Jobs im digitalen Wandel

Mehr Generalist als IT-Spezialist

07.02.2017 von Silvia Hänig
Egal ob Cloud Computing, Big Data oder autonomes Fahren, die Digitalisierung führt zu einer starken Veränderung der Berufsbilder. Im Klartext: In vielen Jobs rückt die IT-Kernkompetenz in den Hintergrund. Stattdessen sind Generalisten gefragt, die Prozesse in der Wertschöpfungskette nicht nur aus der Sichtweise der IT, sondern auch der Fachabteilungen bewerten und kombinieren können.
  • Der technische Fortschritt ist für die Entwicklung neuer Jobprofile zu schnell.
  • Unternehmen suchen Querschnittsmanager mit hoher Affinität zu Prozessen.
  • IT als Kernkompetenz rückt in den Hintergrund.

In jeder Diskussion zum digitalen Wandel geht es früher oder später immer auch um die Frage, wie sich Jobs dadurch verändern werden. Ganze Industrien versuchen, mittlerweile zu antizipieren, wie diese neuen, digitalisierten Berufsbilder aussehen könnten. Das zeigt, wie wichtig Unternehmen veritable Einschätzungen sind, wenn es darum geht, zentrale Mitarbeiterkompetenzen zu ermitteln. Allerdings sollte sich die IT-Industrie möglichst schnell von der Vorstellung lösen, dass jede neue Technologie automatisch ein neues Berufsbild inklusive entsprechender Qualifikationen generiert und man die Jobs nur noch ausschreiben muss. So sieht es in der Praxis des Recruitings aber häufig aus, weiß Oliver Wippich, Department Manager beim Personaldienstleister Hays, zu berichten: "Die Welt sucht den Cloud-Spezialisten, anstatt sich zunächst einmal über das gewünschte Know-how und die Fähigkeiten für die Aufgabe klar zu werden."

Arbeitnehmer mit interdisziplinärem Wissen laufen Fachspezialisten den Rang ab.
Foto: Jacek Dudzinski - shutterstock.com

IT im Kanon mit Betriebswirtschaftslehre

Tatsächlich schreitet die technologische Entwicklung bei Cloud Computing, Big Data oder auch dem autonomen Fahren viel schneller voran, als sich entsprechende Jobprofile herauskristallisieren können. Hinzu kommt, dass zum Beispiel das Thema Cloud nicht nur einen tiefen IT-Sachverstand, sondern ebenso betriebswirtschaftliches Wissen voraussetzt, weil Cloud Computing tief in die Wertschöpfungsprozesse von Unternehmen eingreift. Das verdeutlicht: Trotz ihres technischen Treibstoffs ist die IT allein nicht der Mittelpunkt der geschäftlichen Entwicklung. Neue Rollenbilder entstehen erst in der Kombination mit anderen wichtigen Fähigkeiten.

Benötigte zum Beispiel ein Cloud-Spezialist in der Vergangenheit primär Kenntnisse im Bereich Systemarchitektur oder Netzwerkadministration, muss er heute in der Lage sein, zusätzlich neue vernetzte Abläufe in Anforderungen für die IT zu übersetzen. Er baut Brücken in ganz unterschiedlichen Konstellationen, nämlich zwischen IT und Business, zwischen einzelnen Fachbereichen sowie zwischen traditioneller und agiler IT. Gleichzeitig erwartet man von ihm, auch als eine Art Coach zu fungieren und Mitarbeitern über individuelle Nutzungsszenarien Wege in die Cloud zu ebnen. Mit anderen Worten also einen Querschnittsmanager mit hoher Affinität zu Prozessen. Wird dann zusätzlich noch einkalkuliert, dass ein Cloud-Anbieter selbst meist einen Großteil der Integrationsleitung erbringt, stellt sich die Frage: Wie viel Fachwissen ist langfristig überhaupt noch notwendig?

Das fragt sich auch Oliver Wippich: "Ein kompletter Wandel vom technischen zum rein betriebswirtschaftlichen Cloud-Experten kann aus unserer Sicht erst dann erfolgen, wenn ein Unternehmen seine IT komplett virtualisiert hat." Theoretisch zumindest. Fest steht allerdings, dass es um weitaus mehr geht, als das solide technische Handwerkszeug eine Cloud-Umgebung verfügbar zu machen und zu betreiben. Stattdessen läuft es mehr und mehr auf integrative und soziale Fähigkeiten hinaus. Denn neue unbekannte Techniken, die auf die Mitarbeiter zukommen, sind immer auch begleitet von Vorbehalten und Ängsten. Diese gilt es zu erkennen und abzubauen.

IT im Kontext der Kundenberatung

Ähnliches gilt auch für andere Branchen, wo die Digitalisierungswelle bereits den Arbeitsalltag erreicht hat. Mächtig rund geht es derzeit bei den Kreditinstituten. Nach Ergebnissen der Hays-Studie "Banken im digitalen Wandel" verwenden Mitarbeiter jeder dritten Bank bereits über 30 Prozent ihrer Arbeitszeit für neue, digitale Themen. "Einerseits sind sie getrieben von den Fintechs und Crowdfunding-Plattformen, andererseits müssen sie intern ihre eigenen Prozesse so schnell machen, um ein ähnliches Entwicklungstempo vorlegen zu können", so Amra Ljaic, Bereichsleitung Contracting bei Hays. Im Bankenumfeld scheint es die größten Baustellen an der digitalen Kundenschnittstelle sowie bei internen Prozessen zu geben. Weshalb es auch hier neben der technischen Kompetenz ganz besonders auf den kaufmännischen Blick ankommt.

5 Digitalisierungs-Tipps für Banken
Neue Partner - Kooperationen werden unumgänglich
Ökosysteme, in denen Anbieter unterschiedlicher Couleur zusammenarbeiten, sind von essentieller Bedeutung. Zum Beispiel bei der Etablierung und Weiterentwicklung von Mobile Payment. Diesem Argument können sich auch neue Markteilnehmer wie Apple, Google und Co. nicht verschließen.
Neue Denkweisen - Start-Up-Brille
Wie würde sich ein Start-Up den aktuellen Herausforderungen stellen? Mit Hilfe dieser Frage lassen sich gegebenenfalls vorherrschende Barrieren überwinden und völlig neue Ansätze finden – unabhängig von bestehenden Prozessen und Hierarchien.
Neue Technologien - Flexibel in die Zukunft
Sowohl offene IT-Architekturen sowie Real-Time-CRM werden in Zukunft immer wichtiger. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Sie machen Unternehmen flexibler und schneller, wenn es darum geht auf technologische Innovationen zu reagieren. Das spielt gerade im Hinblick auf die sich kontinuierlich verändernden Kundenwünsche eine wichtige Rolle.
Neue Arbeitsweisen - Mehr Experimentierfreude
Gerade für Banken eignet sich agiles Experimentieren. Es bringt mehr Bewegung und Geschwindigkeit in den Entwicklungs- und Entscheidungsprozess. Dabei gilt: Umso früher ein Ansatz scheitert, desto lehrreicher ist es für das Unternehmen. Wichtig ist, diese Form des experimentellen Scheiterns zuzulassen und nicht zu tabuisieren oder gar zu bestrafen.
Neue Kultur - Kunde im Fokus
Viele Banken schreiben sich Kundennähe auf die Fahne. Doch die sieht je nach Kanal anders aus: Online zum Beispiel wird der Kunde oft allein gelassen und muss mit unterschiedlichen Ansprechpartnern kommunizieren. Bestes Beispiel dafür ist die digitale Kontoeröffnung. Um solche negativen Erlebnisse zu verhindern, braucht es gemischte, agile Teams sowie die frühe Einbindung aller relevanten Entscheider. Das ermöglicht den Aufbau einer kundenzentrierten Kultur.

"Ein App-Entwickler sollte nicht nur entwickeln können, sondern auch wissen, welchen Kundenbedarf er damit adressiert und welche regulatorischen Bedingungen zu beachten sind", sagt Ljaic. Neben der reinen Softwareentwicklung müssen diese Mitarbeiter also auch noch etwas von Marketing und Compliance verstehen. Das zeigt, dass Eigenschaften, die über den technischen Sachverstand hinausgehen, auch für Kreditinstitute immer wichtiger werden. Laut Hays-Studie bezeichnen 85 der 100 befragten Bankmanager diesen Mitarbeitertyp als Generalisten. Sie sollen Erfahrungen aus ganz unterschiedlichen Projekten oder Fachbereichen mitbringen, stets veränderungsbereit sein und sich demzufolge auch schnell in neue Themengebiete einarbeiten können.

Hier wäre ein erfahrener Softwareentwickler vorstellbar, der bereits häufiger Online-Banking-Angebote zu Apps verdichtet hat, über strategischen Weitblick verfügt, die pragmatische Umsetzung beherrscht und dem klassischen Kundenberater das neue Thema näherbringt. Auch dieses Beispiel verdeutlicht, welchen Stellenwert Fähigkeiten jenseits reiner IT sowie abgegrenzter Geschäftseinheiten bekommen.

Alleskönner im Driver Seat

Und sogar die technikverliebte Automobilbranche setzt zunehmend auf vielfältiges Wissen. Geht es um digitale Treiber wie das selbstfahrende, vernetzte Fahrzeug oder die Elektromobilität, nehmen Themenspezialisten wie Softwareentwickler, Sensorik- oder Elektronikspezialisten eher auf dem Rücksitz denn auf dem "Driver Seat" Platz. Der Grund: Nur noch 35 Prozent der Entscheider sehen Fachspezialisten an vorderster Front beim digitalen Change. Die große Mehrheit in dieser Branche (62 Prozent) spricht sich ebenfalls klar für den Generalisten aus.

Die 16 gefragtesten Tech-Jobs
Produkt-Designer
Die Bedürfnisse und Vorlieben der End-User rücken immer mehr in den Fokus, weswegen auch die Rolle des Product Designers für Unternehmen immer wichtiger wird, wie Mike Ondocin von Onward Search erklärt: "Für Unternehmen ist längst nicht mehr nur entscheidend, was interne Designer denken, sondern auch, was der User denkt. Die Rolle des Product Designers war bislang eine reine Entwickler-Rolle - nun kommt die Aufgabe hinzu, strategische Probleme zu erkennen und zu definieren, sowie neue Lösungen und Produkte zu visualisieren, designen, testen und letztendlich umzusetzen."
UX-Designer
Die User Experience (UX) kann zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Unternehmen werden, die von ihren Kunden wissen wollen, welche Richtung bei neuen Produkte eingeschlagen werden soll.
Frontend Developer
Ein elegantes, intuitives und einnehmendes Frontend ist der Schlüssel für Unternehmen, um Kundenbindung zu erzeugen. Gute Frontend Developer zeichneten sich laut Ondocin dadurch aus, dass sie verstehen, dass der erste Eindruck für die User entscheidend ist.
Digital Designer
Ein Digital Designer benötigt ein besonderes Skillset, das sowohl Elemente traditioneller Designarbeit, als auch technische Fähigkeiten und Erfahrungen beinhaltet.
Full-Stack Developer
Full-Stack Developer besitzen das technische Know-How um Frontend-, Backend-, komplette Web-Lösungen und Apps zu designen. Diese Fähigkeiten stehen in der Branche durch den Digitalisierungs-Boom hoch im Kurs, wie die Daten von Onward Search zeigen.
Digital-Texter
"Content is king" - Schreib-Skills sind für Unternehmen heutzutage mindestens genauso wichtig, wie technisches Know-How und ein Auge für Design. Schließlich werden die Vorteile gegenüber Produkten und Lösungen der Konkurrenz auch mit Worten an die Endkunden kommuniziert. Ondocins Tipp hierzu: "Es ist nahezu unmöglich, jemanden zu finden, der sowohl technische Fähigkeiten, als auch Texter-Skills mitbringt. Wenn Sie also einen guten Texter haben, tun Sie was immer nötig ist, um ihn zu halten."
Digital Producer
Robert Kyncl, Chief Business Officer bei YouTUbe, sagte Anfang 2016: "Digitale Videoinhalte werden das Fernsehen überholen und noch vor dem Ende dieser Dekade zur liebsten Freizeitbeschäftigung der Menschen." Solange der Video-Boom also nicht abreißt, stehen auch begabte Multimedia-Produzenten bei Unternehmen hoch im Kurs.
Interactive Project Manager
Immer mehr digitale Lösungen, immer komplexere IT-Projekte: Begabte Projektmanager seien ein Must-Have für jede digitale Company, so Ondocin, egal ob es sich dabei um Generalisten oder Spezialisten handelt.
Creative Director
Den Creative Director findet man typischerweise vor allem in der Medienbranche. Oft sind diese auch als Führungskräfte bei Werbe- oder Marketing-Unternehmen angestellt. Viele Kreativdirektoren arbeiten mit Künstlern, Designern, Textern, Sales-Teams oder Marketing-Spezialisten zusammen, um eine ganzheitliche Vision für Produkte und Services zu verwirklichen.
Marketing Analyst
Unter dem Einfluss von Big Data wird die Datenanalyse für Unternehmen zu einem immer bedeutenderen Unterfangen. Schließlich wollen die Firmen verstehen, welche Aspekte ihrer Werbekampagnen besonders gut funktionieren. Außerdem sollen natürlich mit der Erhebung und Auswertung von Nutzerdaten neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Digital Marketing Manager
Der Digital Marketing Manager nimmt eine entscvheidende Rolle ein, wenn es darum geht, die digitale Marketing-Strategie eines Unternehmens zu entwickeln, zu planen und zu realisieren. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, Daten über Kampagnen zu sammeln und zu analysieren, um deren Effektivität zu steigern.
Grafik-Designer
Grafik-Designer sind unter anderem für das Design und die Präsentation von Werbeanzeigen und Marketing-Material verantwortlich. Auch das Verpackungsdesign neuer Produkte fällt in ihren Zuständigkeitsbereich.
Social Media Manager
Wenn Sie nicht auf sozialen Netzwerken aktiv sind, verpassen Sie unter Umständen gute Möglichkeiten. Denn Social Media hat sich inzwischen zu einem unglaublich mächtigen Marketing- und Kommunikationsinstrument für Unternehmen gemausert. Hier können sie nicht nur neue Zielgruppen erreichen, sondern auch mit ihren Kunden in Kontakt treten.
SEM-Manager
Ein SEM (Search Engine Marketing)-Manager sollte sowohl in Sachen Data Analytics, als auch in Sachen Suchmaschinenoptimierung sein Handwerk beherrschen.
Presentation Designer
Die Rolle des Presentation Designers vereint die Fähigkeiten des Grafikdesigns, der Content-Erstellung und der User Interface/User Experience-Entwicklung, um durchschlagende Präsentationen zu erschaffen. Diese werden anschließend für Marketing-, Werbe- oder Sales-Zwecke verwendet. Auch Start-Ups setzen auf Presentation Designer, wenn sie um die Gunst von Investoren buhlen, weiß Ondocin.
E-Mail Marketing Manager
E-Mail-Marketing gibt es ungefähr schon so lange wie das Web selbst. Und immer noch ist es ein tolles Werkzeug für Unternehmen, um ihren Kundenstamm zu erreichen. Profis im E-Mail Marketing bestimmen aber nicht nur den besten Weg, um Kunden zu erreichen, sondern verbreiten auch interne Mitteilungen an die Belegschaft sowie zu neuen Produktentwicklungen.

Aber was genau macht diese Person aus? "Perspektivisch formt dieser Mitarbeitertyp sicherlich ein bestimmtes Berufsbild. Aktuell symbolisiert er eher die Speerspitze der Digitalisierungs-Bewegung", berichtet Aleksandar Amidzic, Director Automotive bei Hays aus seinen Kundengesprächen. Die jeweiligen Spezialisten brauchen möglichst viel Felderfahrung bei der Strategiefindung und Umsetzung unterschiedlicher Digitalprojekte. Obendrein sollten sie auch prozessaffin sein. Schließlich müssen agile Entwicklungen anschließend in nutzbare Anwendungen innerhalb eines Fahrzeuges umgewandelt werden. Wer hier nur sein Technikverständnis einbringt und dafür sorgt, dass das Endprodukt serienreif entwickelt wurde, kann bei den Automanagern nicht mehr punkten. Erst wenn mit möglichst vielen Abteilungen an einem Prototyp gearbeitet wurde, womit gleichzeitig neue Prozesse eingeübt werden, verfügt der Mitarbeiter über das richtige Set an Fähigkeiten. Auch im Automotive-Sektor erlebt der Personaldienstleister eine veränderte Orientierung der Unternehmen in Richtung Allroundtalent, mit bestimmter Themen- und Branchenkompetenz. Allerdings dürfen diese Trends nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nachfrage nach IT-Spezialisten mit betriebswirtschaftlichem Know-how erst ganz am Anfang steht. (pg)