Nachdem der Internet-Konzern Google mit seinem "Nexus One" vorgeprescht ist, hat nun auch der rivalisierende Software-Riese aus Redmond seine eigenen Handys herausgebracht. Beide Unternehmen wollen nicht länger nur das Betriebssystem für die boomenden Smartphones liefern. Für Microsoft ist es nach Jahren des mäßigen Erfolgs ein Neustart.
Bei den als "Social Phone" bezeichneten Handy-Modellen "KIN One" und "KIN Two" tritt das Telefonieren in den Hintergrund. Die Geräte sind speziell für die Kommunikation in sozialen Netzwerken ausgelegt. Die Zielgruppe sind in erster Linie Jugendliche. Deshalb hat Microsoft in den KIN-Modellen auch erstmals seine Musikspieler-Technologie "Zune" integriert. Daten und Dienste lassen sich über das Netz (Cloud) mit dem Computer zu Hause synchronisieren.
Bislang eher Firmenkunden im Visier
Bislang hatte Microsoft eher das Geschäft mit Unternehmenskunden im Visier. Mit "Windows Mobile" wollte der Konzern die bekannte Computeroberfläche aufs Handy bringen, vom E-Mail-Programm Outlook bis zum Browser Internet Explorer. Doch der Plan schlug fehl. Die Kunden griffen zuletzt lieber zu Konkurrenzmodellen mit Googles Smartphone-Betriebssystem Android, den Blackberrys von Research In Motion (RIM) oder dem Apple iPhone.
Die KIN-Handys sollen die Erosion stoppen und die Jugend erobern. "Das ist eine Altersgruppe, um die Microsoft kämpfen muss", sagte ABI-Research-Analyst Kevin Burden der Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg. Nach Erhebungen der New Yorker Marktforscher war Microsoft im weltweiten Smartphone-Markt zuletzt deutlich von 12,5 auf 7,9 Prozent Marktanteil abgerutscht. Das iPhone legte im gleichen Zeitraum von 10,8 auf 16,6 Prozent zu, Handys mit Android von 1,7 auf 8,5 Prozent.
KIN ab Mai in den US-Regalen
Im Mai stehen die KIN-Handys in den USA in den Regalen, in Deutschland vertreibt Vodafone die Telefone exklusiv ab Herbst. Ende des Jahres soll dann das komplett neu gestaltete Betriebssystem Windows Phone 7 einen Schlussstrich unter die Ära der PC-orientierten Bedienoberflächen auf Handys ziehen. Die jahrzehntelang verfolgte Vision von Microsoft-Gründer Bill Gates, den Computer auf das Telefon zu übertragen, ist damit gescheitert.
"Der PC ist komfortabel, aber das Telefon ist kein PC", hatte Microsoft-Manager Joe Belfiore auf dem Mobile World Congress in Barcelona im Februar verkündet. Bei den ersten Telefonen mit dem neuen System, die für Ende des Jahres angekündigt sind, soll die Benutzerfreundlichkeit und die soziale Kommunikation im Vordergrund stehen und das umständliche Navigieren mit einem kleinen Stift entfallen.
Enge Kooperation mit Sharp
Nach den vielen Misserfolgen im Mobil-Markt hatte Microsoft-Chef Steve Ballmer auf einem Manager-Treffen mit einem seiner legendären Tobsuchtsanfälle das Ruder herumgerissen. Der Mann, der nun den Neustart wesentlich mitgestalten soll, kommt aus Deutschland: der bisherige Deutschland-Chef Achim Berg. In der für ihn neu geschaffenen Position eines Corporate Vice President ist Berg künftig für das weltweite Mobilfunk-Geschäft von Microsoft verantwortlich. Der 46-Jährige ist ein ausgewiesener Telekom- und Mobilfunk-Experte und war vor seinem Wechsel zu Microsoft Mitglied des Vorstand der T-Com.
Die KIN-Handys hat Microsoft in enger Kooperation mit dem japanischen Elektronikkonzern Sharp selbst entwickelt und will sie unter eigenem Namen vermarkten. Das könnte ein riskantes Spiel sein. Die Liaison könnte bisherige Hardware-Partner vor den Kopf stoßen, die bislang Microsofts Betriebssystem auf ihren Geräten nutzen. Vor der gleichen Gefahr hatten Branchenkenner auch schon im Falle von Google und dessen Nexus One gewarnt. Hier war der Partner auf Hardware-Seite die taiwanische HTC.
Vertrieb über Netzbetreiber
Anders als Google vertreibe Microsoft seine neuen KIN-Geräte aber nicht selbst über einen eigenen Shop, sondern arbeite für den Vertrieb mit den Providern Verizon und Vodafone zusammen, betonte Microsoft-Manager Robbie Bach. Nach Einschätzung von Analyst Burden könnte der Software-Konzern damit dem Problem mit verstimmten Hardware-Partnern aus dem Weg gehen.
Über die großen Mobilfunk-Anbieter hat Microsoft zudem die Chance, hohe Stückzahlen zu verkaufen. Denn bei Google blieb der Erfolg im Massenmarkt bislang aus. Nur wenige Kunden sind bereit, den vollen Gerätepreis zu zahlen - sie lassen ihre Handys lieber subventionieren und zahlen monatlich etwas mehr an die Provider. Das gilt ganz besonders für die anvisierte Jugend. (dpa/tc)