Wann Mobilität die Karriere fördert

Nicht jeder Umzug zahlt sich aus

15.04.2010 von Petra Riedel
Wer mobil ist, erhöht seine Jobchancen. Allerdings empfiehlt es sich, die Kosten eines Umzugs - auch die versteckten - genau nachzurechnen.

Vor sechs Jahren hat Marco Widlok rübergemacht. Nein, nicht von Ost nach West zog es ihn, wie so viele. Widlok wanderte gegen den Strom. In Köln kündigte er seinen guten Job und ging nach Leipzig. Nicht die tolle Stelle, nicht das hohe Gehalt lockten ihn. Der Grund war: die Liebe. Seine Ankunft allerdings war hart: "Ich war zunächst sehr optimistisch, was einen neuen Job angeht", erinnert sich Widlok. Verblüfft stellte er fest, dass es doch nicht so einfach war. Seine Gehaltsvorstellungen waren zu hoch, wie er nach und nach erkennen musste. "Alle fünf bis zehn Bewerbungsgespräche habe ich sie weiter nach unten geschraubt."

Viele Bewerbungen später ergatterte er seinen Traumjob. Heute arbeitet der 44-Jährige als Business Development Manager Software Asset Management beim Leipziger IT-Dienstleistungsunternehmen PC-Ware und ist als Experte für Softwarelizenzrecht in ganz Deutschland unterwegs. "Ich liebe Leipzig", erzählt er begeistert. Hier hat er seine "Traumwohnung zu einem Traumpreis" gefunden, Altbau, Dielenboden, hohe Wände. Alles läuft rund. Auch das Gehalt stimmt inzwischen wieder.

Oliver Böttcher war in der Gegenrichtung unterwegs. Er zog von Rostock in die Umgebung von Walldorf - zu SAP. "Ich wollte einen Arbeitsplatz mit abwechslungsreichen Aufgaben und Aufstiegschancen in einem führenden deutschen Unternehmen", erklärt der studierte Wirtschaftsinformatiker seine Ziele. Im Jahr 2004 fing er in dem Unternehmen an, inzwischen ist der 34-Jährige zum Assistenten der Geschäftsleitung Deutschland aufgestiegen.

Anne Hacket, ISF München: "Hochqualifizierte wechseln Betriebe oder Regionen fast selbstverständlich."

So unterschiedlich ihre Beweggründe auch sein mögen: Akademiker sind oft sehr mobil. "Hochqualifizierte wechseln Betriebe oder Regionen nahezu selbstverständlich", bestätigt die Soziologin Anne Hacket. Finden sie einen neuen Arbeitgeber, liegt ihr neuer Betrieb in fast der Hälfte der Fälle an einem anderen Ort. Doch lohnt sich dieser Schritt auch finanziell? Die Wissenschaftlerin vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung München hat repräsentative Daten von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ausgewertet. Das erstaunliche Ergebnis bei den Hochqualifizierten: "Finanziell macht es im Schnitt keinen Unterschied, ob sie innerhalb einer Region eine neue Stelle antreten oder dafür umziehen", sagt Hacket.

Städtevergleich
Money makes the World go round...
Je nachdem, in welcher Stadt ein Softwareentwickler arbeitet, kann das Gehalt sehr unterschiedlich ausfallen.<br /><br /> Quelle: Kienbaum, Jahresgehalt eines Senior-Entwicklers in Euro.
Dresden bietet zwar die traumhafte Semperoper...
... ist aber mit 43.500 Euro leider das Schlußlicht im Städtevergleich.<br /><br /> Foto: Sebastian Terfloth
Das fränkische Nürnberg...
... bietet vielleicht nicht ganz so viel Kultur und auch nur ein Jahresgehalt von 47.200 Euro.<br /><br /> Foto: DaLibri

Wann sich ein Umzug nicht lohnt

Daraus könnte man einen simplen Schluss ziehen: Ein neuer Job kann einen Gehaltssprung bringen, doch der neue Wohnort tut das nicht. Überspitzt könnte man daraus sogar einen Ratschlag an alle Hochqualifizierten ableiten: Suchen Sie sich alle paar Jahre eine neue Stelle, aber bleiben Sie in Ihrer Region. Denn Umziehen lohnt sich nicht.

Doch das wäre ein Kurzschluss. Denn manchmal findet sich in der Nähe keine neue Herausforderung: Man mag ein Experte auf seinem Gebiet sein - doch das nächste Unternehmen, das einen solchen Spezialisten braucht, ist vielleicht 500 Kilometer entfernt. Wer beruflich eine neue Perspektive sucht, muss dann beweglich sein. Denn der Wechsel des Jobs gelingt in solchen Fällen nur bei einem Wechsel des Wohnorts.

"Tatsächlich aber gibt es regional deutliche Gehaltsunterschiede", sagt Jens Lübberstedt, Berater bei Kienbaum und dort verantwortlich für die IT-Vergütungsstudie. Im Osten müsse man mit etwa 20 Prozent weniger Gehalt rechnen - das ist eine Erfahrung, die auch Marco Widlok machen musste. Spitzengehälter erzielen IT-Profis in Düsseldorf, und zwar seit Jahren. Verdient ein Softwareentwickler im bundesdeutschen Durchschnitt insgesamt rund 53.000 Euro im Jahr, kann er in Düsseldorf mit 65.200 rechnen; in der Rangliste folgen Dortmund, Frankfurt am Main, Stuttgart, München und Köln.

Ein leicht unterdurchschnittliches Gehalt erwartet ihn (oder sie) in Hamburg (51.900), dahinter liegen das Ruhrgebiet, Berlin, Nürnberg und Dresden (43.500). Analog die Rangliste bei den IT-Consultants: In Düsseldorf können sie im Jahr insgesamt 76.300 Euro nach Hause tragen, in Dresden sind es noch 50.300, haben die Kienbaum-Experten ermittelt. Doch die besseren Gehälter in den westdeutschen Großstädten werden zum Teil sicher wieder von höheren Lebenshaltungskosten aufgezehrt.

Denn 23 Prozent des Einkommens gehen im Schnitt für die Miete drauf, in einer Großstadt muss man sogar rund ein Drittel ansetzen. Am teuersten ist München, hier zahlt man fast zehn Euro pro Quadratmeter Kaltmiete, gefolgt von Stuttgart (7,40), Köln, Düsseldorf, Hamburg (6,80), Frankfurt (6,70), Berlin-West (5,40). In Dresden sind es noch 5,30 Euro; in Leipzig, wo Marco Widlok seine Traumwohnung gefunden hat, kostet der Quadratmeter fünf Euro, so der Mietspiegel der Beratungsfirma F + B.

Mobilität ist keine zwingende Voraussetzung für eine Karriere - Mobilität empfiehlt sich eher dann, wenn die Karriere stockt. Gerade junge Akademiker erleben das relativ häufig, weiß Anne Hacket: "Der Berufseinstieg von Hochqualifizierten läuft nicht selten unrund", so die Soziologin. Selten erzielt man mit raschen Wechseln mehr als jemand, der einem Unternehmen treu geblieben ist. Denn wer vom Start weg eine Arbeit findet, bei der Aufgaben, Perspektiven und Unternehmen stimmen, dessen Gehalt wird sich in der Regel schnell verbessern - auch wenn es am Anfang relativ niedrig war.

Alex Gerritsen, Computer Futures: "Alle fünf bis acht Jahre sollte man Job und Umfeld wechseln."

Die Bereitschaft, den Job und den Wohnort zu ändern, ist in den ersten Berufjahren am höchsten; mit zunehmendem Alter nimmt sie ab. "Nach fünf bis acht Jahren sollte man aber wechseln: Firma, Standort, Umfeld", empfiehlt Alex Gerritsen, Geschäftsführer der Personalberatungsfirma Computer Futures Deutschland. Eigene Kinder, der Job des Partners, ein eigenes Häuschen oder pflegebedürftige Eltern zählen dann jedoch oft mehr als der nächste Karriereschritt. "Man muss sich entscheiden, was mehr Bedeutung hat: der Standort oder die berufliche Tätigkeit und die eigene Weiterentwicklung", sagt Anita Lauter, Personalleiterin von PC-Ware. Das Gehalt ist dabei nur ein Aspekt: Auch Qualitäten wie Arbeitsbedingungen, Arbeitsgestaltung oder Arbeitsplatzsicherheit seien wichtig, betont die Soziologin Hacket: "Wenn die Menschen nur nach dem Einkommen entscheiden würden, gäbe es sehr viel höhere Mobilitätsraten."

Walter Dürr von pro search Personalmanagement kennt die Situation aus seiner Beratungspraxis. "Wenn man sein Einfamilienhaus auf dem Land verkauft und in der Stadt nur eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung dafür bekommt, wird man einen Umzug höchstens aus der Not heraus machen." Die Transferkosten sind seiner Erfahrung nach nicht zu unterschätzen; um sie auszugleichen, müsste das Gehalt schon stark steigen. Er empfiehlt: "Pendeln kann eine gute Alternative sein."

Anita Lauer, PC-Ware: "Der Bewerber muss sich entscheiden, ob ihm die Karriere oder der Standort wichtiger ist."

Auch Anita Lauter von PC-Ware sieht Pendler "als sehr engagierte Mitarbeiter, die sich unter der Woche voll auf die Arbeit konzentrieren können". Der Leipziger Dienstleister ist daher zur Flexibilität bereit und bietet seinen Mitarbeitern Home-Office-Lösungen an. Sollte man noch nicht sicher sein, ob man den Umzug wagen will, kann man sich erst nach der Probezeit entscheiden und zunächst pendeln.

Auch aus der Perspektive der Firmen sind die Fähigkeiten eines Bewerbers wichtiger als die Frage, ob er an einem, an fünf oder an zehn Firmenstandorten gearbeitet hat. Mobilität allein ist noch kein Beweis für Leistung; gleichwohl kann Mobilität notwendig sein, damit jemand Leistungsfähigkeit beweisen kann - weil er oder sie zum Beispiel erst in der neuen Firma eine angemessene Herausforderung findet. Zu viele Sprünge und Brüche im Lebenslauf lassen die Personaler jedoch vorsichtig werden: "Sehr häufige Wechsel machen uns skeptisch", sagt die PC-Ware-Personalerin.

Neue Mitarbeiter findet ihre Firma vor allem regional. Nur wenn es um besondere Qualifikationen geht, sucht das Unternehmen, das bundesweit 600 Mitarbeiter beschäftigt, auch überregional. 30 der 300 Mitarbeiter am Hauptstandort Leipzig kommen aus den alten Bundesländern, der Rest aus der Umgebung. "Wir sind im Osten auch außerhalb der IT-Branche ein bekanntes Unternehmen, kooperieren mit der Universität und bekommen laufend Initiativbewerbungen", erzählt Lauter.

Matthias Faust, SAP: "Für die meisten Bewerber ist es kein Problem, nach Walldorf umzuziehen."

"Wir haben eine große Anziehungskraft im zentraleuropäischen Raum", sagt Matthias Faust, Personalleiter von SAP Deutschland. Das Unternehmen ist einer der beliebtesten Arbeitgeber bei Hochschulabsolventen der IT-Fächer. Gut 11.000 Mitarbeiter beschäftigt die SAP am Standort Walldorf, in Deutschland sind es insgesamt 15.000. "Für einige ist es eine Umstellung, nach Walldorf zu kommen, doch für die meisten ist es sekundär."

Dafür mag es viele Gründe geben. Nicht zuletzt kann man in einem Dax-Konzern sehr viel besser verdienen als in einer Fünf-Mann-Garagenfirma. Und dieser Unterschied ist fast immer größer als der zwischen Düsseldorf und Dresden.

Wann sich ein Umzug lohnt

1. Berücksichtigen Sie, wenn Sie das Gehalt in einer neuen Region verhandeln, dass die Lebenshaltungskosten dort ganz anders sein können als in Ihrer alten Umgebung. Der gut bezahlte Job in der Großstadt ist vielleicht weniger lukrativ als der schlechter bezahlte in der Kleinstadt.

2. Erwägen Sie, ob statt eines Umzugs auch Pendeln eine Alternative ist. Viele Firmen haben gute Erfahrungen mit dem Engagement von Wochenendheimfahrern gemacht und sind zu Flexibilität bereit.

3. Wenn Sie sich unsicher sind, warten Sie mit der Entscheidung für einen Umzug, bis die Probezeit vorbei ist. Dann wissen Sie sicher, ob der Job passt und sich der Umzug lohnt.

4. Einen zweiten Haushalt am Arbeitsort können Sie innerhalb von Höchstgrenzen im Rahmen der "doppelten Haushaltsführung" steuermindernd geltend machen. Abzugsfähig sind unter anderem Kosten für Heimfahrten, die Miete sowie die Umzugskosten.

5. Bevor Sie sich für einen Umzug entscheiden, nehmen Sie Ihre Familie für ein Wochenende mit in die neue Umgebung: Können sich alle vorstellen, hier zu leben? Gibt es gute Kindergärten, Schulen, Stellenangebote für den Partner?