Digitalisierung verschmilzt reale und virtuelle Welt

Industrie 4.0 - Unternehmen müssen jetzt die Fundamente legen

02.02.2016 von Matthias Schorer
Technologien wie Big Data Analytics, Embedded Computing, Künstliche Intelligenz und Cloud Computing liefern die Zutaten für die Smart Factory. Doch nur wer das richtige Rezept für das neue Industriezeitalter findet, kann von den neuen Techniken auch profitieren.

Industrie 4.0 ist nach Dampfmaschinen, Massenproduktion und Elektronik nichts weniger als die vierte industrielle Revolution. Man kann sicherlich über die inflationäre Verwendung des Begriffs streiten und manch einer mag Industrie 4.0 als weiteren Hype abtun, aber Fakt ist: Die Digitalisierung macht vor nichts Halt, und auch die Industrie muss sich darauf vorbereiten. 3D-Druck, Künstliche Intelligenz, Connected Cars sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden Entwicklungen. Deshalb gilt es insbesondere für die deutsche Industrie ihren Wissensvorsprung zu verteidigen, unvoreingenommen hinter den Modebegriff zu blicken und passende Strategien zu entwickeln.

Was ist diese Industrie 4.0?

Mit der Ankunft neuer Technologien wie Big Data, Embedded Computing, mobile Internet und Cloud Computing in der Fertigungsumgebung wurde die vierte industrielle Revolution eingeleitet. Als Reaktion entwarf die Bundesregierung eine Initiative mit dem Namen "Industrie 4.0", die erstmals als Teil eines Aktionsplans auf der Hannover Messe 2011 präsentiert wurde. Ähnliche Initiativen existieren auch in anderen Industrienationen: "Industrial Internet" in den USA oder "Internet +" in China.

Standortbestimmung in Sachen Industrie 4.0
Die IT hat bei Industrie-4.0-Projekten die Hosen an
Mehr als drei Viertel der ITler messen dem Thema eine sehr hohe (38,5 Prozent) oder hohe Bedeutung (35,9 Prozent) bei. Unter den Produktionsmitarbeitern sagen nur 7,8 Prozent, Industrie 4.0 habe eine sehr hohe Bedeutung, immerhin 39,1 Prozent räumen dem Thema eine hohe Bedeutung ein.


Zunächst einmal zeigte sich dass der Wissensstand zum Thema Industrie 4.0 in Produktion und IT unterschiedlich ist. Während drei Viertel der ITler mit dem Begriff etwas anzufangen wissen, zeigen die Mitarbeiter in der Produktion zu 60 Prozent Erkenntnisdefizite.

Mehr als drei Viertel der ITler messen dem Thema eine sehr hohe (38,5 Prozent) oder hohe Bedeutung (35,9 Prozent) bei. Unter den Produktionsmitarbeitern sagen nur 7,8 Prozent, Industrie 4.0 habe eine sehr hohe Bedeutung, immerhin 39,1 Prozent räumen dem Thema eine hohe Bedeutung ein.

Auf die Frage, ob sich das Thema langfristig in produzierenden Unternehmen durchsetzen werde, sagten 36 Prozent der ITler, sie seien sich diesbezüglich „absolut sicher“. Nur elf Prozent der Produktionsbeschäftigten waren der gleichen Ansicht.

Wer treibt die Industrie-4.0-Projekte in den Unternehmen? Die IT-Profis sehen sich zu knapp 72 Prozent selbst im Driver Seat, während sich die Produktionsmitarbeiter nur zu 26,6 Prozent verantwortlich fühlen.





Was sind nun die IT-Themen, die von den Befragten als relevant im Zusammenhang mit Industrie 4.0 gesehen werden? IT-Security, Produktions-IT und Mobility gelten laut Umfrage in dieser Reihenfolge als die Topthemen, wenn es um die Einführung und Umsetzung geht.


Gemeinsam ist diesen Begriffen, dass die traditionelle Industrie und Fertigung von der digitalen Transformation erfasst wird und mit den modernen Technologien der Informationstechnik zusammenwachsen. Die dritte industrielle Revolution, die Ende der 60er Jahre durch den Einsatz von Elektronik eine Automatisierung der Produktion hervorrief, bot einen kleinen Vorgeschmack auf die kommende Entwicklung. Der Einzug der IT in Industrie und Fertigung treibt die Verschmelzung der "realen" und "virtuellen" Welt zu sogenannten Cyber-Physischen-Produktionssystemen (CPPS) voran.

Der Kerngedanke von Industrie 4.0 ist die Nutzung von Informationstechnologien, so dass Geschäftsprozesse und der Engineering-Prozess tief miteinander integriert sind und die Produktion flexibler, effizienter und grüner operieren kann, bei gleichbleibend hoher Qualität und niedrigen Kosten.

Hauptmerkmale von Industrie 4.0

Die wichtigsten Merkmale der Industrie 4.0 umfassen:

Die horizontale Integration der Unternehmen und die vertikale Integration innerhalb der Fabrik bilden die Grundlage für das durchgängige Engineering.

Die Bedeutung von künstlicher Intelligenz und Co.

Aufstrebende Informationstechnologien wie das Internet der Dinge, Big Data und Cloud Computing sowie künstliche Intelligenz (AI) ermöglichen die Entwicklung von Industrie 4.0. Die Integration dieser Technologien in die automatisierte Industrie, Wirtschaft und Handel werden einen enormen Entwicklungssprung bewirken. Dank leistungsfähiger Mikroprozessoren und AI-Technologien werden Produkte und Maschinen zunehmend "smart": das bedeutet, sie verfügen nicht nur über Fähigkeiten zu Computing und Kommunikation, sondern auch zu Autonomie und Sozialität.

Via Cloud Computing-Technologie kann das Server-Netzwerk als Ressourcenpool virtualisiert werden, der nach Bedarf für Big Data Analytics skalierbare Rechenleistung und Speicher bereitstellt. Mit zahlreichen Informationssystemen und intelligenten Objekten, die über die gleiche Cloud verbunden sind, entsteht ein vollkommen neues Internet der Dinge.

Die Cloud in der Industrie 4.0

Eine der wichtigsten Zutaten für Industrie 4.0 ist die Cloud. Sie stellt die Basis für den Datenaustausch im großen Stil dar und bietet den nötigen Speicher und die Rechenleistung für die digitalisierte Produktion, in der sich Fertigungsprozesse grundlegend verändern. In einer smarten Fabrik mit tausenden von vernetzten Produktionsteilen und intelligenten Maschinen entstehen enorme Datenmengen. Diese Datenberge können nur mit Cloud-Lösungen gespeichert und verarbeitet sowie überall auf der Welt zugänglich gemacht werden.

Was ist was im Internet der Dinge?
Das ABC des Internets der Dinge
Das "Next big thing" der letzten Jahre schlechthin ist nicht nur selbst eines der derzeit am häufigsten strapazierten Buzzwords. Rund um das Internet der Dinge tummeln sich Begriffe, die oft genauso wenig oder kaum verstanden werden wie der Oberbegriff. Zeit also dass wir mit Mythen, Buzzwords und Wissenslücken rund um IoT aufräumen.
API
"Ohne API Management wäre das Internet der Dinge nur ein großes Ding", <a href="http://www.wired.com/2013/07/without-api-management-the-internet-of-things-is-just-a-big-thing/" target="_blank">hieß es mal bei Wired</a> und es stimmt. API (Application Programming Interfaces) sind eine extrem wichtige Zutat des Internets der Dinge: Sie machen den Datenaustausch zwischen Apps und Geräten möglich. Mit offenen APIs kann die smarte Wetterstation eines Herstellers seine Daten an die smarte Markise eines anderen Herstellers weitergeben und bei starkem Wind Markisen einfahren und Rolladen schließen. Mulesoft hat die 10 wichtigsten APIs im IoT in einer Infografik illustriert, darunter zum Beispiel Fitbit API oder das <a href="https://www.mulesoft.com/infographics/api/internet-things#sthash.9hXXH871.dpuf" target="_blank">Nest Learning Thermostat API</a>.
BLE (Bluetooth Low Energie / Bluetooth 4.0)
Bluetooth Low Energy (kurz BLE oder Bluetooth 4.0) ist eine spezielle Version des bekannten Drahtlos-Standards und eine wichtige Technologie für smarte Devices: Mit BLE ausgerüstete Gadgets können sich permanent drahtlos mit der Umgebung unterhalten, schonen aber den Akku und müssen nicht bei jedem Aufeinandertreffen erneut gepaired werden.
Cloud-based Application
Klar, die Cloud kennt heute jeder, was gibt es da zu erklären? Im Internet der Dinge spielt sie aber eine besondere Rolle: Apps und Dienste werden im IoT oft im Internet gehostet, statt neue Infrastruktur, Personal oder Software zu verlangen. Zweitens landen oft die von Sensoren, Geräten und Apps gesammelten Daten in der Cloud und können so leicht zwischen Apps und Diensten ausgetauscht werden.
Embedded Intelligence
Computer sind heute als Alleskönner bekannt. Embedded Intelligence oder Embedded Computing beschreibt Systeme, die nur ein bestimmtes Ziel verfolgen, nur ein paar bestimmte Aufgaben erledigen. So kann bei Embedded Computing an Hard- und Software gespart werden. Das ergibt schlanke Systeme, die dann im Zusammenspiel mit anderen Geräten ihre volle Funktionalität entfalten.
iBeacon
Der Markenname iBeacon wurde 2013 von Apple als proprietärer Standard für Navigation in geschlossenen Räumen eingeführt. Die kleinen, in der Anschaffung bewusst günstigen Geräte senden Sensordaten über ein BLE-Signal. Mit einer Knopfzelle können iBeacons rund ein Jahr laufen. Mit mehreren iBeacons können Positionen sehr exakt bestimmt werden und zum Beispiel in einem Ladengeschäft zu jedem Regal passende Angebote aufs Smartphone geschickt werden.
Industrie 4.0
So wie Smart Home das Internet der Dinge im Heimbereich beschreibt, steht der Begriff "Industrie 4.0" smarte, vernetzte Fabriken. "4.0" spielt dabei auf die vierte industrielle Revolution an. In smarten Fabriken könnten sich ganze Produktionsanlagen mit M2M-Kommunikation permanent unterhalten, über Sensoren gesammelte Informationen auswerten und so Prozesse schnell, effizient und kostengünstig halten. So können Werkstoffe, die in eine Produktionsanlage geliefert werden, zum Beispiel per RFID-Chips der Anlage sagen in welcher Maschine sie verarbeitet werden sollen.
Interoperability
Ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Internets der Dinge ist der Austausch von Informationen und Services mit einem anderen System, der als Interoperability bezeichnet wird. Geräte können im Idealfall nahtlos und effektiv zusammenarbeiten. Tatsächlich herrscht in vielen Bereichen wie Smart Home noch ein Chaos aus Geräten von verschiedenen Herstellern die nur begrenzt miteinander vernetzbar sind.
Location Technologies
Technologien wie GPS, die Positionsbestimmung per WLAN oder BLE machen es im Internet der Dinge möglich den Ort eines Geräts, wie eines Smartphones, an Sensoren zu melden. Aus ortsbasierten Informationen zu Geräten ergeben sich enorm viele Möglichkeiten, vom simplen Angebot des nächsten Ladens aufs Smartphone bis zu selbstfahrenden Autos.
M2M
Dank M2M (Machine-to-Machine Communication / Technology) sollen sich Geräte automatisch, ganz ohne Zutun des Menschen unterhalten. Zum Beispiel könnte ein Containerschiff vollautomatisch in einem Hafen entladen werden oder ein Auto ferngesteuert die freie Lücke im Parkhaus finden und dort einparken. Notwendig sind für M2M-Systeme oft Sensoren, die permanent Daten untereinander austauschen und damit eine zentrale Steuerung möglich machen.
RFID Tags
Radio Frequency IDentification Tags können im IoT für Tracking-Zwecke wertvolle Daten liefern: Zum Beispiel können sie Warenbestände oder Personendaten erfassen und verwalten. Die kleinen Tags können zum Beispiel leicht in einem Container oder Kleidung untergebracht werden und dann beim Passieren eines Lesegeräts registriert werden – ohne Sichtkontakt. Im Gegensatz zu Barcodes können Geräte hunderte von RFID-Tags gleichzeitig lesen – und sie funktionieren in Metallteilen, aufgedruckt oder sogar unter der Haut. Der <a href="http://www.inotec.de" target="_blank">RFID-Hersteller Inotec</a> zeigt die Vorteile der RFID-Technologie im Detail.
Sensor
Sensoren kennt heute jeder aus dem Smartphone, das beim Kippen die Benutzeroberfläche von vertikal nach horizontal umschaltet. Sensoren schlagen die Brücke zwischen der echten und digitalen Welt, indem sie wie in dem Beispiel Bewegungen übersetzen. Sensoren können noch viele andere Daten wie den Ort eines Gerätes, Bewegungen, Temperatur oder Helligkeit messen.
Smart Home
Smart Home ist der Sammelbegriff für das Internet der Dinge im Heimbereich. Haushaltsgeräte von der Küche über Wohnzimmer bis Garten werden durch Zusatztechnik zentral, zum Beispiel über Smartphone-Apps steuerbar. Smart Home kann in vielen Bereichen den Wohnkomfort enorm verbessern, etwa durch Jalousien, die auf das Wetter reagieren. Zudem winken Zusatznutzen wie weniger Stromverbrauch durch automatisch abgeschaltetes Licht und Geräte, sobald man den Raum verlässt oder verbesserten Schutz gegen Einbrecher durch smarte Überwachungskameras, die bei Bewegung Push-Nachrichten aufs Smartphone senden.
Ubiquitous Computing
Beim Internet der Dinge werden winzige Computer in Alltagsgegenstände eingebaut. Damit sie vernetzt funktionieren, müssen sie oft immer angeschaltet sein – im Gegensatz zum Desktop-PC der nach Benutzung wieder ausgeschaltet wird. "Ubiquitous Computing" bedeutet also Computersysteme, die immer eingeschaltet und allgegenwärtig sind.
Wearables
Das Internet der Dinge hat in den letzten Jahren besonders viele smarte Geräte zum Anziehen, die so genannten Wearables, hervorgebracht. Sportarmbänder, Smart Watches, Fitnesskopfhörer mit Trainingsanleitungen, Bewegungs-Tracker in verschiedenen Formen sind nur einige Beispiele für aktuelle Wearables. Neben Fitness und Gesundheitsgeräten gehören auch neue Formen von Computern wie Datenbrillen zu den Wearables.

Zudem ermöglichen as-a-Service-Angebote eine schnelle Erweiterung der Kapazitäten, ohne in teure High-End-Infrastruktur investieren zu müssen. Die Erhebung, Verteilung und Analyse wird mittels Cloud-Technologie über das gesamte globale Wertschöpfungsnetzwerk ermöglicht. Cloud-basierte Lösungen sind dank ihrer äußerst einfachen Vernetzung geeignet, die Wertschöpfung vom Zulieferer bis zum Kunden nahtlos zu verbinden.

Wir leben in einer enorm spannenden Zeit und werden gerade Zeuge der Verschmelzung von physischen und virtuellen Welten. Industrie 4.0 kann weiterhin den Lebensstandard der Menschen erhöhen durch maßgeschneiderte und qualitativ hochwertige Produkte und die Schaffung einer besseren Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter. Allerdings übersehen viele Unternehmen in Deutschland die Chancen, die sich ihnen im Zuge der Industrie 4.0 Entwicklung jetzt bieten. Doch wer jetzt die richtigen Fundamente legt, wird den Übergang in die vierte industrielle Revolution mit Bravour meistern.