Handymarkt lockt

Microsoft probt den mobilen Neustart

13.04.2010
Microsoft geht im Mobilfunk-Markt in die Offensive.

Nachdem der Internet-Konzern Google mit seinem "Nexus One" vorgeprescht ist, hat nun auch der rivalisierende Software-Riese aus Redmond seine eigenen Handys herausgebracht. Beide Unternehmen wollen nicht länger nur das Betriebssystem für die boomenden Smartphones liefern. Für Microsoft ist es nach Jahren des mäßigen Erfolgs ein Neustart.

Bei den als "Social Phone" bezeichneten Handy-Modellen "KIN One" und "KIN Two" tritt das Telefonieren in den Hintergrund. Die Geräte sind speziell für die Kommunikation in sozialen Netzwerken ausgelegt. Die Zielgruppe sind in erster Linie Jugendliche. Deshalb hat Microsoft in den KIN-Modellen auch erstmals seine Musikspieler-Technologie "Zune" integriert. Daten und Dienste lassen sich über das Netz (Cloud) mit dem Computer zu Hause synchronisieren.

Bislang eher Firmenkunden im Visier

Bislang hatte Microsoft eher das Geschäft mit Unternehmenskunden im Visier. Mit "Windows Mobile" wollte der Konzern die bekannte Computeroberfläche aufs Handy bringen, vom E-Mail-Programm Outlook bis zum Browser Internet Explorer. Doch der Plan schlug fehl. Die Kunden griffen zuletzt lieber zu Konkurrenzmodellen mit Googles Smartphone-Betriebssystem Android, den Blackberrys von Research In Motion (RIM) oder dem Apple iPhone.

Kin One
Mit Kin One und Two adressiert Microsoft vor allem Gruppen, die häufig in sozialen Netzen unterwegs sind.
Kin One
Sie können mit den Geräten unterwegs auf Facebook & Co zugreifen und dank der Volltastatur auch einfach eigene Beiträge posten.
Kin One
Die Oberfläche der Kin-Handys, Kin Loop genannt, erinnert stark an das neue Windows Phone 7.
Kin One
Die Geräte wiederum können ihre Verwandtschaft zu den Sidekick-Handys nicht leugnen - kein Wunder, dessen Hersteller Danger wurde von Microsoft übernommen.
Kin One
Kin Spot ermöglicht das Veröffentlichen der eigenen Statusmeldungen, sowie Fotos, Clips und Links.
Kin One
Dank der geringen Abmessungen kann das Microsoft-Handy einfach mit einer Hand bedient werden.
Kin One
Das Kin One ist relativ klein gehalten, die Tastatur zieht man wie beim Palm Pre nach unten heraus.
Kin One
Außerdem verfügt das Device über einen Touchscreen, weitere Hard- und Software-Details sind noch nicht bekannt.
Kin One und Kin Two
Gebaut wurden Kin One und Kin Two vom langjährigen Hardwarepartner Sharp.
Kin Studio
Über Kin Studio werden Handy-Nachrichten, Kontaktdetails und Bilddateien gespeichert - in der Cloud versteht sich.
Kin Two
Das Kin Two ist etwas größer als das Kin One und wird im Querformat bedient.
Kin Two
Die Nutzer profitieren zudem von einem größeren Touchscreen und einer größeren Tastatur.
Kin Two
Außerdem verfügt das Kin Two mit 8 GB über einen doppelt so großen Speicher.
Kin Two
Zusätzlich besitzt die Kamera 8 statt 5 Megapixel Auflösung.
Kin Two
Wichtiges Element ist bei den Kin-Handys die Integration von Zune-Angeboten einschließlich Musik, Video, FM-Radio und Podcast.
Kin Two
Von Drittanwendungen, mit denen das Apple iPhone bekannt wurde, ist dagegen bislang noch nicht die Rede.
Kin Two
Kin One und Kin Two sollen im Herbst 2010 auch in Deutschland auf den Markt kommen.

Die KIN-Handys sollen die Erosion stoppen und die Jugend erobern. "Das ist eine Altersgruppe, um die Microsoft kämpfen muss", sagte ABI-Research-Analyst Kevin Burden der Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg. Nach Erhebungen der New Yorker Marktforscher war Microsoft im weltweiten Smartphone-Markt zuletzt deutlich von 12,5 auf 7,9 Prozent Marktanteil abgerutscht. Das iPhone legte im gleichen Zeitraum von 10,8 auf 16,6 Prozent zu, Handys mit Android von 1,7 auf 8,5 Prozent.

KIN ab Mai in den US-Regalen

Im Mai stehen die KIN-Handys in den USA in den Regalen, in Deutschland vertreibt Vodafone die Telefone exklusiv ab Herbst. Ende des Jahres soll dann das komplett neu gestaltete Betriebssystem Windows Phone 7 einen Schlussstrich unter die Ära der PC-orientierten Bedienoberflächen auf Handys ziehen. Die jahrzehntelang verfolgte Vision von Microsoft-Gründer Bill Gates, den Computer auf das Telefon zu übertragen, ist damit gescheitert.

Windows Phone 7 Series - Abschied vom PC-Paradigma
Foto: Microsoft

"Der PC ist komfortabel, aber das Telefon ist kein PC", hatte Microsoft-Manager Joe Belfiore auf dem Mobile World Congress in Barcelona im Februar verkündet. Bei den ersten Telefonen mit dem neuen System, die für Ende des Jahres angekündigt sind, soll die Benutzerfreundlichkeit und die soziale Kommunikation im Vordergrund stehen und das umständliche Navigieren mit einem kleinen Stift entfallen.

Enge Kooperation mit Sharp

Soll es mobil richten: Achim Berg
Foto: Microsoft

Nach den vielen Misserfolgen im Mobil-Markt hatte Microsoft-Chef Steve Ballmer auf einem Manager-Treffen mit einem seiner legendären Tobsuchtsanfälle das Ruder herumgerissen. Der Mann, der nun den Neustart wesentlich mitgestalten soll, kommt aus Deutschland: der bisherige Deutschland-Chef Achim Berg. In der für ihn neu geschaffenen Position eines Corporate Vice President ist Berg künftig für das weltweite Mobilfunk-Geschäft von Microsoft verantwortlich. Der 46-Jährige ist ein ausgewiesener Telekom- und Mobilfunk-Experte und war vor seinem Wechsel zu Microsoft Mitglied des Vorstand der T-Com.

Die KIN-Handys hat Microsoft in enger Kooperation mit dem japanischen Elektronikkonzern Sharp selbst entwickelt und will sie unter eigenem Namen vermarkten. Das könnte ein riskantes Spiel sein. Die Liaison könnte bisherige Hardware-Partner vor den Kopf stoßen, die bislang Microsofts Betriebssystem auf ihren Geräten nutzen. Vor der gleichen Gefahr hatten Branchenkenner auch schon im Falle von Google und dessen Nexus One gewarnt. Hier war der Partner auf Hardware-Seite die taiwanische HTC.

Vertrieb über Netzbetreiber

Anders als Google vertreibe Microsoft seine neuen KIN-Geräte aber nicht selbst über einen eigenen Shop, sondern arbeite für den Vertrieb mit den Providern Verizon und Vodafone zusammen, betonte Microsoft-Manager Robbie Bach. Nach Einschätzung von Analyst Burden könnte der Software-Konzern damit dem Problem mit verstimmten Hardware-Partnern aus dem Weg gehen.

Über die großen Mobilfunk-Anbieter hat Microsoft zudem die Chance, hohe Stückzahlen zu verkaufen. Denn bei Google blieb der Erfolg im Massenmarkt bislang aus. Nur wenige Kunden sind bereit, den vollen Gerätepreis zu zahlen - sie lassen ihre Handys lieber subventionieren und zahlen monatlich etwas mehr an die Provider. Das gilt ganz besonders für die anvisierte Jugend. (dpa/tc)