Praxisbeispiele und Anleitung

Ratgeber Prozessautomatisierung

18.12.2019 von Nils Gräf
Kosten sparen, Fehler reduzieren und die Effizienz steigern: Die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen bringen viele Vorteile. Aber wie packt man sie am besten an?

Um in einem globalisierten Markt wettbewerbsfähig zu bleiben, sind schnelle, effiziente und wirtschaftliche Prozesse ein Muss. Unternehmen müssen daher prüfen, ob und wie man manuelle Workflows automatisieren kann. Das bringt viele Vorteile: Prozessautomatisierung spart Kosten, steigert die Effizienz und sorgt außerdem für mehr Sicherheit sowie Standardisierung. Denn wenn Workflows immer nach demselben Muster ablaufen und dabei Best Practices folgen, haben die Mitarbeiter leichter alles im Blick und können Vorgänge korrekt abwickeln. Außerdem werden Medienbrüche und damit verbundene Übertragungsfehler vermieden. Dies zahlt sich auch finanziell aus: Einer Studie des IBM Institute for Business Value in Zusammenarbeit mit Oxford Economics zufolge können Unternehmen mithilfe von digitalen, automatisierten Prozessen bis zu 75 Prozent Kosten sparen. Durchschnittlich liegen die Einsparungen zwischen 25 und 50 Prozent.

Prozessautomatisierung spart Kosten, steigert die Effizienz und sorgt außerdem für mehr Sicherheit sowie Standardisierung.
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Die richtigen Tools und Plattformen auswählen

Prozessautomatisierung kann schon im Kleinen anfangen, zum Beispiel mit dem automatischen Erstellen eines PDFs. Im großen Stil umfasst sie umfangreiche Workflows, an denen mehrere Abteilungen oder auch externe Partner beteiligt sind und verschiedene Datenquellen angebunden werden müssen. Für solche komplexen Projekte ist eine Digitalisierung im Backend erforderlich. Dabei empfiehlt sich der Einsatz einer Workflow-Engine, die es ermöglicht, umfangreiche Prozesse ohne Programmieraufwand digital abzubilden. Beliebte Systeme sind zum Beispiel Power Automate (vormals Microsoft Flow) und Nintex. Welches Tool am besten geeignet ist, hängt unter anderem von der bestehenden Infrastruktur ab. Wer etwa SharePoint nutzt, wählt am besten eine Automatisierungslösung, die mit SharePoint zusammenarbeitet. Je nach den individuellen Anforderungen kann auch eine Kombination aus verschiedenen Tools und Plattformen die beste Option sein.

Von der Analyse zur Umsetzung

Für den Einstieg sollten sich Unternehmen einen einfachen Workflow vornehmen. Der erste Schritt besteht stets darin, den Prozess zu analysieren. Wie sieht der Ablauf genau aus und wer ist an welcher Stelle daran beteiligt? Wo hakt es aktuell, wo gibt es Fehlerquellen und was könnte man vielleicht vereinfachen oder besser machen? Darauf aufbauend werden die Anforderungen formuliert, die der digitalisierte Prozess erfüllen soll. Dabei ist es wichtig, die Fachabteilungen von Anfang an mit ins Boot zu holen. Denn sie wissen am besten, was sie brauchen. Die IT-Abteilung kann sich eine noch so ausgefeilte technische Lösung ausdenken - wenn diese am Bedarf der Anwender vorbeigeht, bringt sie nichts.

Die Architektur der Automatisierungslösung sollten Unternehmen so anlegen, dass sie sich jederzeit leicht anpassen lässt. Denn Prozesse sind keine starren Konstrukte, die über viele Jahre hinweg statisch bleiben. Vielleicht soll ein Dokument einmal an einer anderen Stelle gespeichert werden oder es ändert sich eine Freigabeschleife. Zudem können organisatorische Umstrukturierungen oder neue rechtliche Vorgaben Prozesse beeinflussen. Deshalb empfiehlt sich bei der Umsetzung eines Automatisierungsprojekts auch ein agiles Vorgehen mit kleinen Sprints. So können die Projektverantwortlichen die Lösung während der Entwicklung noch anpassen, falls sich Anforderungen zwischenzeitlich ändern. Gerade bei großen Projekten mit längerer Laufzeit ist das wichtig.

Schrittweise einführen

Bei aller Technik dürfen die Projektverantwortlichen den Menschen nicht vergessen. Denn Prozessdigitalisierung kann nur erfolgreich sein, wenn die Mitarbeiter die neue Lösung auch gerne einsetzen. Um Ängste abzubauen und die Umstellung zu erleichtern, eignen sich Schulungen und Workshops, die die Vorteile der Veränderung vermitteln. Oft sind Mitarbeiter anfangs skeptisch, weil sie ihre gewohnten Arbeitsweisen anpassen müssen. Meist erkennen sie jedoch schnell, dass vieles flüssiger und einfacher abläuft.

Unternehmen sollten außerdem nicht versuchen, zu viele Prozesse auf einmal zu digitalisieren. Stattdessen empfiehlt es sich, Neuerungen schrittweise einzuführen. So haben die Anwender Gelegenheit, sich langsam an die Umstellung zu gewöhnen, und verlieren Vorbehalte.

Praxisbeispiel: Digitalisierter Warenrückruf-Prozess

Am besten zeigen Beispiele aus der Praxis, wie sich Prozessautomatisierung umsetzen lässt. So hat etwa Transgourmet, ein Abhol- und Belieferungsgroßhandel für die Gastronomie, Hotellerie und weitere Gewerbe, seinen Warenrückruf-Prozess digitalisiert. Bisher gab es dafür einen weitgehend manuellen Workflow, der langwierig und fehleranfällig war. Dabei gingen Faxe hin und her und Daten mussten von Hand in Excel-Listen übertragen werden. Dadurch war es für den Krisen-Manager schwer, den Überblick zu behalten.

Heute setzt Transgourmet eine Automatisierungslösung auf Basis von Microsoft SharePoint, Nintex Workflow und Nintex Forms ein. Im Rückruffall öffnet der Krisen-Manager einfach ein SharePoint-Formular. Dort kann er alle relevanten Daten eingeben. Das Formular verfügt über eine integrierte Schnittstelle zum Warenwirtschaftssystem und kann abrufen, welche Kunden das Produkt in welcher Zahl erhalten haben. Sie werden automatisch über den Rückruf informiert, erhalten eine personalisierte Handlungsanweisung und melden sich im System zurück. So weiß der Krisenmanager stets, welche Aufgaben noch offen sind. Außerdem wird das Produkt automatisch in den Kassen gesperrt, sodass es nicht mehr verkauft werden kann. Ist der Rückruf abgeschlossen, generiert das System eine Excel-Datei für die Einkaufsverwaltung, mit der die Rückerstattung berechnet wird.

Digitalisiertes Schweiß-Management

Ein Automatisierungsprojekt im Bereich der Dokumentengenerierung hat die Witzenmann-Gruppe umgesetzt, einer der führenden Hersteller von flexiblen, metallischen Elementen wie Kompensatoren, Metallbälgen und Fahrzeugteilen. Das Schweiß-Management - von der Projektkonfiguration über die Qualitätskontrolle bis zur Dokumentation - wurde bisher in SharePoint mit 50 komplexen Excel-Sheets und 30 Teilprozessen abgebildet. Die Dokumente wurden manuell erstellt. So mussten Mitarbeiter zum Beispiel in Formulare eintragen, welche ISO-Norm für eine Schweißnaht eingehalten werden soll. Kam es hier zu Übertragungsfehlern, konnte das eine teure Fehlproduktion zur Folge haben.

Heute hat Witzenmann einen einheitlichen, automatisierten Prozess etabliert. Für jeden relevanten Anwendungsfall gibt es ein digitales Spezialformular. Die Formulare, die teilweise über 200 Felder umfassen, werden automatisch mit den entsprechenden Daten aus dem SAP-System, aus SharePoint-Listen, verwalteten Metadaten und Berechnungen gefüllt. Anschließend generiert das System die jeweiligen Dokumente. Dadurch ist sichergestellt, dass die richtigen Zahlen an der richtigen Stelle in ein Dokument einfließen. Die Formulare sind mit Angular und Nintex Forms realisiert. Für die Anbindung an SAP sorgt das Schnittstellen-Produkt von Theobald Software. Dox42 übernimmt die Dokumentengenerierung und der gesamte Prozess wird durch Nintex Workflow gesteuert.

Fazit: Stein auf Stein

Es gibt viele weitere Szenarien, in denen Unternehmen bereits erfolgreich eine Prozessautomatisierung umgesetzt haben. Man muss nicht gleich mit einem komplexen Workflow starten. Für den Einstieg empfiehlt es sich, mit einem einfachen Baustein zu beginnen und dann weitere hinzuzufügen. Ein erfahrener, herstellerunabhängiger Berater kann helfen, geeignete Tools und Plattformen auszuwählen und ein erstes Projekt mit geringem Aufwand umzusetzen. (mb)