Test der Traditionsmarke

Nokia und Smartphones – Ein Comeback mit Hindernissen

12.08.2015 von Manfred Bremmer
Die Zeichen dafür häufen sich, dass Nokia für Ende 2016 eine Art Rückkehr ins hart umkämpfte Smartphone-Geschäft vorbereitet. Doch was machen die Finnen anders als der Rest und wie hoch sind die Erfolgschancen?

Während der Großteil der Smartphone-Hersteller kaum eine schwarze Null erwirtschaftet, scheint es Nokia mit dem Comeback ins Smartphone-Business tatsächlich ernst zu meinen. Nachdem bereits im April erste Gerüchte aufkeimten, bestätigte Nokia-CEO Rajeev Suri im Juni gegenüber dem Manager Magazin, dass sich die Company nach geeigneten Partnern umsehe, um die Marke ab 2016 an Smartphone-Hersteller zu lizenzieren.

Foto: Nokia

Und nun berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, die Sparte Nokia Technologies habe auf LinkedIn Dutzende von Job-Angeboten in Kalifornien ausgeschrieben. Viele davon sind Stellen in der Produktentwicklung, gesucht werden unter anderem Entwickler für Android, das für die neuen mobilen Geräte von Nokia vorgesehene Betriebssystem.

Vom Unternehmen selbst ist laut Reuters wenig über die laufenden Vorbereitungen für das geplante Smartphone-Comeback zu erfahren. Es heißt lediglich, einige Mitarbeiter des 600-köpfigen Teams von Nokia Technologies würden Designs für neue Endkundenprodukte entwerfen, also für Mobiltelefone, aber auch für Videokameras oder Gesundheitsprodukte.

Tatsächlich hat Nokia allen Grund, das Smartphone-Thema - zumindest vorerst - langsam anzugehen. Zum einen hat sich das finnische Unternehmen beim Verkauf der Handy-Sparte an Microsoft im April 2014 vertraglich verpflichtet, bis zur zweiten Jahreshälfte 2016 der Industrie fernzubleiben, die Rückkehr kann also frühestens im vierten Quartal kommenden Jahres erfolgen.

Obwohl seit 1995 bei Nokia hatte der amtierende CEO Rajeev Suri nie etwas mit Mobiltelefonen zu tun.
Foto: Nokia

Zum anderen fehlen dem einst größten Handy- und Smartphone-Hersteller schlichtweg die Möglichkeiten, nachdem mit dem Verkauf die "enormen Herstellungs-, Marketing- und Channel-Vertriebsressourcen gingen, die man zum Fertigen und Verkaufen von Telefonen benötigt", wie Nokia selbst Mitte Juli in einem Presse-Statement einräumte. Last but not least dürfte Nokia in nächster Zeit mit der Integration von Alcatel-Lucent genügend zu tun haben, um noch nebenher ein neues Standbein aufzubauen.

Nokia Technologies - Keimzelle für Innovationen?

Was Nokia vor gut zwei Jahren nicht an Microsoft abgab, ist das frühere Office of the Chief Technology Officer, aus dem 2014 Nokia Technologies (TECH) hervorging. Die in Finnland (Espoo und Tampere), Sunnyvale, Kalifornien, und Cambridge, England, ansässige Sparte verfolgte damals noch unabhängige Projekte, als der Rest von Nokia für die Endgeräte offiziell längst alles auf Microsofts Plattform Windows Phone setzte. Jüngstes Resultat der Technikschmiede ist die Ende Juli vorgestellte professionelle Virtual-Reality-Ballkamera OZO, die mit acht integrierten Kameras Videos aufnimmt und noch im Gehäuseinneren zu 360-Grad-Panoramafilmen zusammenfügt.

Wichtige Aufgabe von Nokia Technologies ist allerdings auch die Lizensierung des riesigen IP-Portfolios, bestehend aus zirka 30.000 Patenten. Lizenznehmer für Standardpatente sind laut Nokia über 80 Unternehmen, dazu zählt auch Microsoft, das beim Kauf der Handy-Sparte zusätzliche 1,65 Milliarden Euro für eine zehnjährige Nutzungsberechtigung hingeblättert hat.

Nokia N1 als Testballon

In der Mitteilung erklärte Robert Morlino, Pressesprecher von Nokia Technologies, auch, wie sich Nokia die Rückkehr in den Smartphone-Markt vorstellt - in einer komplett anderen Art und Weise wie bisher, nämlich durch eine Lizensierung der Marke. Im Klartext bedeutet dies, dass Nokia einen Partner sucht, der voll und ganz für die Fertigung, Vertrieb, Marketing und Kunden-Support zuständig ist. Ist der richtige Compagnon gefunden, will sich Nokia an das technische und optische Design eines entsprechenden Gerätes machen. Dies sei "der einzige Weg, um die Messlatte für ein mobiles Gerät zu erreichen, auf das wir stolz sind, dass es den Namen Nokia trägt und dass die Menschen gerne kaufen werden", so der Sprecher von Nokia Services.

Nokia N1
Nokia N1
Nokia N1
Nokia N1
Nokia N1
Nokia N1
Nokia N1
Nokia N1
Nokia N1
Nokia N1

Wie das funktionieren soll, hat Nokia bereits beim Android-Tablet N1 vorexerziert: Das im November 2014 vorgestellte 7,9-Zoll-Gerät mit schickem Alu-Gehäuse, Intel-Quadcore-CPU und (damals) aktueller Android-Version 5.0 wird vom chinesischen Auftragsfertiger und - unter anderem - iPhone-Lieferanten Foxcom in Lizenz gebaut und vertrieben. Von Nokia stammen "lediglich" das Design und der hauseigene Z Launcher.

Wie erfolgreich das N1 Tablet und damit auch das Konzept des Markenlizenz-Deals ist, kann man schwer einschätzen: Das Gerät wird seit Januar in China und Taiwan angeboten, ein Verkauf außerhalb dieser beiden Märkte ist derzeit aber nicht geplant. Andererseits geht Nokia dabei auch ein vergleichsweise niedriges Risiko ein. Das Unternehmen muss zwar bei Design und besonderen Features in Vorleistung gehen, trägt aber nicht die Kosten, wenn sich ein Produkt als kompletter Flop erweist. Umgekehrt ist allerdings auch die Rendite nicht so hoch wie bei einem komplett eigenen Gerät.

Alte Marken - neues Leben?

Das Wiederaufleben-lassen einst bekannter Marken im Smartphone-Markt ist an sich nichts Neues und dank der zunehmend langsameren Innovationsschübe und der Auslagerung der Produktion an asiatische Auftragsfertiger kein Hexenwerk. So versuchen in der jüngsten Zeit einst bekannte Marken wie Commodore oder Marshall (London) beziehungsweise deren Lizenznehmer ein Comeback - ohne dass sie jemals etwas mit Mobiltelefonen am Hut gehabt hätten.

Ich trage einen großen Namen: Das Ruggedized Smartphone Cat S40 von Bullit Mobile
Foto: Bullitt Mobile

Ähnliches gilt auch für die besonders robusten Cat Phones - hier lieh der Baufahrzeughersteller Caterpillar der Bullit Group seinen bekannten Namen. Etwas anders verhält es sich bei dem Namens-Deal von Alcatel mit TCL (Alcatel OneTouch): Hier nutzt der chinesische Elektronikhersteller den bekannten Namen nach der hundertprozentigen Übernahme eines gemeinsamen Handy-Joint-Ventures im Jahr 2005 weiter. Allerdings legt TCL großen Wert darauf, dass mit dem Deal auch ein Großteil der Handy-Designer von Alcatel wechselte.

Auch Nokia ist davon überzeugt, dass es seinen klingenden Markennamen mit Erfolg versilbern kann - immerhin führten Millionen oder gar Milliarden von Menschen ihr erstes Handy-Telefonat mit einem Nokia-Gerät, in einigen Ländern werden (oder wurden) die Begriffe Mobiltelefon und Nokia gar als Synonyme gebraucht.

Es gibt allerdings auch Dinge, die dagegen sprechen. So belegten die Finnen zwar von 2001 bis 2009 in der von Interbrand geführten Liste der 100 bekanntesten Markennamen zwar immer einen der ersten fünf Plätze. Im vergangenen Jahr befand sich Nokia allerdings bereits auf Rang 98 und könnte 2015 komplett von der Liste der 100 bekanntesten Marken verschwinden. Interbrand führt jedoch nicht als Einzige eine solche Liste: Bei einer Übersicht über verschiedene Brand-Rankings wie sie Ranking the Brands bietet, zeigen sich auch Sweet Spots für Nokia. In den skandinavischen Ländern etwa wird die Marke trotz der vorangegangenen Wellen an Massenentlassungen und Werksschließungen nach wie vor vergleichsweise hoch bewertet. Hierzulande dürfte Nokia hingegen mit der Schließung des Werks in Bochum verbrannte Erde hinterlassen haben.

Patentschatz als Joker

Immerhin: Ein möglicher Vorteil ergibt sich trotzdem, wenn Nokia bei dem Brand-Licence-Deal seinen Patentschatz mit ins Spiel bringt. Aktuell entrichten praktisch alle führenden Hersteller von Android-Smartphones, sowie eine ganze Reihe von Auftragsfertiger Lizenzgebühren an Microsoft, Schätzungen zufolge handelt es sich hier um einen Betrag von bis zu sechs Dollar je Gerät. Im hartumkämpften Smartphone-Markt, wo Newcomer wie die chinesische Xiaomi oder Indiens Micromax den Einstiegspreis laufend weiter nach unten drücken, könnte ein Verzicht auf diese Abgaben über Gewinn oder Verlust eines Produkts entscheiden.

Mit Android kommt die Wende?

Bei der Analyse muss man sich auch in Erinnerung führen, dass es keine zwei Jahre her ist, dass Nokia noch eigene Handys und Smartphones hergestellt hat - und das ziemlich erfolglos. Während die Übertragung von Fertigung, Vertrieb und Marketing an einen Partner zwar das Problem der damals hohen Kosten lösen kann, hat sich an der damals geringen Nachfrage wohl kaum etwas verbessert. Schlimmer: Der Wettbewerb spitzt sich zu, während sich eine allmähliche Sättigung im Smartphone-Markt, insbesondere in den Industrieländern, abzeichnet.

Es sei denn - und hier begeben wir uns von den Fakten ins Reich der Spekulationen, das damals gewählte Betriebssystem Windows Phone war an allem Schuld. Tatsächlich wird dieser Punkt heftig diskutiert, seit der damalige CEO Stephen Elop im Februar 2011 ankündigte, die zukünftigen Nokia-Smartphones statt mit dem Betriebssystem Symbian mit Windows Phone auszustatten. Falls die neue Strategie von Nokia mit Android tatsächlich aufgeht, steht zumindest nachträglich fest, dass Elop (auch) in diesem Punkt falsch lag.