Automatisierungsprojekte

Mit Software-Robotern gegen die Corona-Pandemie

06.04.2020 von Manfred Bremmer
So hilft robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) dabei, langwierige administrative Tätigkeiten im Gesundheitsbereich zu beschleunigen und damit Mitarbeiter und Patienten zu entlasten.
Um die Ausbreitung von COVID-19 zu stoppen, müssen Testergebnisse schnell erfasst und weitergegeben werden. RPA kann dabei helfen.
Foto: joel bubble ben - shutterstock.com

Um angesichts der ansteigenden Belastung der Pflegekräfte im Zuge der Coronavirus-Pandemie den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, setzt das Dubliner Universitätskrankenhaus Mater Misericordiae künftig auf Robotic Process Automation (RPA). Im Rahmen eines Pro-Bono-Automatisierungsprojekts stellt UiPath der Abteilung für Infektionsprävention und -kontrolle bis Ende des Jahres kostenlose RPA-Lizenzen zur Verfügung. Die Software-Roboter geben die Ergebnisse von Tests - etwa auf das Coronavirus - innerhalb weniger Minuten weiter, so dass Pflegekräfte mehr Zeit für die Vorbereitung und den Umgang mit COVID-19 haben.

Aufgrund der Pandemie wird das Dubliner Krankenhaus in den kommenden Monaten Hunderte Tupfer und mikrobiologische Tests erhalten, bei deren schnellen Verarbeitung die Software-Roboter unterstützen werden. Die Ergebnisse können dann schnell an die Mitarbeiter des Gesundheitswesens weitergegeben und wesentliche Maßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle ergriffen werden.

Software-Roboter entlasten Pflegekräfte

Bislang war die Abteilung täglich stundenlang nur damit beschäftigt, die Berichte aus den Laborsystemen für MDRO-Tests (Multi-Drug Resistant Organisms) zu exportieren. Die COVID-19-Ergebnisse sind hier nur einer von neun Tests, die das Team jeden Tag durchführen muss. Durch die Automatisierung von Daten durch Software-Roboter werden die Informationen künftig in einem Bruchteil der aktuell beanspruchten Zeit verarbeitet, so dass die Patientenergebnisse in Minuten weitergegeben werden können. Dadurch spart die gesamte Abteilung für Infektionskontrolle drei Stunden pro Tag, 18 Stunden pro Woche und 936 Stunden pro Jahr, die sie stattdessen für die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie aufwenden kann.

"Angesichts der Tatsache, dass Pflegekräfte in der Infektionsprävention und -kontrolle fast 30 Prozent ihres Tages mit administrativen Aufgaben verbringen, habe ich in den vergangenen Monaten nach einer Möglichkeit gesucht, um Software-Roboter in unseren täglichen Job zu integrieren", erklärt Jincy Jerry, stellvertretender Direktor für Krankenpflege, Infektionsprävention und -kontrolle beim Mater Misericordiae University Hospital Dublin. "Mit der jetzt auftretenden COVID-19-Pandemie ist es entscheidend, dass alle Mitarbeiter an der Front genügend Freiräume haben, um die Zeit mit Patienten zu verbringen und diesen Ausbruch zu bewältigen, anstatt vor Computern zu sitzen."

Doch nicht nur das Krankenhaus Mater Misericordiae soll von den kostenlosen RPA-Lizenzen profitieren. UiPath gab bekannt, dass es Krankenhäusern kostenlose Lizenzen und durchgängigen technischen Support zur Verfügung stellen werde, um die Robotic-Process-Automation-Plattform für ihre täglichen Aktivitäten zu nutzen. Das Angebot soll außerdem auf alle Institutionen und Organisationen im öffentlichen Sektor ausgeweitet werden, die versuchen, die Auswirkungen der durch die Coronavirus-Pandemie verursachten Krise zu bewältigen.

Round Table RPA 2020
Roman Schäfer, Blue Reply
Das Wort „Übergangstechnologie“ klingt arg negativ. Irgendwie ist doch alles eine Übergangstechnologie. Nach SAP R3 kommt S4 HANA, nach Windows 7 kommt Windows 10, da spricht niemand von Übergangstechnologien. Ich spreche daher lieber von Release-Zyklen.
Andreas Zehent, Deloitte
Die flächendeckende Technologiekompetenz fehlt noch immer in den meisten Unternehmen, da bei Einstellungsverfahren in Fachabteilungen noch zu wenig Wert darauf gelegt wird. In vielen Abteilungen vieler Unternehmen können Sie außerhalb der IT die Leute, die zumindest die nötigen Grundkenntnisse mitbringen, an den Fingern einer Hand abzählen.
Dr. Rami-Habib Eid-Sabbagh, Lana Labs
Das Schöne an RPA ist doch: Die Technologien sind heute einfach zu nutzen. Durch diesen Vorteil sinkt die Hemmschwelle zur Modernisierung, und neue Türen werden aufgestoßen – mit Machine Learning und Process Mining werden in Zukunft automatisch gezielt smarte Bots gebaut werden können.
Jan Wunschick, Lufthansa Industry Solutions
Viele Firmen machen immer wieder den gleichen Fehler, sehr viele starre Prozesse zu implementieren, vor allem im Bereich der IT-Sicherheit. Der Aufwand, die Legacy-Architektur umzubauen, steigt auf diese Weise exponentiell. Gerade hier sind Plattformansätze hochspannend, weil sie den Aufwand deutlich reduzieren und viele Einsparmöglichkeiten bieten.
Alexander Steiner, meta:proc
Gerade wenn nach günstigen und schnell umzusetzenden Lösungen gesucht wird, verspricht eine RPA schnelle Wertschöpfung. Doch eigentlich ist sie nur eine Übergangstechnologie, und zwar bis zu dem Punkt, an dem eine Schnittstellentechnologie besser passt.
Timo Nolle, PAFnow
KI und Machine Learning können das Process Mining entscheidend voranbringen. Das automatische Auffinden von Anomalien in Unternehmensprozessen ist zum Beispiel ein interessantes Szenario. Dieser Ansatz geht über die heutigen Möglichkeiten von RPA hinaus, da so nicht mehr nur Prozessbilder erstellt werden, sondern automatisch Learnings gezogen werden können.
Jörg Richter, Pegasystems
Kunden kommen häufig mit großen Ambitionen. Doch nach der Implementierung einer Technologie kommt es oft vor, dass der Betrieb stockt und die Lösung unproduktiv wird. RPA ist im Endeffekt eine Lösung, die dazu dient, die Legacy zu verwalten. Unbedingt vermeiden sollte man einen Wildwuchs an Bots: Wir raten unseren Kunden daher, für sich die Frage zu beantworten, wie für sie am Ende die ideale Lösung aussehen soll, und dann danach zu handeln.
Julian Beckers, Weissenberg Business Consulting
Erfolgreiches RPA ist für mich, wenn wir eine funktionierende, verständliche und portionierbare Lösung vorlegen können, die für sich funktioniert. Auf CIO-Ebene muss immer alles gleich in große Gesamtlösungen integriert sein und reibungslos darin aufgehen. Die Realität sieht aber häufig anders aus. Wir unterliegen im Alltag natürlich vielen technologischen Beschränkungen und müssen mit dem arbeiten, was wir haben.

RPA-Integration in 48 Stunden

Die schnelle Übertragung von COVID-19-Testergebnissen in sein System war auch ein Problem, mit dem Maccabi Healthcare Services - Israels größter Gesundheitsdienstleister mit 2,4 Millionen Mitgliedern - zu kämpfen hatte. So lieferte das israelische Gesundheitsministerium zwar zweimal täglich umfangreiche Excel-Tabellen mit vertraulichen Testergebnissen von Makkabi-Patienten, aber das manuelle Hochladen dieser Dokumente führte zu wochenlangen Rückständen. Dies war nicht gerade zielführend: Um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, müssen Patienten, die positiv getestet wurden, so schnell wie möglich identifiziert und isoliert werden.

Es zeichnete sich also ab, dass Maccabi angesichts der wachsenden Zahl von Testergebnissen nicht mehr Schritt halten konnte und seine manuelle Datenintegration durch einen RPA-Prozess für große Datenmengen ersetzen musste. Hier kam Robotic-Process-Automation-Anbieter Kryon ins Spiel: In weniger als 48 Stunden entwickelte und implementierte ein globales Team zusammen mit Maccabi-Mitarbeitern und dem israelischen Gesundheitsministerium eine RPA-basierte Lösung für das Problem.

Als Resultat kann Maccabi nun Hunderte von Coronavirus-Patienten effizient und zeitnah behandeln und ihnen damit das Leben retten. Doch nicht genug damit, dass die Lösung die Dauer für den Upload der Daten von Wochen auf Minuten reduziert. Das System beseitigt auch Eingabefehler, da zuvor die Ergebnisse Zeile für Zeile von Hand übertragen werden mussten.

"Es ist enorm wichtig, innovative Technologie zur Rationalisierung arbeitsintensiver Prozesse einzusetzen, damit wir uns auf die Schaffung der bestmöglichen Patientenergebnisse konzentrieren können", sagte OfirKadosh, CIO, Maccabi Healthcare Services, in einer Stellungnahme. "Vor der Automatisierung hätte dieser Prozess ein bis zwei Monate Arbeit von mehreren Mitarbeitern in Anspruch genommen. Jetzt können wir uns auf die wichtige Arbeit des Testens und Behandelns von Patienten konzentrieren."

Kryon kündigte an, das Verfahren den Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen auf der ganzen Welt kostenlos zur Verfügung zu stellen, um die Integration von privaten, öffentlichen und staatlichen Tests zu verbessern.