IDC-Kommentar zur Akquisition

HP und EDS: Vereint in Defiziten

15.05.2008 von Jan-Bernd Meyer
Die Marktanalysten von IDC haben in einer Stellungnahme den Kauf von EDS durch HP bewertet. Einiges spricht für die Akquisition. Es bleiben aber viele Fragezeichen.

Nach IDC hätte das Gespann HP-EDS in Europa im abgelaufenen Jahr 2007 einen Umsatz mit IT- und Business-Services von 13,3 Milliarden Dollar erzielt. Damit wäre das fusionierte Unternehmen deutlich die Nummer zwei. Ebenso eindeutig wäre allerdings auch, dass IBM mit einem Umsatz von 16,8 Milliarden Dollar aus dieser Geschäftstätigkeit in Europa 2007 klar die Topposition eingenommen hätte.

IDC-Analystin Mette Ahorlu sieht die Fusion von HP und EDS mit vielen Fragezeichen behaftet.
Foto: IDC

IDC vertritt die Ansicht, dass sich HP und EDS aus verschiedenen Gründen durchaus gut ergänzen würden. Da sei zunächst der geografische Aspekt zu nennen. HP ist, so die Analysten, in Europa sehr breit vertreten. Dabei sei die Stellung in Deutschland gut, in Großbritannien etwas schwächer. EDS wiederum sei stark auf die britische Insel fokussiert.

Auch die vertikale Ausrichtung auf Kundensegmente würde sich durchaus ergänzen. Wiederum auf Europa bezogen seien, argumentiert IDC, beide in den Segmenten öffentliche Hand, Fertigungsindustrie, Finanzdienstleister und Telekommunikation ordentlich vertreten.

EDS stark bei Infrastrukur-Services

EDS gehöre - anders als HP - zu den weltweit führenden Infrastruktur-Outsourcing-Anbietern inklusive eines fundierten Knowhows zum Thema Großrechnerwelt. HP sei hier mit seiner Herkunft aus dem Desktop- und Midrange-Server-Segment eher schwach auf der Brust. Weltweit wiederum führend seien sowohl HP als auch EDS, wenn es um Dienstleistungen für das Netz- und Desktop-Management geht.

Beide Firmen sind nach Meinung von IDC stark bei Infrastrukturaufgaben, weniger gut aufgestellt hingegen bei Applikationslösungen. Diesbezüglich wollen aber beide wachsen. EDS hat ein starkes Auge darauf, Legacy-Umgebungen, also tradierte Großrechnerlandschaften, zu modernisieren. HP fokussierte sich in der Vergangenheit auf SAP-Migrationen.

Kompetenz in Sachen SAP

SAP-Knowhow ist im Übrigen generell ein Kristallisationspunkt der Anstrengungen beider Firmen: EDS hat hier in jüngster Zeit verschiedene Ankündigungen gemacht wie etwa die Allianz mit PricewaterhouseCoopers. HP wiederum widmete sich vor allem auch den Themen SAP-Implementierungen und -Applikations-Management. Außerdem versuchte sich Hewlett-Packard verstärkt darin, SAP-6.0-Upgrades quasi fabrikmäßig, also standardisiert, abzuwickeln.

Während darüber hinaus HP - natürlich wegen seiner Hardware-Herkunft - immer ein starkes Augenmerk auf Support-Aktivitäten hatte, stieß EDS genau dieses Geschäft in Europa gegen Ende 2006 ab.

IDC hat ein weiteres Service-Betätigungsfeld ausfindig gemacht, auf dem sich beide Fusionspartner künftig ergänzen dürften: Offshoring. Hier hat Hewlett-Packard kaum etwas zu bieten. EDS hingegen konnte hier zulegen. Der Zukauf von Mphasis bringe EDS nach Meinung von IDC auf Augenhöhe mit führenden Offshoring-Anbietern - und könnte möglicherweise sogar mit IBM und Accenture mithalten.

Business Process Outsourcing: keine Stärke von beiden

Wenn auch EDS bezüglich Business Process Outsourcing (BPO) als der besser gestellte Partner der beiden anzusehen ist, so sei das Unternehmen doch weit davon entfernt, in Europa eine gravierende Rolle zu spielen. HP mag zwar im Bewusstsein mancher in Sachen BPO nicht unbedeutend sein. Tatsache sei aber, dass HPs BPO-Kundenbasis sehr begrenzt ist. IDC glaubt, hier könnten sich in der Fusion Synergien ergeben. Allerdings sagen die Marktforscher nicht, worauf sich diese Hoffnung gründet, wenn beide Partner auf diesem Gebiet nicht zu den führenden Anbietern gehören.

Was gegen eine Fusion spricht

Die Marktforscher argumentieren, dass EDS sich als Infrastruktur-Outsourcer positioniert hat. Deshalb werde das Unternehmen insbesondere in Europa als technisch orientiert, als Techie mithin, eingestuft. Für HP gelte der Ruf des Technikunternehmens sogar noch mehr. Deshalb fragt sich IDC, ob hier nicht ein Firmenimperium entsteht, dass in Technikfragen zwar stark, in der Business-Denke aber gegebenenfalls etwas unterbelichtet ist. EDS' Allianz mit PwC könnte diesen Beigeschmack allerdings abmildern, überlegen die Analysten.

IDC fragt sich zudem, wie sich die diversen Allianzen vertragen, die beide Unternehmen mit Partnern eingegangen sind. Hierzu könnte man die Agility-Allianz von EDS zählen, die dazu dient, das Partnergeflecht von EDS zu koordinieren. HP wiederum unterhält eine solide Verbindung zur British Telecom (BT). EDS hat starke Bindungen zum Hardwarelieferanten Sun Microsystems. Wie wird sich diese Allianz vertragen mit der Tatsache, dass HP ja selbst Hersteller von Rechnern über alle Leistungsklassen hinweg ist?

Spannende Frage: Was ist mit den Kunden?

HP und EDS haben unterschiedliche Firmenkulturen. Was für Überlegungen das bei Kunden der beiden Fusionswilligen auslöst - EDS etwa arbeitet mit vielen Banken, also einer konservativen Klientel zusammen -, steht in den Sternen. HP müsse hier gegenüber der hinzu gewonnenen Klientel ganz schnell klar machen, dass sich an den ursprünglichen Voraussetzungen, die zur Wahl von EDS als Dienstleister führten, auch mit der Fusion nichts ändert.

Dieses Argument hat viel Gewicht. Denn beide Unternehmen zusammen unterhalten in Westeuropa allein 39 Outsourcing-Verträge mit einem Vertragswert von insgesamt 12,8 Milliarden Dollar, die in den kommenden 18 Monaten zur Erneuerung oder Verlängerung anstehen. Hier müssen die beiden Fusionspartner erhebliche Überzeugungsarbeit leisten, um sich diese Kontrakte zu erhalten. Das Risiko, dass hier ein Kunde abspringt, ist groß.

Fazit

IDC sieht bei diesem Deal einige Synergien. Diese betreffen allerdings in erster Linie Kostenaspekte, also die Rentabilität. Die Analysten gewärtigen hingegen weniger mögliche Umsatzsynergien. Dies mache die Fusion weniger sexy und zudem berge dieser Aspekt Risiken. Denn Investoren lieben keine Aufregungen - schon gar nicht von HP und von EDS. Sie wollen Rendite und vorhersehbare und nachvollziehbare Wachstumsaussichten.

Wenn alles gut geht, könnte die Fusion von Hewlett-Packard und EDS den Investoren genau das geben. Allerdings, so IDC, müsse dieses "Wenn" sehr groß geschrieben werden.

Nachdem HP mit der Akquisition von Compaq - im Jahr 2002 verkündet und in den Folgejahren durchlitten - gerade erst die Verschmelzung zweier sehr großer Organisationen ins Lot gebracht hat, steht nun mit dem EDS-Kauf wieder ein organisatorischer und kultureller Leidensweg bevor. Diese Tortur gilt natürlich auch für EDS. IDC prognostiziert, dass die Zusammenführung von Hewlett-Packard und EDS schmerzhaft sein wird.

Große Defizite bei Geschäftsprozess- und IT-Beratung

HP/EDS besitzen sicherlich ein Pfund bei Infrastrukturthemen. Wenn es aber um die Kundenansprache bezüglich der Entwicklung von Strategien für Geschäftsprozesse geht, muss sich das vereinte Unternehmen hinter Konkurrenten wie IBM und Accenture einreihen. Übrigens sei dieses Thema heutzutage keineswegs mehr nur das Sahnehäubchen, das zwischen Dienstleistern und Kunden auch mal besprochen wird. Ganz im Gegenteil sei die Kommunikation über Businessaspekte quasi der Türöffner, um dann margenträchtige Applikationsmanagement- und BPO-Serviceaufträge zu gewinnen. Um also die unbestrittenen Stärken im Infrastrukturgeschäft zu komplettieren mit Dienstleistungen, die erst hohe Wachstumsraten und Gewinnspannen garantieren, müsste HP/EDS sich noch gewaltig verbessern bei der Geschäftsprozess- und IT-Beratung. Wenn IDC in diesem Zusammenhang von Beratung spricht, meinen die Analysten nicht "nur" auf ein Einzelproblem ausgerichtete Tätigkeiten. Vielmehr sprechen sie von einem tiefen Verständnis von komplexen Zusammenhängen in der Art, wie IT heute in Unternehmen als Gesamtkonstrukt gehandhabt werden muss.

Weckruf für die Kleineren dieser Welt: Capgemini, Logica, Atos Origin

Eins sei mit diesem Deal, der erst noch die Hürden der Kartellämter überwinden muss, allerdings jetzt schon klar: Einige der kleineren Mitstreiter am Markt wie Capgemini, Atos Origin oder Logica dürften durch die Fusion erhebliche Bauchschmerzen bekommen. Deren Top-Management sei jetzt in der misslichen Lage, sich schnell entschiedene Reaktionen überlegen zu müssen. (jm)

Weitere Analysten-Stimmen:
PAC: Mit der EDS-Übernahme räumt HP letzte Zweifel aus;

Ovum: Die Integration der Beratungseinheiten ist ungelöst;

Forrester: Der Merger wird HP die kommenden zwei Jahre in Atem halten.