Kommentar: Deutschland ist bei der IT nicht auf Augenhöhe mit anderen Ländern

16.03.2007
Professor Dr. August-Wilhelm Scheer, Gastkommentator der COMPUTERWOCHE, sieht jedoch Fortschritte in der politischen Weichenstellung und hofft auf eine Kehrtwende.

Wer noch einen Beweis braucht, dass Deutschland bei der Informationstechnik immer mehr ins Abseits rutscht, muss nur auf die CeBIT schauen. Immer mehr vor allem große Unternehmen sagen ihre Teilnahme ab. Das einstige Mekka für die Computerwelt verliert an Anziehungskraft. Die wichtigen Innovationen der Branche wie das iPhone stellen Unternehmen auf der eigenen Party, in Las Vegas oder Barcelona vor.

Nur Unternehmenssoftware ist ein Lichtblick. Deutschland steht in Sachen IT nicht auf Augenhöhe mit anderen Industriestaaten. Die Reihe der verlorenen Märkte reicht von der Hardware, über Betriebs- und Datenbanksysteme, Office-Software und CAD bis hin zu Computerspielen. Die Politik hat viele Jahre die Zeichen dieses Niedergangs ignoriert. Aus Initiativen sind pure PR-Aktionen für das Image der Politiker geworden, die jedoch den Standort nicht voranbrachten.

Die gegenwärtige Regierung hat nun aber den Stein ins Rollen gebracht. Ohne in Euphorie zu verfallen, lässt sich doch beobachten, dass es Aktivitäten gibt, die nachhaltig verfolgt werden. Die Ankündigungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesforschungsministerin Annette Schavan zur CeBIT sind konkrete Ergebnisse des 1. Nationalen Gipfels im Dezember in Potsdam (siehe auch "Bundesregierung will mehr Gld für ITK-Branche ausgeben"). Und mit dem bereits beschlossenen Folge-Gipfel setzt sich die Politik selbst unter Druck, den Weg fortzusetzen.

Die Medien schreiben gerne über das zusätzliche Geld, das nun für IT-Forschung bereit gestellt wird. Das ist für mich nicht das Wichtigste. Deutschland hat immer viel Geld in die IT-Forschung gesteckt - schade nur, dass mittelmäßige Forschungsinstitute subventioniert und keine Produkt- und Markterfolge erzeugt wurden. Hinter den Staatsausgaben müssen deshalb Ziele stehen.

Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Stärkung der für Deutschland relevanten Anwendungsgebiete - von der Automobiltechnik über Umweltschutz, Medizintechnik, Energie bis zu IT-Government. Auch beim aktuellen Thema Klimaschutz kann die IT einen Beitrag leisten, damit Deutschland hier weltweit in der ersten Liga spielt.

In Deutschland gibt es im IT-Markt viele mittelständische Unternehmen, die jedoch keine Weltbedeutung haben. Hier fehlen derzeit noch klare Programme, wie man diese Unternehmen zu internationalen Playern machen kann. Gelingt dies nicht, bleiben sie bestenfalls Nischenanbieter und verdingen sich als Implementierer oder Service-Dienstleister für Fremdsysteme. Das wäre genauso, als gäbe es im Automobilbereich nur noch Tankstellen, Händler und Reparaturwerkstätten für im Ausland hergestellte Fahrzeuge.

Es fehlt an Programmen, um Startups groß zu machen, meint Prof. Dr. Scheer.
Foto: August-Wilhelm Scheer

Die Messe in Hannover war stets auch ein Spiegel der europäischen IT-Industrie. Doch von ehrgeizigen europäischen IT-Initiativen ist nichts zu sehen. Dominant sind amerikanische und zunehmend auch asiatische Anbieter - vom Chip bis zum Handy. Das Grundproblem ist, dass in Europa zwar IT kräftig konsumiert, aber kaum produziert wird - wie jeder weiß, der einen Blick auf sein Notebook wirft.

Noch haben die Politiker die Chance, dass ihre Reden auf der CeBIT Gehör finden. Wenn die Messe weiter abnimmt, geht nicht nur dieses Parkett verloren, sondern auch eine der wichtigsten Zukunftsbranchen.

Professor Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer ist Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der IDS Scheer AG und Mitglied im Rat für Innovation und Wachstum.