaft ans Ziel zu bringen, ist ein Wiedererkennungswert notwendig. Das kann ein Logo sein oder ein Claim; Hauptsache, die Verbindung zur Sache ist eindeutig.
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In Sachen Kommunikation ist Standardisierung fehl am Platz. Besser ist es, auf jede Zielgruppe einzeln einzugehen.
E-Mails sind zu schwerfällig
Wie sich effektive Kommunikationsstrukturen für weltweit verteilte Teams errichten lassen, beschrieb Ralf Brunken, CIO der Continental Automotive GmbH. Der Konzern hat in den vergangenen Jahren elf Akquisition durchgestanden. Er verteilt sich mittlerweile auf 40 Länder und 190 Standorte. Der IT-Bereich hat 1.400 Mitarbeiter.
Die Akquisitionen bedeuteten laut Brunken auch das auch das Aufeinandertreffen von elf unterschiedlichen (Kommunikations-)Kulturen: "Da haben Sie gar keine andere Chance, als eine Netzstruktur darüberzulegen". So wächst auch die Bedeutung der IT-Governance. Was ist erwünscht, was ist erlaubt? Wieviel Reglementierung ist sinnvoll? Wer überwacht wen oder was mit welchen Mitteln? Auf diese Fragen muss der CIO plausible Antworten haben.
Brunden beispielsweise wird sich häufig fragen lassen müssen, warum bei Continental Automotive der Zugang zu Facebook blockiert ist. Denn auf der anderen Seite räumt der CIO ein, dass E-Mails und Messaging zwar derzeit noch im Mittelpunkt der Kommunikationsstrategie stünden, aber für den Informationsaustausch in länderübergreifenden Projekten eigentlich zu schwerfällig sei. Communities, Wikis, Blogs und Collaboration-Tools seien deutlich schneller und direkter. Aus diesem Grund will Continental Automotive noch in diesem Jahr eine Social-Software-Plattform ausrollen, die technisch auf Microsoft- und IBM-Software basiert.
Code of Conduct für das Social Web
Aus der Social-Software-Praxis berichtete Matthias Moritz, CIO bei Bayer Health Care. Er habe dem Unternehmens- und Fachbereichs-Management schon im Oktober 2009 einen Kurzfilm über die Bedeutung von Social Media gezeigt. Und was sei passiert? - Nichts! Jedenfalls solange nicht, bis plötzlich ein Tweet mit Kritik an einer Bayer-Studie auftauchte: "Da wurde schnell eine Task Force gegründet."
Die Negativschlagzeilen auf Twitter wären nie bemerkt worden, hätten nicht einige Bayer-Mitarbeiter die sozialen Medien verfolgt. Deshalb plädierte Moritz dafür, den Zugang zu den Web-2.0-Medien auch während der Arbeitszeit zu gestatten: "Man muss zuhören, und das geht nicht, wenn man die Netze abschaltet." Verbote und Sperren seien ohnehin nutzlos. Dann gingen die Mitarbeiter halt mit ihren privaten Geräten ins Netz.
Ein CIO müsse offensiv an das Thema Social Networks herangehen, so Mortiz. Seine Aufgabe sei es, Strategien zu entwerfen und Gegenpläne für Rufmordaktionen im Netz zu erstellen. Dazu gehöre allerdings auch, die Mitarbeiter auf den Umgang mit der unbegrenzten Öffentlichkeit vorzubereiten, warnte der Bayer-CIO: "Wir brauchen einen Code of Conduct darüber, wie mit dem Social Web umzugehen ist." Bei Bayer gebe es den bereits - sowohl auf Konzernebene als auch heruntergebrochen auf die einzelnen Unternehmenseinheit.