Intel stellt 3D-Treiber für Linux Open Source

10.08.2006
Dank Intel erhalten Linux-Anwender endlich leistungsfähige Open-Source-Grafiktreiber.

Der weltgrößte Chiphersteller hat unter www.intellinuxgraphics.org und dem Motto "Open Source Graphics for the masses" Linux-Treiber für seine aktuelle Chipset-Familie "965 Express" und zahlreiche von dessen Vorgängern ins Netz gestellt. Das Release stelle nur den Beginn einer weiteren Zusammenarbeit mit den Communities von X.org und Mesa dar, um die Treiber kontinuierlich zu verbessern und zu erweitern. Für den Produktionseinsatz seien die Treiber derzeit noch nicht geeignet, die frühzeitige Veröffentlichung solle aber das Bekenntnis betonen, freie Treiber für die hauseigene Hardware bereitzustellen, erklärte Intel.

Trotz Nachwuchs (hier eine von zwei Zwillingstöchtern) hat Dirk Hohndel noch viel Zeit, sich um Open Source zu kümmern.

Intel sieht sich mit dem Schritt im Vorteil gegenüber den Grafikspezialisten Nvidia und ATI (steht vor der Übernahme durch AMD). "Open-Source-Treiber zu haben gibt uns in diesem Markt einen großen Vorsprung", erklärte Dirk Hohndel. Der frühere Suse-Mann ist mittlerweile Chief Technologist von Intels Open Source Technology Center. Die neuen Treiber würden bereits mit anderen relevanten Open-Source-Projekten integriert, so Hohndel weiter.

Die Free Software Foundation (FSF) äußerte sich erfreut über die quelloffene Freigabe der Treiber. "Das ist ein wichtiger Schritt in der Evolution der Industrie", kommentierte ihr Anwalt Eben Moglen, der aktuell an der Überarbeitung der populären Lizenz GNU General Public License (GPL) arbeitet. "Intels Schritt in Richtung besserer Interoperabilität mit freien Betriebssystemen durch die Aufgabe von Heimlichtuerei ist ein Zeichen für einen neuen Wettbewerbsansatz."

Praktischer betrachtet kommt Intels Veröffentlichung auch zu einem ausgesprochen günstigen Zeitpunkt, denn sowohl Red Hat als auch Novell/Suse arbeiten gerade an Projekten für aufwändigere grafische Schnittstellen für Linux, die 3D-Beschleunigung voraussetzen. Allerdings ist ein wenig unklar, ob Intel selbst von dem Schritt tatsächlich wird profitieren können. Nutzer, die Linux für Highend-Aufgaben wie CAD einsetzen, verwenden auch Highend-Grafikkarten und nicht Intels integrierte Chipsatz-Grafik. Und der Spiele - der Hauptmarkt für 3D-Grafik - werden fast exklusiv von Windows bedient.

Dabei darf man aber nicht vergessen, dass Intel inzwischen den PC-Grafikmarkt dominiert. Im zweiten Quartal wurden 40 Prozent aller PCs mit Intel-Grafik ausgeliefert. ATI kam laut Analyst Joe Peddie auf 28 Prozent Marktanteil, Nvidia auf 20 Prozent. Der Experte glaubt nicht, dass sich die beiden Spezialisten durch Intels Treiber dazu bewegen lassen werden, gleichfalls Open-Source-Treiber bereitzustellen.

Die Details der Hardware-Schnittstellen für Grafikbeschleuniger seien "die Familienjuwelen und zeigen, wie der Chip selbst funktioniert", sagt Peddie. "Nvidia will nicht, dass ATI die kennt und umgekehrt." Von ATI gab es dazu keinen Kommentar. Nvidia-Sprecher Brian del Rizzo sprach aber bereits Klartext gegenüber dem Branchendienst "Cnet": "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es für uns nicht sinnvoll, unsere Grafiktreiber offenzulegen. Wir vertrauen auf unsere Fähigkeiten, unseren Kunden die bestmöglichen Grafiklösungen anzubieten."

Michael Larabel, der die Linux-Grafik-Site Phoronix betreibt, ist da anderer Ansicht. "Intels Schritt könnte Nvidia und ATI dazu bewegen, ihre Treiber zumindest in einigen Bereichen als Open Source freizugeben, den Support zu verbessern oder ihren Linux-Abteilungen mehr Ressourcen zuzuweisen", glaubt der Experte. Dies kann er sich besonders für ATI vorstellen. AMD habe in der Vergangenheit schon mehrmals eng mit Open-Source-Programmierern kooperiert, etwa bei der Linux-Unterstützung für seine x64-Chips und Vitualisierungstechnik.

Intels Treiber erscheinen vor der LinuxWorld Conference and Expo, die am 15. August beginnt. Intel brauchte die Unterstützung für sein "Broadwater"-Chipset, das in Verbindung mit dem neuen "Core-2-Duo"-Prozessor für Desktop-PCs ("Conroe") ausgeliefert wird und nächste Woche auf den Markt kommt. "Wir bringen die Treiber heraus, bevor die Hardware kommt", erklärte Hohndel, "was ein netter Wechsel der Gangart ist." Stimmt - beim Centrino hatte es nach den Windows Treibern noch über ein Jahr gedauert, bis Intel mit der Unterstützung für Linux nachzog.

Bei Intel werkeln vier Programmierer und fünf Tester an dem Treiberprojekt (außerdem auch noch zwei Mann von Tungsten Graphics). Einer der Entwickler ist der frühere HP-Mann Keith Packard, gleichzeitig einer der führenden Köpfe hinter der grundlegenden 2D-Grafiksoftware X.org für Linux. Intel will das Projekt weiter betreuen, hofft aber auch auf externe Beiträge.

"Wir entscheiden uns bei gleicher Qualität immer für das Silizium, für das wir Open-Source-Treiber bekommen können", lobt Bdale Garbee, Chief Technologist des Bereichs Open Source and Linux bei HP, Intels Schritt. Proprietäre Treiber bedeuteten höheren Aufwand beim Support. Wenn Unterstützung für bestimmte Hardware nicht im Linux-Kernel eingebaut sei, dann sei es sehr umständlich, immer wieder die aktuellsten Treiberversionen für neue Kernel-Releases zu integrieren.

Open-Source-Verfechtern sind proprietäre Treiber ohnehin ein Dorn im Auge. Unter anderem deswegen, weil sie nach einem Update des Betriebssystems oft nicht mehr funktionieren und neu installiert werden müssen. Einige vertreten auch die Ansicht, die GPL erlaube es grundsätzlich nicht, proprietäre Module in Linux einzubinden. Novell hatte kürzlich alle proprietären Bestandteile aus seiner Distribution verbannt, allerdings gleichzeitig die Prozess vereinfacht, über den Nutzer diese von ihren jeweiligen Herstellern nachladen können. (tc)