IBM packt Linux auf Laptops und RS/6000

13.06.2000
Mit Interview zur Linux-Strategie

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - IBM setzt auf immer breiterer Front auf das Open-Source-Unix Linux: Künftig liefert Big Blue auch tragbare PCs auf Wunsch mit vorinstalliertem Linux aus.

Interessierte Kunden erhalten die neuesten Thinkpad-Linien "A20" und "T20" künftig auf Wunsch auch mit "OpenLinux 2.4" von Caldera, einer bis dato nicht besonders populären Distribution. Entsprechende Konfigurationen sollen ab dem dritten Quartal erhältlich sein. Bislang kommt Linux vor allem auf (Web-)Servern zum Einsatz, kann aber zumindest im Unternehmensumfeld keine nennenswerte Verbreitung auf Desktops, geschweige denn Notebooks vorweisen - als größter Hemmschuh erweisen sich die für "Otto Normalanwender" zu komplexe Bedienung und Systemverwaltung.

Auch Big Blue zielt mit seinem neuen Angebot nicht auf Jedermann, sondern nimmt laut Vice President Irving Wladawsky-Berger vor allem die ohnehin schon Linux-freundlichen IT-Profis und Wissenschaftler ins Zielgruppen-Visier. Übrigens ist IBM beileibe nicht der erste große Hersteller, der Linux auch für Portables anbietet - Direktanbieter Dell tut dies bereits seit Februar dieses Jahres, setzt allerdings auf die Variante von Red Hat Software.

Neben der Thinkpad-Unterstützung gab IBM noch zahlreiche weitere Linux-Engagements bekannt. Eine Reihe von RS/6000-Systemen ("B50", "F50", "43P Model 150") ist ab sofort mit Suse Linux zu haben, weitere sollen im Laufe des Jahres folgen. Für kleine und mittlere Unternehmen mit Linux-Ambitionen hat der Konzern ein "Small Business Pack" geschnürt, das aus der Datenbank DB2, dem Application Server "Websphere" sowie Lotus Domino 5.03 besteht - zu einem Preis von knapp 500 Dollar. Last but not least unterstützt nun Websphere in der aktuellen Version 3.02 Linux-Anwendungen direkt.

Bereit seit einiger Zeit bietet IBM Linux auf seinen PC-Servern der "Netfinity"-Linie und auf den S/390-Mainframes; für die hochintegrierten "Mittelstands-Server" der AS/400-Familie gibt es bislang nur ein zeitlich nicht konkretisiertes Commitment. Die Grundaussage aber ist klar. "Sie werden Linux auf jeden Fall über unsere komplette Server-Palette hinweg sehen", verspricht Buell Duncan, General Manager der IBM Global Business Partners Group.

Gartner-Analyst George Weiss warnt allerdings in Sachen Linux vor allzu großer Euphorie. Sicher werde IBM das Engagement nützen und gleichzeitig Linux im Unternehmensumfeld einen wichtigen Schritt voranbringen. Allerdings gelte es noch eine ganze Reihe von Problemen aus der Welt zu schaffen. Dazu gehörten die mangelnde Motivation kommerzieller Entwickler, der fehlende Service und Support auf weltweiter Basis, Desaster Recovery und andere Service-Level-Garantien.

INTERVIEW: BIG BLUES LINUX-STRATEGIE

Mit Irving Wladawsky-Berger, dem obersten Linux-Strategen der IBM (offizieller Titel: Vice President of Technology and Strategy), sprach die Kollegin Dominique Deckmyn von der CW-Schwesterpublikation "Computerworld".

CW: IBM hat seit langer Zeit eine Multi-Betriebssystemstrategie verfolgt. Gleichzeitig hat sich das Unternehmen aber zu einem Linux-Fürsprecher entwickelt.

WLADAWSKY-BERGER: Wir setzen auch künftig auf mehrere Betriebssysteme. Aber Linux ist für uns mehr als nur ein weiteres OS - genauso wie das Internet nicht einfach nur ein weiteres Netz ist.

Was das Internet so besonders gemacht hat ist die Tatsache, dass eine Gemeinschaft seine Standards entwickelt und seine Infrastruktur aufgebaut hat. Und deswegen ist Linux auch etwas anderes als OS/390 oder AIX oder Windows. Linux ist mehr eine Community, die sich zusammengefunden hat, um bei Programmierschnittstellen, einer gemeinsamen Entwicklungsumgebung und Tools zusammenzuarbeiten. Und weil dies ganz bewusst auf offenen Standards aufbaut, können wir mit gutem Gewissen Linux-Unterstützung in all unsere Betriebssysteme integrieren.

CW: Sie beschreiben Linux als eine gemeinsame Anwendungsumgebung, die eine Rolle ähnlich der von Java einnimmt. Wie hängen diese beiden Techniken zusammen?

WLADAWSKY-BERGER: Java setzt eine Ebene höher auf. Java ist eine Programmierumgebung, eine Art, Anwendungen zu schreiben - vor allem OO-Applikationen mit Javabeans. Aber jede Anwendung braucht immer noch ein Betriebssystem, auf dem sie fußen kann. Linux kann in diesem Bereich einen Standard liefern.

Bei der Festlegung von Standards geht es um die Netzwerkebene, die das Internet bereitstellt; um die Programmierebene, die Java liefert, und um den Austausch von Inhalten, den XML möglich macht. Linux schließlich bringt uns die Programmierschnittstellen, die Ablaufumgebung und die Entwicklungsumgebung. Wir sehen Linux als die letzte noch fehlende Zutat einer umfassenden Standardisierung.

CW: Was bedeutet Linux für Monterey, Ihren Plan für ein 64-Bit-PC-Unix für IA-64-Prozessoren?

WLADAWSKY-BERGER: Linux ist ein wichtiger Bestandteil unserer gesamten Unix-Strategie. Wir unterstützen zwei Kernels - AIX und Linux -, die sich gegenseitig ergänzen. AIX ist aus technischer Sicht extrem ausgereift, und es eignet sich damit hervorragend für die Transaktionsverarbeitung. Linux ist das populärste und am schnellsten wachsende Unix der Industrie und gut geeignet für den Massenmarkt. Es ist vor allem auf Ein- bis Vier-Wege-Servern und auf Internet Appliances beliebt. Wir wollen AIX API-kompatibel mit Linux machen. Das bedeutet, dass man Linux-Anwendungen mit minimalem Aufwand portieren kann.