Mpass, Paypass oder Google Wallet

NFC - Wer macht mit?

28.04.2012 von Matthias Sternkopf
Mit NFC kontaktlos an allen Kassen zahlen - eine Vision, die viele Unternehmen teilen. Dazu verfolgen sie unterschiedliche Projekte und hoffen auf den entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Foto: vege; Huseyin Bas, Fotolia; HID Global; NXP; NFCWorld; Deutscher Sparkassen- und Giroverband

Das mobile Bezahlen mit Near Field Communication nimmt im Jahr 2012 Fahrt auf. Neben den bekannten Playern aus der Mobilfunkindustrie und Finanzwirtschaft drängen neue Akteure wie Google oder Apple auf den NFC-Markt. Die Newcomer haben nicht nur die nötigen Finanzmittel, sie konnten auch in der Vergangenheit beweisen, dass sie in der Lage sind, neue Konzepte rentabel und für den Massenmarkt interessant umzusetzen.

Dennoch hängt die Nahübertragungstechnik für das unkomplizierte Bezahlen in Deutschland noch in den Startblöcken fest. Wir geben einen Überblick, wer sich mit welchen Projekten ein Stück vom NFC-Kuchen sichern will.

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mpass - Telekom, Vodafone, O2

Das mobile Bezahlsystem "mpass" soll Handy-Besitzern ein sicheres Online-Shopping ermöglichen. Es wurde 2009 von O2 und Vodafone ins Leben gerufen, im Oktober 2010 trat die Telekom bei. Trotz der großen Namen dümpelt das Projekt seit seiner Gründung am Rande der Bedeutungslosigkeit vor sich hin. Das liegt vor allem daran, dass mpass nur von wenigen Online-Shops unterstützt wird. Auch die vergleichsweise umständliche Handhabung schreckt viele Kunden ab. Um mpass nutzen zu können, müssen auf der Website des Händlers die eigene Handy-Nummer und eine mpass-PIN angegeben werden. Daraufhin erhält der Kunde eine SMS mit einer Transaktionsnummer (TAN), um die Zahlung zu bestätigen. Erst nach Eingabe der TAN wird der Kaufbetrag vom Bankkonto abgebucht.

Im nächsten Schritt soll nun das Thema NFC angegangen werden. Das Gemeinschaftsprojekt mpass soll sich zu einem Bezahlsystem entwickeln, das sich auch an der Ladenkasse im Supermarkt bewährt. Doch noch gibt es draußen nicht genügend NFC-fähige Handys. Ralf Opalka, Pressesprecher bei der O2-Muttergesellschaft Telefónica Germany, verspricht: "Um zu gewährleisten, dass unsere Kunden schon in Kürze großflächig die NFC-Technologie einsetzen können, werden wir kostenlos NFC-Sticker anbieten."

Dadurch sollen auch Nutzer einfacher Handys die Technik nutzen können. Geht es nach Opalka, werden die Kunden den Sticker auf dem Mobiltelefon oder dem Akku anbringen, um die NFC-Features nutzen zu können. "Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir die Technik auch in unsere SIM-Karten integrieren", sagt der Telefónica-Mann. Welche Einzelhändler voraussichtlich die NFC-basierte Variante von mpass unterstützen werden, wollte oder konnte Opalka nicht sagen.

Vor allem wegen ihrer vielen Vertragskunden, insgesamt wird mit 20 Millionen Deutschen gerechnet , versprechen sich die drei größten Mobilfunkbetreiber einen Wettbewerbsvorteil. Sollten sie es in naher Zukunft schaffen, mpass gemeinsam und konsequent voranzutreiben, könnte das Projekt ein wichtiger Player auf dem NFC-Markt werden. Dagegen spricht, dass anscheinend nicht einmal die mpass-Initiatoren selbst so richtig an ihr Projekt glauben und deshalb mit mpass-Konkurrenten zusammenarbeiten. So kooperiert Vodafone weltweit mit Visa, und die Deutsche Telekom will mit Click and Buy mobil durchstarten.

Medienberichte sprechen außerdem von Abstimmungsschwierigkeiten des Trios, was eine schnelle Weiterentwicklung der NFC-Lösung verhindere. Diese Problematik wollen auch die drei Mobilfunkbetreiber erkannt haben. Sie hatten bereits für Ende letzten Jahres in Aussicht gestellt, mpass in eine eigenständige GmbH umzuwandeln - geschehen ist bis heute nichts.

Paypass - Mastercard

Weltweit ist das "Paypass"-Verfahren von Mastercard schon wegen der Verbreitung von 96 Millionen Paypass-fähigen Kreditkarten und über 300.000 Akzeptanzstellen der Primus unter den kontaktlosen Bezahlverfahren. Es setzt, wie die die meisten Lösungen der Finanzinstitute, auf NFC-Chips in Plastikkarten.

In Deutschland will Mastercard bereits 1,2 Millionen NFC-Karten (Payback, Miles & More und andere) im Umlauf haben, und es sollen im Lauf des Jahres 2012 noch deutlich mehr werden. Kunden können damit Beträge bis zu 25 Euro ohne PIN und Unterschrift kontaktlos bezahlen - eine entsprechende Paypass-Akzeptanzstelle vorausgesetzt. Bei Beträgen über 25 Euro muss zusätzlich eine PIN eingegeben werden.

Mastercard hat gegenüber den anderen Playern, die versuchen, auf dem deutschen NFC-Markt Fuß zu fassen, den Vorteil, bereits international Erfahrung gesammelt zu haben. Weltweit betreut das Kreditkarten-institut nach eigenen Angaben 30 Projekte zwischen Pilotstadium und Praxisbetrieb für Mobile-Payment-Anwendungen. Mastercard selbst gibt keine Kreditkarten aus. Paypass-Karten sind in Deutschland bei Payback Plus, Lufthansa Miles & More, Sparda Bank Nürnberg, Sparda Bank Hamburg und MLP erhältlich. Laut Mastercard sollen in der ersten Jahreshälfte 2012 noch weitere Banken folgen.

Paywave - Visa

"Paywave" von Visa
Foto: Visa

Der schärfste Konkurrent von Mastercard ist die Kreditkartenorganisation Visa. Sie hat für ihr Verfahren "Paywave" in Europa derzeit etwa 30 Millionen NFC-Karten im Umlauf. In Deutschland gibt die Postbank AG ab diesem Sommer Visa-Kreditkarten mit der Paywave-Funktion aus, fünf weitere Banken sollen in den nächsten Monaten folgen und noch 2012 rund 500.000 NFC-fähige Visa-Karten verteilen. Anfang März gab Visa die wichtigsten Acquirer für die Abwicklung des kontaktlosen Zahlverfahrens bekannt, ebenso die Netzbetreiber und Terminalhersteller für den Point of Sales (PoS). Damit wurde der Grundstein für die technische Infrastruktur gelegt.

Wie Mastercard will Visa weltweit 30 Projekte für das kontaktlose Bezahlen verfolgen. Eines davon betrifft die Taxis in Frankfurt am Main. Bereits 100 von ihnen sollen mit entsprechenden Terminals ausgestattet worden sein. Bis Ende Mai soll dann in jedem Frankfurter Taxi mit Visas NFC-System gezahlt werden können.

Trotzdem ist Visa mit der Einführung seiner NFC-Karten noch nicht so weit wie Konkurrent Mastercard. So nennt das Unternehmen noch keinen einzigen deutschen Händler, der das NFC-Verfahren akzeptieren will. Die Kreditkartenorganisation erklärte nur, man befinde sich derzeit in Gesprächen mit Händlern, die GiroGo und Paypass akzeptierten.

Sparkassen testen GiroGo

GiroGo bei den Sparkassen.
Foto: Sparkassen Hannover

Auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) will ein kontaktloses Bezahlverfahren für Kleinbeträge einführen. Aufgesetzt wird auf "GiroGo", einem Projekt der Deutschen Kreditwirtschaft (siehe Kasten "Pilotprojekt GiroGo"). Ab August 2012 soll jede neue Sparkassenkarte mit einem NFC-Chip ausgestattet sein. Michaela Roth, Pressesprecherin beim DSGV, blickt nach vorn: "Bis Ende 2012 werden 16 Millionen Sparkassenkarten die Bezahlfunktion haben.

Bis Ende 2013 summiert sich die Zahl der Sparkassenkarten mit NFC-Chip auf 30 Millionen, und bis Ende 2014 soll mit allen 45 Millionen im Umlauf befindlichen Sparkassenkarten kontaktlos bezahlt werden können." Damit hätte dann etwa jede zweite deutsche Bankkarte einen NFC-Chip, was nach Meinung von Roth vor allem den Handel davon überzeugen dürfte, auf GiroGo zu setzen.

Doch nicht nur der Handel, auch der Kunde will überzeugt werden, weiß Roth: "Letztendlich muss das Kundenverhalten im Bezahlvorgang verändert werden. Das passiert nicht von heute auf morgen, sondern braucht eine gewisse Zeit." Trotzdem zeigt sie sich zuversichtlich, dass die Sparkassen die Basis für kontaktloses Bezahlen schaffen werden. Kunden mit einer NFC-Sparkassenkarte können dann den Chip ähnlich wie bei der schon eingeführten Geldkarte am Bankautomaten mit bis zu 200 Euro aufladen.

Pilotprojekt GiroGo

Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), ein Zusammenschluss der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände in Deutschland, startete am 17. April 2012 mit den Volks- und Raiffeisenbanken sowie den Sparkassen in der Region Hannover, Braunschweig, Wolfsburg einen umfangreichen Feldtest für das kontaktlose Zahlen mit der NFC-Geldkarte über GiroGo. Die Sparkassen gaben nach eigener Zählung in den letzten Wochen rund 1,3 Millionen NFC-fähige Girocards (früher EC-Karten) an ihre Kunden aus. Die Volks- und Raiffeisenbanken beteiligten sich mit rund 150.000 Karten an dem Test. An dem Projekt nehmen unter anderem die Supermarktketten Edeka und Netto teil, die Tankstellen von Esso, die Fastfood-Kette McDonald`s, die Parfümerie Douglas, der Buchhändler Thalia und der Süßwarenhersteller Hussel. Bei dem Testlauf handele es sich um den größten seiner Art in Europa.

Auch eine Aufladung von zu Hause aus mit einem entsprechenden Gerät und der zugehörigen Software sei geplant. Deutlich komfortabler scheint da die Option der Aboladung, wie sie Kunden schon von einigen Prepaid-Konten der Mobilfunkanbieter kennen. Roth: "Wenn das Guthaben unter einen bestimmten Betrag rutscht beziehungsweise für die Zahlung nicht mehr ausreicht, dann wird nach dem Einschieben der Karte in das Kartenlesegerät des Händlers und einer PIN-Abfrage ein vorher festgelegter Betrag einmal am Tag nachgeladen." Der Vorteil des kontaktlosen Bezahlens wäre dann dahin. Aber immerhin könnten Kunden direkt am Ort des Bezahlens ihre Karte wieder aufladen und müssten nicht zum Geldautomaten.

GiroGo ist neben Paypass das derzeit ambitionierteste NFC-Projekt am deutschen Markt. Dank der geplanten hohen Verbreitung der NFC-Chips über die Sparkassenkarten, der vielen kooperierenden Händler und der offensiven Einführung ist dem System durchaus zuzutrauen, mittelfristig einen wichtigen Platz beim NFC-Payment einzunehmen.

Google Wallet

Foto: Google

Der Internet-Riese Google verfolgt mit "Google Wallet" ein ehrgeiziges Ziel: Der NFC-Bezahldienst für Android-Handys mit entsprechendem Chip soll mittelfristig Plastikkarten und Bargeld ersetzen und damit die Geldbörse überflüssig machen. Dafür kooperiert Google mit den großen internationalen Kreditorganisationen Mastercard, Visa, American Express und einigen anderen. Die Unternehmen haben mit Google Lizenzverträge geschlossen, damit ihre Dienste virtuell über Googles "Geldbörse" genutzt werden können.

Osama Bedier, Vice President für Payments bei Google, gab in seinem Blog bekannt, dass Google Wallet für alle Kreditkarten verfügbar gemacht werden solle. Außerdem bietet Google auch selbst Prepaid-Karten an. Als kleinen Anreiz, diese zu nutzen, starten amerikanische Kunden mit einem Guthaben von zehn Dollar. Beim Bezahlen werden zusätzlich Punkte auf einer virtuellen Rabattkarte gutgeschrieben.

Noch fehlt Google Wallet allerdings die breite Akzeptanz. Das liegt vor allem dar-an, dass derzeit nur wenige kommerziell erfolgreiche Smartphones mit einem NFC-Chip ausgestattet sind. Jedoch arbeitet Google laut Bedier mit allen großen Smartphone-Herstellern zusammen, um die NFC-Implementierung voranzutreiben. Immerhin wurden für das Jahr 2012 schon jetzt über 20 Android-Smartphones mit integriertem NFC-Chip angekündigt. Erst im April 2012 kaufte Google den Spezialisten für die Abwicklung von Bezahlvorgängen Txvia, um seinen Wallet-Dienst weiter auszubauen - ein Indiz dafür, dass man mit der bisherigen Entwicklung von Wallet nicht hundertprozentig zufrieden ist.

Sollte sich der Dienst durchsetzen, könnte es Google damit gelingen, zum Zahlungsdienstleister für die Offline-Welt zu werden. Das Google Wallet zugrunde liegende Handy-Betriebssystem Android läuft bereits auf mehr als jedem zweiten Smartphone, weswegen dem Internet-Konzern eine wichtige Rolle im erblühenden NFC-Markt vorhergesagt wird.

Apple

Einige Experten sind sich sicher: Das nächste iPhone wird von Apple mit der NFC-Technik ausgestattet werden. Doch allzu viel sollte man darauf nicht geben. Schließlich waren sich die gleichen Experten ebenfalls sicher, dass im letzten iPhone der Chip zur kontaktlosen Informationsübertragung Einzug halten würde - und sie wurden mit ihrer Prognose enttäuscht.

Doch dieses Mal scheinen die Hinweise auf NFC im nächsten iPhone konkreter. So will die amerikanische CW-Schwesterpublikation "Macworld" Anfang 2012 erfahren haben, dass die iOS-Entwickler mit Hochdruck an NFC arbeiten. Auch ein Sprecher von Mastercard soll indirekt bestätigt haben, dass das neue iPhone das System Paypass unterstützen werde. Man kann jedoch davon ausgehen, dass Apple NFC erst in seine Geräte integriert, wenn das Unternehmen auch ein passendes Geschäftsmodell dazu präsentieren kann.

NFC-Karten als Brückentechnik

Neben den genannten drängen eine ganze Reihe weiterer Unternehmen auf den NFC-Markt. Dazu gehört zum Beispiel Wirecard, das auf eine NFC-Aufkleberlösung setzt. Auch Facebook will angeblich mitmischen. So zumindest interpretiert der Branchendienst "TechCrunch" die Übernahme des Startups Tagtile, eines Coupon-Spezialisten, der Geschäfte mit Online-Rabattmarken macht. Paypal, im Bereich Mobile Payment ein aktiver Mitspieler, setzt dagegen in erster Linie auf QR-Codes, NFC rangiert nur an zweiter Stelle.

Im Prinzip sind sich jedoch alle Mitstreiter im umkämpften NFC-Markt einig, dass es sich bei den Chips in Plastikkarten lediglich um eine Brückentechnologie handelt und NFC letztendlich in die Smartphones wandern wird. Trotzdem oder gerade deswegen ist es den Anbietern wichtig, schon jetzt Erfahrungen mit der Technik zu sammeln. Christian von Hammel-Bonten, Executive Vice President Telecommunications bei der Wirecard AG, bringt die Pläne auf den Punkt: "Die Einbeziehung des Smartphones in den Zahlungsprozess wird neue Möglichkeiten, aber auch Veränderungen mit sich bringen. Daher ist es ratsam, sich als strategischer Entscheider bei Mobilfunkunternehmen, Banken und anderen Unternehmen rechtzeitig mit der Technologie auseinanderzusetzen."