Praxistest Google-Handy

HTC Magic - Spaß, solange der Akku reicht

28.05.2009 von Manfred Bremmer
Mit dem HTC Magic geht die Invasion der Google-Android-Smartphones in die zweite Runde. Die COMPUTERWOCHE hat den Außerirdischen auf Herz und Nieren getestet.
Im Vergleich zum T-Mobile G1 ist das HTC Magic deutlich schlanker geraten.
Foto: Vodafone

Nach T-Mobile hat mittlerweile auch Vodafone ein Google-Android-Handy exklusiv im Programm. Dabei hat die Telekom-Tochter guten Grund, auf den Rivalen neidisch zu sein: Im Vergleich zum T-Mobile G1 wirkt das in weiß oder schwarz erhältliche HTC Magic deutlich eleganter und leichter. Grund dafür ist in erster Linie der Verzicht auf die ausschiebbare Qwertz-Tastatur des G1. Statt eines richtigen Keyboards besitzt das Smartphone - ähnlich wie das Apple iPhone - nur eine virtuelle Tastatur, die wegen des kapazitiven Touchscreens (eine weitere Analogie zum Apple-Gerät und dem G1) nur mit der Hand und nicht mit einem Stift oder Ähnlichem bedient werden kann.

Der erste Eindruck

Mit knapp 16 Millimetern ist das Magic mit knapp 16 Millimetern etwas dicker wie das iPhone geraten. Dafür fällt es mit eine Länge von 113 und einer Breite von 55 Millimetern schmäler und kürzer aus. Dies ist von Vorteil, wenn das Gerät in Jacken- oder Hosentasche transportiert wird. Der Nutzer muss dafür allerdings mit einem etwas kleineren 3,2-Zoll-Display mit 320 mal 480 Pixel Auflösung leben. Trotz seiner Plastikschale braucht das HTC Magic den Vergleich mit dem Apple iPhone nicht zu scheuen - zumindest im Neuzustand. Im harten Alltagseinsatz beginnt das Gerät allerdings schnell zu verschmutzen. Die im Lieferumfang enthaltene Schutzhülle hilft dagegen leider nur wenig, da es sich vor allem um Fingerabdrücke und Schmierer am Gehäuse und Display handelt.

Die Home-Taste zeigt bei längerem Drücken die Liste der geöffneten Programme an.

Während das iPhone mit nur einem Knopf auskommt, hat HTC unterhalb des Bildschirms neben dem Trackball gleich sechs Tasten angebracht - seitlich am Gerät befindet sich zusätzlich noch die Lautstärkenregelung. Die Menge an Knöpfen sorgt anfänglich leicht für Verwirrung: So führt die Home-Taste nicht nur zum Startbildschirm, sondern zeigt bei längerem Drücken auch sämtliche geöffneten Programme an. Der rechts daneben angebrachte Menü-Knopf hilft, die verschiedenen Optionen zu einem geöffneten Programm aufzurufen - diese können je nach Anwendung aber deutlich unterschiedlich ausfallen. Im Gegensatz zum iPhone verzichtet das Magic auch nicht auf die klassischen Tasten mit grünem und rotem Telefonhörer - diese dienen zum Initiieren beziehungsweise Beenden von Telefonaten und mehr nicht. Auch bei den Knöpfen "Suche" und "Zurück" gibt es wenig Erklärungsbedarf. Wer glaubt, mit der Aus-Taste auch Anwendungen stoppen zu können, irrt dagegen - dahinter steckt lediglich der Abschaltmechanismus. Allgemein ist zu beachten, dass Anwendungen immer nur einen Schritt zurückgesetzt und nicht vollständig geschlossen werden. Dies soll aber nicht weiter stören, da bei Android jedes Programm in einem eigenen Prozess und mit einer eigenen virtuellen Maschine (Dalvik VM) läuft.

Üppige Hardware

Bringt selbst bei farbenfrohen Motiven nur mittelmäßige Bilder zustande: Die integrierte 3,2-Megapixel-Kamera.

Bei der Hardware-Ausstattung scheint sich HTC im Großen und Ganzen daran orientiert zu haben, das Niveau des Apple iPhone und des T-Mobile G1 zu halten, beziehungsweise zu übertreffen. Das Ergebnis kann man nahezu als Vollausstattung bezeichnen, das Gerät kommt mit HSPDA (bis 7,2 Mbit/s), WLAN, A(ssisted)-GPS und Video-fähiger 3,2-Megapixel-Kamera. Außerdem hat das Akku mit 1340 mAh nun etwa 20 Prozent mehr Speicherkapazität wie das des T-Mobile G1 (1150 mAh). Allzu hoch sollte der Nutzer seine Erwartungen jedoch nicht stecken: Während die Datenübertragung und GPS über jede Kritik erhaben sind, enttäuscht die Autofokus-Kamera fast auf der ganzen Linie. Mangels Einstellungsmöglichkeiten oder Blitz eignet sie sich gerade einmal für Schnappschüsse, bei schlechten Lichtverhältnissen nicht einmal dafür. Die Akkuleistung wiederum reicht gerade einmal aus, um den Anwender mit Müh und Not über den Tag zu bringen. Schuld daran sind natürlich auch die Multimedialität und die vielen, den Spieltrieb anregenden Anwendungen, aber mehr dazu später. Zwiespältig ist auch die fehlende Unterstützung eines Klinkensteckers für Standard-Kopfhörer zu bewerten - hier setzt HTC auf eine - wenn auch multifunktionale - Mini-USB-Buchse. Der Lieferumfang entspricht der Preisklasse des Magic, das satte 570 Euro ohne Vertrag kostet: Neben einer Schutzhülle enthält die Box eine 8GB-MicroSD-Card, Akku, Datenkabel, Kopfhörer, Ladestecker, Garantiekarte und eine sehr knappe Kurzanleitung.

Spartanische Softwareausstattung

Die Menü-Taste zeigt die verschiedenen Optionen der geöffneten Anwendung - hier der Browser mit Google-Startseite.

Als Software ist auf dem HTC Magic die neue Version 1,5 (Cupcake) des Android-Betriebssystem installiert, die wie die auf dem T-Mobile G1 installierte, frühere Version zügig und problemlos läuft. Das Scrollen durch das Menü ist auf dem HTC Magic leicht und nahezu intuitiv möglich, auch der integrierte (Webkit-)Browser ist - abgesehen von der fehlenden Video- und allgemein Flash-Unterstützung - über größere Zweifel erhaben. Anstelle des vom iPhone genutzten (und patentierten) Multitouch - also der Möglichkeit, die Ansicht mit zwei Fingern größer oder kleiner zu ziehen - stellt Android aber eine weniger praktikable Lupenfunktion bereit. Suboptimal hat Google auch den Übergang der Darstellung von der Vertikale in die Horizontale und umgekehrt gelöst. Dank integriertem Lagesensor wechselt die Ansicht zwar in allen Anwendungen automatisch, während des Prozesses wird die Darstellung jedoch vorübergehend unscharf gemacht.

Einstellungssache: Das virtuelle Keyboard ist gewöhnungsbedürftig. Übung und taktiles Feedback helfen.

Das horizontal und vertikal verfügbare virtuelle Keyboard ist - insbesondere bei größeren Fingern - zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. Wählt man in den Einstellungen taktiles und akustisches Feedback aus, steigt die Treffgenauigkeit jedoch enorm. Ungewohnt dürfte für viele auch der Umstand sein, dass sie sich beim ersten Start mit ihrem Google-Account anmelden sollen - ähnlich wie sich iPhone-Nutzer über ihr iTunes-Konto anmelden. Wer die Registrierung ablehnt, kann das Gerät aber weiterbenutzen - sollte sich jedoch ernsthaft Gedanken darüber machen, ob er das richtige Handy gekauft hat. So kann er weder Google Mail (mit Push-Funktion), Google Talk und andere perfekt im Gerät integrierte Applikationen des Internet-Riesen einsetzen. Auch der Android Market und damit eine der Hauptattraktionen des Smartphones bleibt ihm versperrt.

Zahlreiche Anwendungen im Android Market

Dank der zahlreichen Anwendungen im Android Market bleiben die im Auslieferungszustand vorhandenen Programme nicht lange allein.

Im Auslieferungszustand sind nur wenige Anwendungen auf dem HTC Magic vorinstalliert: Auf dem nach rechts und links verschiebbaren Startbildschirm finden sich unter der großen Uhr Icons für Telefon, Kontakte, Browser, Google Maps, Android Market sowie ein Link zum Vodafone-Live-Portal. Zieht man an der Lasche am unteren Bildschirmrand werden weitere Anwendungen und Funktionen angezeigt, dieser Raum bietet ausreichend Platz für Drittapplikationen aus dem Android Market. In dem Pendant zum App Store für Apple iPhone (und iPod) finden sich Hunderte von praktischen oder einfach nur lustigen Anwendungen. Etliche davon sind wie Shazam oder Qype bereits für das iPhone und andere mobile Plattformen verfügbar, einige wurden jedoch (zunächst) exklusiv für Google Android entwickelt. Bis dato sind in Deutschland mangels integrierter Bezahlfunktion allerdings nur kostenlose Applikationen im Android Market zu finden. Wer eine (kostenpflichtige) Anwendung vermisst, kann diese - anders als beim Apple iPhone (ohne Jailbreak) - aber auch außerhalb erwerben. Der Käufer sollte allerdings sicherstellen, dass das Programm bereits die virtuelle Tastatur unterstützt.

"Roadsync" ermöglicht die rudimentäre die Synchronisation von Mails und Kontakten aus Exchange/Outlook.

Ähnlich wie beim iPhone werden inzwischen auch die ersten Business-tauglichen Anwendungen für Android angeboten. So ermöglicht Dataviz mit "Roadsync" die Synchronisation von Mails und Kontakten aus Exchange/Outlook. Der Hersteller bietet außerdem mit "Documents to Go for Android" die Möglichkeit, Office-Word- und Excel-Dokumente auf dem Gerät zu lesen, bearbeiten oder zu versenden. Quickoffice hat ein ähnliches Programm im Angebot. Für den mobilen Einsatz im Unternehmen ist das HTC Magic allerdings wegen der spärlichen Sicherheitsfunktionen noch nicht bedenkenlos zu empfehlen. Es dürfte allerdings nur eine Frage der Zeit und Marktbedeutung von Google Android sein, bis hier Drittanbieter entsprechende Anwendungen für die Absicherung und das Remote-Management bereitstellen.

Fazit

Die Konkurrenz schläft nicht: Schon im Juni erscheint bei o2 das Android-Handy Samsung I7500.
Foto: Samsung

Das HTC Magic dokumentiert eindrucksvoll, dass Google Android längst mehr als nur eine weitere Plattform für Smartphones darstellt. So besitzt das Gerät - in Kombination mit den Anwendungen im Android Market - seinen eigenen Charme und schafft es trotz einiger Mängel wie Kamera und Akkuleistung, aus dem Schatten des Apple iPhone herauszutreten. Die Invasion der Androiden ist ins Rollen gekommen, auch wenn teure Verträge und ein offizieller Listenpreis von 570 Euro (im Web ab 360 Euro erhältlich) den breiten Marktdurchbruch aktuell noch bremsen.