Zeit, um zu analysieren: Die NSA-Überwachungs-Affäre und die daraus resultierenden Verunsicherungen bei den Cloud-Anwendern rücken immer stärker in den Vordergrund, während die mangelhafte Kooperation der Provider und fehlendes Problembewusstsein die entscheidenden nicht-Technologie bezogene Probleme sind. Dies sind die grundlegenden Erkenntnisse der RSA Security-Konferenz in San Francisco.
"Die Security-Branche hat versagt"
Laut IDC ist der Markt für IT-Sicherheit rund 80 Milliarden Dollar schwer. Doch wie sinnvoll diese Ausgaben sind, darüber gibt es geteilte Ansichten. "Die gesamte IT-Sicherheitsbranche hat versagt", rief RSA-Präsident Amit Yoran gleich zu Beginn der diesjährigen RSA Conference in San Francisco den 28.000 Teilnehmern in seiner Keynote zu. Nahezu täglich würden neue Cyberattacken bekannt und die Ausmaße ließen sich nur mit immer noch stärkeren Superlativen beschreiben. "2014 war das Jahr der Mega-Einbrüche und 2015 wird als Jahr der Super-Mega-Einbrüche in die Geschichte eingehen", lautete Yorans Situationsbeschreibung. Selbst große Unternehmen die Millionen für die IT-Security ausgeben, müssten kontinuierlich neue Fälle von Datendiebstahl eingestehen.
Auf die Kritik an der gesamten Branche ließ Yoran ein weiteres, provozierendes Statement folgen: "In meinen vielen Jahren im Pentagon habe ich eines gelernt: Es gibt keine komplett sicheren Systeme - alles ist hackbar!" Das Fazit des RSA-Präsidenten lautete deshalb konsequenterweise, dass wir uns daran gewöhnen müssen: Dateneinbruch und Datendiebstahl sind nicht mehr die Ausnahme, sondern der Normalfall.
Karriere mit Sicherheit: Vom Pentagon zu RSA
Amit Yoran weiß, wovon er spricht. Er hat den Chefsessel bei der EMC-Tochter RSA erst im vergangenen Oktober von Art Coviello übernommen, als dieser in den Ruhestand ging. Zuvor hat Yoran eine ungewöhnliche Karriere durchlaufen. Er absolvierte die US-Militärakademie Westpoint und promovierte an der George-Washington-Universität in Computerwissenschaften. Danach war er Initiator des "Computer Emergency Response Team" (CERT) am Pentagon und gründete eine Reihe von Security-Unternehmen, die er allesamt an große Player wie Symantec, IBM oder RSA veräußern konnte. Zu RSA kam er über die Akquisition von NetWitness im April 2011. Yoran kennt also sowohl den Schauplatz des Cyber-Kriegs auf höchsten militärischen Ebenenen, als auch den Produkt-Wildwuchs auf dem privaten IT-Security-Markt.
Bezogen auf seine jetzige Position bei RSA gibt Yoran auch einen kleinen Einblick in seine zukünftigen Pläne. So soll in den Bereichen Dataloss Prevention und Fraud Detection abgebaut werden, wohingegen neue Produkte im Bereich Identity Management auf den Markt kommen sollen. Außerdem soll RSA künftig in den Bereichen Consulting und Risiko-Management aktiver werden.
Mangelnde Kooperation in der Sicherheits-Branche
Yorans kritische Einstellung gegenüber der Security-Branche werden von vielen Analysten und Experten geteilt. "Die Sicherheitsanbieter sind wie eine Erste-Hilfe-Truppe: sie haben immer schnell einen Fix zur Hand. Doch da die Wunden immer größer werden, müssen auch Pflaster und Mullbinden immer größer werden", sagt Jeff Moss, ein ehemaliger Hacker der heute als Security-Advisor für die US-Regierung im Einsatz ist.
Manche Sicherheits-Experten sehen für die Resignation innerhalb der Sicherheits-Branche auch hausgemachte Probleme. "Der erbitterte Konkurrenzkampf zwischen den Anbietern hat zur Folge, dass jeder sein Produkt als einziges Allheilmittel anpreist - doch das ist unmöglich", sagt Robert Lee, Mitbegründer des Security-Startups Dragos. Mangelnde Kooperation würde konzertierten Konzepten im Wege stehen und damit bei den Unternehmen immer größere Lücken reißen, lautete seine Warnung an die CIOs.
Auch Yoran sieht weniger technologische Probleme, sondern vielmehr Einsatz- und Anwendungsschwächen. "Insgesamt haben wir heute eine breite Palette an ausgezeichneten Technologien, doch diese werden zu wenig oder gar nicht eingesetzt da es an dem dafür erforderlichen Willen und dem entsprechenden Fachwissen fehlt", sagte Yoran zum Abschluss seiner Keynote auf der RSA Conference 2015.
Investitionen in IT-Security auf Rekordniveau
Die Unsicherheit vieler CIOs und CEOs in Sachen Security hat aber nicht zu einer Konsolidierung, sondern zu einer gegenteiligen Entwicklung geführt. So gab es im vorigen Jahr einen neuerlichen Gründungs-Boom im IT-Security-Business. Laut dem Verband Venture-Kapitalgesellschaften wurden im vorigen Jahr weltweit 1,9 Milliarden Dollar in neue IT-Sicherheitsunternehmen investiert. Dieser Betrag übertrifft den bisherigen Rekord aus dem Jahr 2000 um zehn Prozent. Produktseitig reicht das Spektrum dieser Startups von Server- und Netzwerk-Sicherheit über Betrugs-Erkennung bis hin zu Hard- und Software für Identity Management.
Eines dieser jungen Startups heißt Cylance. Ein Unternehmen, das vom ehemaligen McAfee-Manager Stuart McClure gegründet wurde. Dieser verkündete auf der RSA Conference 2015, dass der Dateneinbruch bei Sony auf geschickte Phishing-Mails im Zusammenhang mit der Apple-ID begann. Hierzu hat das Unternehmen die von den Hackern veröffentlichten E-Mails der Sony-Mitarbeiter analysiert. "Es ist für uns völlig klar, dass die Attacken damit begannen, dass Sony-Mitarbeiter ihre Apple-ID verifizieren sollten", sagte McClure in seiner RSA-Präsentation.
Cylance bietet mit Protect ein neues Endpoint-Security-Produkt an, das auf Analytics und künstlicher Intelligenz aufbaut. Damit sei man in der Lage, mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit eine "schlechte" Datei von einer "guten" zu unterscheiden. Das Unternehmen hat Benchmarks gefahren, bei denen die bekannten Anti-Virus-Provider auf Erkennungsraten von 50 bis 60 Prozent kommen, wohingegen die Cylance-Lösung auf 99 Prozent kommen soll. Dabei soll die Software des Startups auch noch weniger Systemressourcen benötigen. Laut McClure benötigt der Filter 35 MB und kommt mit fünf bis zehn Prozent der CPU-Leistung aus, die gängige Anti-Virus-Programme benötigen.
Neue Security-Tools von Microsoft noch 2015
Scott Charney, Vice President bei Microsoft und zuständig für deren "Trustworthy Company"-Initiative, ging auf der RSA Konferenz in San Francisco stark auf die Problemfelder NSA-Überwachung und Cyberattacken im Auftrag von Regierungen ein. "In den vergangenen Jahren haben wir erlebt, dass Regierungen ambivalent sind. Einerseits erheben sie den Anspruch einer Schutzfunktion für das Internet, andererseits erleben wir sie auch als Cyber-Angreifer", sagte Charney auf der Konferenz. Die Folge sei, dass die IT-Entscheider bei Cloud-Lösungen zwei Forderungen haben. Erstens mehr Transparenz über die erfolgten Datenzugriffe, zweitens wesentlich stärkere Schutzmaßnahmen, um Unternehmensdaten besser vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Hierzu will Microsoft noch vor dem Ende des Jahres neue Tools und Verschlüsselungs-Methoden auf den Markt bringen. (fm)