Gründe der Anwender

Pro und Contra ERP-Modernisierung

11.04.2013 von Andreas Schaffry
Unternehmen erneuern ihr ERP primär, um neue Prozessanforderungen abzubilden. Und viele sind unzufrieden mit ihrem ERP-System, wie eine Studie von Trovarit zeigt.

Die Räder im Business drehen sich immer schneller. Bestehende Geschäftsprozesse müssen laufend verändert und angepasst und neue aufgebaut werden, etwa bei der Einführung neuer Produkte und Services. Diese Entwicklungen sind in den zentralen ERP-Anwendungen abzubilden.

Neues ERP für neue Prozesse

Unternehmen wollen laut Trovarit-Vorstand Peter Treutlein durch eine ERP-Modernisierung in den Genuss neuer Entwicklungen kommen.
Foto: Trovarit

Peter Treutlein, Vorstand des Marktanalysten Trovarit AG aus Aachen, beleuchtet in einem aktuellen Beitrag für den IT-Matchmaker, wie Anwenderunternehmen und ERP-Anbieter auf diese Anforderungen reagieren. Für Firmen ist die wichtigste IT-relevante Strategie der nächsten Jahre, die Geschäftsprozesse effizienter gestalten und flexibel anpassen zu können.

Für rund zwei Drittel der Unternehmen ist dies der Hauptgrund zur Modernisierung ihrer bestehenden ERP-Installation. Das ist ein Kernergebnis der Trovarit-Studie "ERP/Business Software: Nutzenbeitrag der Modernisierung", die der Beitrag zitiert.

40 Prozent mehr als 300 Umfrageteilnehmer aus Deutschland wollten ihr ERP-System erneuern, weil sie unzufrieden mit der bisherigen Lösung sind und knapp 30 Prozent, weil der Support für das Altsystem ausläuft. Weniger häufig führen Veränderungen in der Firmenstruktur (25 Prozent), zu hohe IT-Betriebskosten oder veränderte rechtliche Vorgaben (jeweils zehn Prozent) dazu, die ERP-Landschaft aufzufrischen.

Firmen erneuern die ERP-Infrastruktur in erster Linie, um IT-Prozesse effizienter zu machen.
Foto: Trovarit

Anwenderunternehmen haben verschiedene Optionen, um ihr ERP-System zu modernisieren. Sie können die bestehende ERP-Infrastruktur komplett durch eine neue ersetzen, um "Best-of-Breed"-Lösungen für Business Intelligence (BI), Enterprise Content Management (ECM) oder ein Manufacturing Execution System (MES) zu ergänzen oder diese um neue Funktionen und Services durch Updates zu erweitern, die ERP-Hersteller regelmäßig ausliefern.

10 Trends im ERP-Markt 2013
Für das Jahr 2013 sind wichtige Entwicklungen in Sachen ERP-Software und ERP-Markt abzusehen. Für Anwender interessant zu wissen, denn ERP-Systeme bilden das Rückgrat der betrieblichen Informationsverarbeitung und verschlingen einen großen Teil des jährlichen IT-Budgets.
1. Der ERP-Markt bleibt dynamisch
Die schon seit Jahren vorhergesagte, aber bisher nicht eingetroffene Konsolidierung des Marktes für Enterprise Resource Planning wird auch 2013 nicht erfolgen. Zwar werden wieder einige traditionelle Anbieter aufgeben oder Systeme aus der aktuellen Weiterentwicklung nehmen, aber dieser Effekt wird durch zwei wesentliche Zuflüsse neuer ERP-Anbieter mehr als ausgeglichen: zum einen drängen noch immer internationale Anbieter auf den deutschen Markt, wie in den letzten Jahren Plex oder Jeeves. Zum anderen entwickeln sich bisherige Nischenanbieter mehr und mehr zu vollwertigen ERP-Anbietern, etwa der Berliner Anbieter Projektron, der mit seiner Lösung BCS ein vollwertiges ERP-System für projektorientierte Dienstleister anbietet.
2. Weiter hohe Investitionsbereitschaft
Die vom Center for Enterprise Research betriebene ERP-Trendstudie 2012 brachte eine erstaunlich hohe Investitionsbereitschaft der ERP-Anwender ans Licht. Fast 70 Prozent der Unternehmen befassen sich derzeit mit Investitionen in ihre ERP-Landschaft, das heißt, planen in ihre ERP-Systeme zu investieren oder machen gegenwärtig bereits. Vor diesem Hintergrund ist mit einer erheblichen Abkühlung der Investitionsbereitschaft im ERP-Umfeld im Jahr 2013 nicht zu rechnen.
3. ERP-Bedeutung nimmt ab
Trotz der hohen Investitionsbereitschaft sind die Tage gezählt, in denen das ERP-System die einzige unternehmensweite Anwendungslösung darstellte. Gerade Unternehmen mit spezialisierten Prozessen gehen zunehmend dazu über, neben das ERP-System weitere unternehmensweit genutzte Anwendungen zu stellen. Dennoch bleibt das ERP-System weiterhin der Maßstab für die betriebswirtschaftliche Bewertung der Geschäftsabläufe und auch führendes System für die meisten Stammdaten.
4. Anbieter werden professioneller
Viele deutsche Mittelständler haben sich zu internationalen Weltmarktführern entwickelt und ihre Organisation sowie ihren Auftritt entsprechend angepasst. Die Softwarelieferanten dieser "Hidden Champions" haben diese Professionalisierung bisher erst teilweise absolviert. Das Center for Enterprise Research sieht jedoch bei vielen Anbietern große Anstrengungen, die für Softwareanbieter wichtigen Prozesse Vertrieb, Support und Entwicklung deutlich zu professionalisieren.
5. Big-Data-ERP ohne Business Analytics
Während noch vor wenigen Jahren die Beschaffung von Daten über Kundenverhalten oder Fertigungsprozesse ein großes Problem darstellte, hat sich der Fokus nunmehr auf die Auswertung dieser großen Datenmengen - Big Data - verschoben. Eine aktuelle Untersuchung des Lehrstuhls www.wettbewerbsfaktor-analytics.de zeigt, dass ERP-Systeme in diesem Punkt wenig leistungsfähig sind und sich dieses Manko in naher Zukunft auch kaum ändern wird.
6. ERP muss Prozesse besser abbilden
Die Anbieter kämpfen gegenwärtig mit ganz anderen Baustellen. Immer mehr Kunden verlangen umfassende Lösungen für das Geschäftsprozess-Management, die eng mit dem ERP-System verzahnt sind. Im Idealfall ist dies nicht nur für das Einführungsprojekt von Vorteil, sondern auch für Schulung und Support in der Betriebsphase. Diesen Anforderungen werden die Anbieter unterhalb der SAP-Liga derzeit nur unzureichend gerecht.
7. Technologie und Architektur werden wichtiger
Der Hype um serviceorientierte Architekturen ist weitgehend vorbei. Nachdem sich der Pulverdampf um dieses Thema verzogen hat, wird folgendes deutlich: Die Anwender schauen stärker auf die Architektur und den Beitrag der vom ERP-Anbieter verwendeten Technologie zur Integrationsfähigkeit ihres ERP-Systems. Dabei ist nach wie vor die Funktionalität eines der wichtigsten ERP-Auswahlkriterien.
8. ERP wird mobiler
Der Trendreport der Universität Potsdam zeigt bei mobilen Lösungen einen deutlichen Unterschied zwischen den Interessen der Anwender und den Investitionsschwerpunkten der Anbieter. Während für Anbieter der Funktionsausbau für mobile ERP-Oberflächen den wichtigsten Entwicklungsschwerpunkt darstellt, ist das Interesse der Anwender noch eher zurückhaltend. 40 Prozent der befragten Unternehmen haben derzeit kein oder nur ein geringes Interesse an mobilen Lösungen.
9. Die Cloud bleibt wolkig
Kaum ein Thema wurde 2012 so intensiv diskutiert wie Cloud Computing. Wesentliche Hürden sind dabei, wie vertrauliche Informationen behandelt werden, und wie die Abrechnung der genutzten Services erfolgt. Folgender bisher weniger stark diskutierter Aspekt wird 2013 jedoch stärker ins Bewusstsein treten: die sehr stark branchenbezogene Cloud-Nutzung. Während die Serienfertiger zu fast 80 Prozent eine abwartende Haltung einnehmen, besteht bei 50 Prozent des stationären Handels und sogar 60 Prozent des Online-Handels ein starkes Interesse an Cloud-Lösungen.
10. ERP ist spannend
Das Schöne an den vorgestellten Trends und Entwicklungsperspektiven ist, dass Anbieter und Anwender durch ihr Marktverhalten dazu beitragen können, diese Trends zu gestalten. Insofern wird 2013 auch wieder ein spannendes ERP-Jahr werden.

40 Prozent: Kein Bedarf zur ERP-Erneuerung

Foto: Lane Erickson, Fotolia

45 Prozent sehen keinen Handlungsbedarf zur Erneuerung ihrer ERP-Software und entscheiden sich deshalb dagegen. Fast ein Viertel zweifelt den geschäftlichen Nutzen einer ERP-Erneuerung an. Knapp ein Drittel will nicht modernisieren, weil die Kosten-Nutzen-Relation zu schlecht sei. Rund einem Viertel der Firmen fehlt es intern an personellen Kapazitäten und dem erforderlichen IT-Know-how.

"Dem Wunsch, sich neue Entwicklungen im Bereich der ERP-Lösungen zu Nutze zu machen, steht in vielen Unternehmen also die Frage gegenüber, ob sich eine Modernisierung der vorhandenen ERP-Infrastruktur lohnt", kommentiert Treutlein.

ERP-Anbieter: Horizontale Integration zu komplex

Die ERP-Anbieter würden auf die Kundenanforderungen mit unterschiedlichen Strategien reagieren. Zum einen erweitern sie ihre ERP-Lösungen um Funktionen für BI, Customer Relationship Management (CRM), ECM oder Supply Chain Management (SCM). Das soll eine bereichsübergreifende Auftragsabwicklung oder finanzielle Unternehmensplanung und -steuerung mit nur einer einzigen Business-Software ermöglichen.

Allerdings sind Treutlein zufolge dieser "horizontalen Integration" Grenzen gesetzt, denn durch das Hinzufügen immer neuer Funktionen würden die ERP-Systeme zu "mächtig" und zu komplex. Die ERP-Hersteller versuchen gegenzusteuern, indem sie vordefinierte und vorkonfigurierte ERP-Templates für einzelne Branchen anbieten oder diese von Partnern mit spezieller Branchenexpertise erstellen lassen.

Fast die Hälfte der Betriebe sieht keinen Bedarf zur ERP-Erneuerung. Der geschäftliche Nutzen sei fraglich.
Foto: Trovarit

ERP-Anwenderfirmen wollen zudem bestehende Drittlösungen mit geringem Aufwand in ihre zentrale ERP-Installation einbinden und einheitliche Datenmodelle und Schnittstellen definieren. Offene Technologie- und Integrationsplattformen wie sie Microsoft mit Windows Azure und Sharepoint, SAP mit Netweaver oder Oracle mit Fusion anbieten kämen diesen Anforderungen entgegen.

Woran ERP-Projekte wirklich scheitern
Folgende Ursachen können eine ERP-Einführung gefährden:
1. Starke Fürstentümer behindern übergreifende Prozesse.
2. Zu viel Harmoniebedürfnis verzögert und verwässert die Entscheidungen.
3. Falsch verstandene Schnelligkeit hat Nachbesserungen im Schlepptau.
4. Unternehmerische Entscheidungen werden an Berater ausgelagert.
5. Fehlende Kompetenzen kommen am Ende teuer zu stehen.
6. Kompetenzwirrwarr führt zu "elektrifiziertem Chaos".
7. Softwareauswahl ohne eine vorherige Prozessanalyse funktioniert nicht.

Ein Dashboard für alle Arbeitsaufgaben

Ein wichtiger Aspekt sei auch die Benutzerfreundlichkeit einer ERP-Lösung, der die ERP-Anbieter inzwischen mit rollenbasierten Graphical User Interfaces (GUIs) nachkämen. Ein solches GUI diene den End-Usern aus den verschiedenen Fachbereichen als zentrales Informationssystem.

Die zur Erledigung der spezifischen Arbeitsaufgaben relevanten Informationen werden dabei in einem so genannten Dashboard zusammengeführt. Dazu gehören Daten aus dem ERP-System wie auch aus anderen internen wie externen Applikationen.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.de. (mhr)