IT & Business

Kleine Anbieter - große Themen

28.10.2010 von Martin Bayer
Auch der IT-Mittelstand beschäftigt sich mit Hype-Themen wie Cloud Computing, Software as a Service (SaaS) und Mobility.
Im Mittelpunkt standen Hype-Themen wie Cloud Computing, Software as a Service (SaaS) und Mobility.

Der Großteil der Aussteller auf der diesjährigen IT & Business in Stuttgart backt zwar kleinere Brötchen als IT-Granden wie SAP, Microsoft und Co., ihre Themen sind aber die gleichen: Auf dem Stuttgarter Messegelände drehten sich in der letzten Oktoberwoche viele Diskussionen um Themen wie Cloud Computing, Software as a Service (SaaS) und Mobility sowie die Folgen für die gesamte IT-Branche.

Der Branchenverband Bitkom erwartet einen regelrechten Cloud-Boom. Der hiesige Markt soll um durchschnittlich 40 Prozent im Jahr zulegen und von 1,1 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf 8,2 Milliarden Euro im Jahr 2015 anschwellen. Damit würden in fünf Jahren bereits zehn Prozent der gesamten IT-Ausgaben in Deutschland auf Cloud-Lösungen entfallen. "Die stärksten Impulse kommen von der Einführung neuer Betriebssysteme und vom Cloud Computing", identifiziert Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer die Treiber für künftige Software- und Servicegeschäfte.

Diese Erwartungen wollen allerdings nicht so recht zu den Plänen der Anwender passen. Rainer Glatz, Geschäftsführer für den Bereich Software beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), sieht die IT seiner Branche weitgehend "wolkenlos". Derzeit sei das Thema Cloud Computing nur für jeden fünften Maschinenbauer in Deutschland interessant, berichtet der Verbandsfunktionär aus einer eigenen Umfrage: "Die IT-Verantwortlichen im Maschinenbau springen nicht auf jeden Hype auf." Sie investierten vielmehr in Themen, die einen direkten Nutzen bringen. Es müsse deshalb stärker darum gehen, neue Techniken unter dem Nutzenaspekt zu erklären, schreibt Glatz den IT-Anbietern ins Hausaufgabenheft.

IT & Business 2010
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Doch auch in den Reihen der IT-Hersteller gibt es unterschiedliche Meinungen. Martina Koederitz, Geschäftsführerin für den IBM-Vertrieb in Deutschland, bezeichnete die Cloud als den "Weg der Zukunft" und einen "Umbruch der gesamten IT-Industrie". Die Managerin räumte jedoch ein, dass die Anbieter künftig vor allem den Nutzen ihrer IT-Lösungen darstellen müssten. Habe man vor der Krise in erste Linie über den Return on Invest (RoI) gesprochen, gehe es heute darum, einen quantifizierbaren Nutzen nachzuweisen.

In Sachen Akzeptanz und Innovationsfreudigkeit identifiziert Koederitz gute Fortschritte: "Kunden wachen auf." Allerdings gebe es etliche Unternehmen, die "wertebeständig" geführt würden. Dort brodele es jedoch vielerorts. Man müsse den Generationenwechsel abwarten und sehen, wie veränderungsfreudig sich diese Firmen irgendwann präsentierten. Das sich etwas ändern muss, steht für die IBM-Managerin nicht zur Diskussion. Die Marktanforderungen wachsen und die Verantwortlichen müssen sich einem weltweiten Wettbewerb stellen. Deshalb seien auch die Unternehmen gefordert sich zu verändern. "Es überleben nicht die Stärksten und Größten, sondern die Agilsten und beweglichsten."

Wie viel Innovation verträgt ERP?

Doch gerade die ERP-Anbieter sind skeptisch was die Innovations- und Experimentierfreude ihrer Klientel angeht. Gerade hinsichtlich der Cloud überwiegen die Zweifel. Es gebe zwar Interesse, berichtet Stephan Dürr, Marketing-Leiter bei Oxaion. Dies sei jedoch weitgehend theoretischer Natur. Konkret umgesetzt werde wenig. Das werde sich zwar ändern, aber man könne nicht sagen wann. Auch Jan Herold vom Lösungsanbieter Comarch geht davon aus, dass die Nachfrage anzieht. Derzeit sei das Interesse der Kunden aber noch verhalten. "ERP in der Cloud ist noch nicht so recht durchgedrungen", bestätigt Gerhard Knoch, Vice President für die Region Emea beim Unternehmenssoftwarespezialisten Infor. Viele Anwender hätten nach wie vor Sicherheitsbedenken.

"Man braucht Geduld", entgegnet Thomas Rosenstiel, Direktor für Europa bei Plex Systems, den Skeptikern. Der SaaS-Verfechter bietet eine ERP-Branchenlösung für die Fertigungsindustrie an, die sich die Kunden entsprechend ihren Anforderungen beziehungsweise bestimmten Rollen der Anwender konfigurieren können. Der SaaS-Einsatz müsse sich nicht auf starr standardisierte Einsatzszenarien beschränken, so das Credo der Plex-Verantwortlichen. Der Anbieter setzt auf Verbesserungsvorschläge seiner Kunden, die die laufend eingepflegten Erweiterungen je nach Bedarf nutzen können oder auch nicht. Abgerechnet wird nach einer Formel, die auf der Umsatzentwicklung des Kunden basiert. Dafür kann die SaaS-Lösung unbegrenzt genutzt werden. Aus Sicht des Softwareanbieters werden die Technikdiskussionen mit der Zeit in den Hintergrund treten. "Letztendlich geht es nicht um SaaS oder die Cloud, sondern um die Lösung."

Messe zieht Bilanz

Die Veranstalter der am 28. Oktober zu Ende gegangenen Messe IT & Business 2010 haben Bilanz gezogen: Gut 10.000 Besucher fanden den Weg auf das Stuttgarter Messegelände - weniger als die erhofften 12.000 bis 14.000. Sie verschafften sich einen Überblick bei insgesamt 322 Ausstellern. Ulrich Kromer, Geschäftsführer der Messe Stuttgart, zog dennoch eine positive Bilanz: „Das Ziel, ein IT-Event für die Branche hier auf Europas modernstem Messegelände zu bündeln, ist uns gelungen – über 10.000 Besucher haben die Premiere des Messe-Duos IT & Business und DMS EXPO besucht. Rund 40 Prozent der Gäste waren auf beiden Veranstaltungen und bestätigten die Synergieeffekte dieser Konstellation." Das IT-Event komme der Forderung des Marktes nach einer Konsolidierung der deutschen IT-Messen entgegen.

Die Aussteller zeigten sich ebenfalls zufrieden. „Die IT & Business hat die Erwartungen der meisten Aussteller voll erfüllt oder übererfüllt“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Die Veranstaltung habe sich mit ihrer Fokussierung auf gewerbliche IT-Anwender etabliert. Rohleder: „Als Herbstmesse im Süden Deutschlands ist die IT & Business konkurrenzlos.“ Rainer Glatz, Geschäftsführer des VDMA Fachverband Software bilanzierte ebenfalls positiv und begrüßte die Zusammenlegung von IT & Business und der DMS Expo: "Zu viele Einzelmessen geben keinen Sinn."

Neue ERP-Generation steht in den Startlöchern

Rund um die Lösungen tut sich derzeit einiges im ERP-Markt. Viele Anbieter arbeiten aktuell mit Hochdruck an ihrer nächsten Produktgeneration. Dabei geht es unter anderem darum, die ERP-Lösungen mit Zusatzfunktionen auszustatten. Vor allem Business-Intelligence-Module seien derzeit besonders gefragt, berichten die Anbieter übereinstimmend. "Im ERP-System liegen im Grunde alle Daten, die man braucht um ein Unternehmen zu steuern", erläutert Herold von Comarch. Das würde mittlerweile auch der Mittelstand erkennen. Darüber hinaus integrieren die Hersteller auch verstärkt Funktionen für das Kunden- und Dokumenten-Management direkt in den ERP-Anwendungen.

Auch das Thema Mobility wird für die Anbieter von Business-Software immer interessanter. IBM-Managerin Koederitz bericht von einem Kunden, der vor einem Jahr noch nichts von einer Integration mobiler Devices in das Firmen-Backend wissen wollte, jetzt aber verzweifelt nach einer Lösung sucht, weil der Firmenchef sein iPhone eingebunden haben möchte. Für Infor-Manager Knoch könnten die aktuellen Entwicklungen im mobilen Sektor richtungsweisend für ERP sein. Business Software müsse in Zukunft vor allem einfach zu bedienen sein - ähnlich wie die Apps auf einem iPad. "Damit kommen Grundschüler und Rentner auf Anhieb zurecht." Knoch wünscht sich, dass sich Anwender irgendwann genauso begeistert über ihre ERP-Lösungen unterhalten wie Apple-Fans über die neuesten Errungenschaften für iPhone oder iPad.

ERP-Geschäfte bleiben schwierig

Trotz aller neuen Lösungen und der wirtschaftlichen Erholung dürften die hiesigen ERP-Geschäfte für die Anbieter indes nicht einfacher werden. Zwar gebe es vereinzelt Startups, die auf der grünen Wiese anfangen und noch ohne ERP-Lösung dastehen, berichtet Dürr von Oxaion. Zu 80 bis 90 Prozent bestehe das hiesige Geschäft jedoch aus einem harten Verdrängungswettbewerb. Es gehe fast nur um Ablösegeschäft, bestätigt Nawratil von Asseco. Die Palette reiche von namhaften Wettbewerbern bis hin zu selbst gestrickten Lösungen.