Konsolidierung im IT-Servicemarkt

HP übernimmt EDS: Die Hintergründe

16.05.2008 von Joachim Hackmann
Die sieben wichtigsten Fragen und Antworten zur Übernahme von EDS durch HP.

Was sind die Gundlagen der Fusion?

HP übernimmt EDS für 25 Dollar pro Aktie. Die Vorbereitungen des Deals verliefen überraschend geräuschlos. Ob er von langer Hand geplant wurde, ist nicht bekannt. Unbestätigten Meldungen zufolge gab es im Oktober 2007 die ersten Gespräche. HP-CEO Mark Hurd soll seinem Pendant auf EDS-Seite, Ronald Rittenmeyer, den Kauf des HP-Servicegeschäfts angedient haben. Auf jeden Fall haben beide Unternehmen seit November 2007 Aktienrückkaufprogramme gestartet (Siehe: EDS: Aktienrückkauf über 1 Mrd. Dollar, HP kauft weitere Aktien zurück), was die Transaktion enorm erleichtert. "25 Dollar sind ein angemessener Preis", findet PAC-Analyst Tobias Ortwein. Insgesamt beläuft sich das Volumen auf 13,9 Milliarden Dollar. HP integriert EDS zwar ins Unternehmen, sorgt sich aber zugleich intensiv um Beständigkeit: Eine neue Geschäftseinheit am EDS-Firmensitz Plano in Texas unter Leitung des EDS-CEO Ronald Rittenmeyer verantwortet künftig sämtliche Outsourcing-Aktivitäten. Das ist ein wichtiges Signal sowohl an die EDS-Beschäftigten als auch an EDS-Kunden. Unter dem HP-Dach hat EDS im Auslagerungsgeschäft das Sagen.

Warum übernimmt HP den Konkurrenten EDS?

"Auf den Punkt gebracht: Mehr Umsatz", sagt Ben Pring, Analyst bei Gartner. Immerhin ist EDS im Servicemarkt nach IBM die weltweite Nummer zwei mit einem Jahresumsatz von 22,7 Milliarden Dollar. Doch nicht allein diese Mehreinnahmen polieren HPs künftige Bilanzen auf. "IT-Services spielen eine wichtige strategische Rolle, sie beeinflussen weitere Verkäufe", erläutert Pring. Servicekunden kaufen Hardware und Software, Fremdinstallationen lassen sich durch HP-Produkte ablösen. EDS ist ein Schwergewicht im Wettbewerb um Outsourcing-Aufträge, in denen großvolumige Hard- und Software-Betriebsdienste verhandelt werden. Die Kundenliste ist exquisit. Die Kombination mit dem HP-Servicegeschäft verspricht enormes Synergiepotenzial bei Menschen und Maschinen. Das dürfte ganz nach der Facon des HP-CEOs Mark Hurd sein. Von ihm ist der Satz überliefert: "Offshoring reduziert die Kosten, Automatisierung eleminiert sie." HPs auf das IT-Service-Management ausgerichtete Softwaresparte ergänzt in dieser Hinsicht den Deal.

Warum stimmt EDS der Übernahme zu?

EDS ist ein gesundes Unternehmen. Aus einer schwierigen Phase mit einer schmerzvollen Konsolidierung vor rund vier Jahren ist das Unternehmen deutlich schlanker und stärker hervorgegangen. Im Zuge des Heilungsprozesses blieben die Management-Beratung A.T.Kearney sowie die Softwaresparte UGS auf der Strecke. Beide Einheiten wurde verkauft, um das originäre IT-Infrastruktur-Outsourcing-Geschäft zu betonen. Das ist gelungen, doch seitdem tut sich EDS schwer, die Wachstumsphantasie der Investoren zu wecken. Seit Mitte 2007 fiel der Aktienkurs, der Umsatz wuchs um bescheidene 3,4 Prozent und die Betriebsmarge verharrte bei sechs Prozent. Das ist zu wenig in einem Umfeld, in dem die Konkurrenz zum Teil zweistellig wächst. Das Management um Ronald Rittenmeyer hat den Ausbau in neue Geschäftsfelder wie BPO, Offshoring und SAP-Implementierungen zwar vorangetrieben. Erfolge in einer Größenordnung, die die Anleger befriedigt, haben sich aber nicht eingestellt.

Was erwartet die Mitarbeiter?

Es ist eine Binsenweisheit, dass Fusionen zu Lasten der Belegschaft betrieben werden. Das Ausmaß ist nicht bekannt, alles andere als ein tiefer Einschnitt wäre aber eine Überraschung. Im Servicesektor beschäftigen HP und EDS gemeinsam 210 000 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 38 Millionen Dollar erzielen. Zum Vergleich: 180 000 IBM-Global-Service-Mitarbeiter haben im vergangenen Jahr 54 Milliarden Dollar eingefahren. Big Blues Verhältnisse lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf das neue Konstrukt übertragen, weil IBM sehr viele Berater beschäftigt, die naturgemäß einen höheren Pro-Kopf-Umsatz erzielen. Die Zahlen geben aber Hinweise auf eine mögliche Größenordnung.

Viele Analysten erwarten zudem einen kulturellen Konflikt, nicht zuletzt weil das HP-Management EDS-Chef Ronald Rittenmeyer eine tragende Rolle im Merger eingeräumt hat. "Sein Mandat bei HP verspricht eine der faszinierendsten Fallstudien zu werden", erwartet das "Wall Street Journal". Rittenmeyer gilt als zielstrebige, kontrollierte und an Resultaten interessierte Führungskraft, ist aber Schilderungen zufolge auch ein aggressiver Manager, der seine Untergebenen gerne feuert, wenn sie nicht strammstehen. HP pflegt bekanntermaßen einen einvernehmlichen Führungsstil, wenngleich auch hier Gepflogenheiten einer hierarchischen Organisationsstruktur Einzug gehalten haben.

Wie passen EDS und HP zusammen?

Das Abkommen zielt zunächst einmal auf Skaleneffekte im Infrastrukturbetrieb und weniger auf eine Ausweitung des Portfolios. Trotz großer Überlappungen in den Betriebsdiensten ergänzen beide Anbieter einander aber auch: EDS hat - von Kunden gerne als IBM-Alternative bestellt - weit reichende Erfahrungen im Großrechnerbetrieb. HP komplettiert dies mit Client- und Server-Know-how. Auch in der Branchenausrichtung sprechen Analysten den Partnern gute Kombinationsmöglichkeiten zu.

Gemessen an den Offshoring-Kapazitäten hinken beide Partner der Konkurrenz hinterher. Fraglich ist, wie wichtig dies für ihr Geschäft ist: Günstige Arbeitskräfte in Niedriglohnländern drücken die Kosten in der Anwendungsentwicklung und -betreuung sowie im BPO-Geschäft. In diesen Bereichen sind beide Partner dürftig vertreten. Damit wäre zudem auch die Schwäche des Paares genannt. EDS hat sich zuletzt intensiv um neue Geschäftszweige im BPO, Application-Management und SAP-Umfeld bemüht, steht aber noch am Anfang. Der große Wurf für HP ist EDS in diesen Segmenten nicht.

Welche Auswirkungen hat der Deal auf die Serviceindustrie?

"Der Neid auf IBM hat HP getrieben", titelte wiederum das "Wall Street Journal", das als erstes Medium Wind von dem Deal bekommen hatte. Damit tut es HP-CEO Mark Hurd Unrecht, der sich schon in der Vergangenheit immer wieder des Verdachts erwehren musste, IBM nachzueifern. Die EDS-Akquisition wäre dazu auch kaum geeignet. Stattdessen hätte HP Accenture, Capgemini oder Bearingpoint übernehmen müssen, um die Defizite im Consulting zu beheben. Aus der Übernahme könnte aber ein Schwergewicht im IT-Servicemarkt mit großer Vertriebs- und erheblicher Leistungskraft hervorgehen. Um Infrastruktur-Deals konkurrieren HP und EDS künftig - wenn sie die Fusion erfolgreich betreiben - auf Augenhöhe mit IBM. Gefordert sind nun die indischen Anbieter. Sie haben sich in der Vergangenheit gerne als IBM-Alternative positioniert und müssen sich künftig auch von HP-EDS abgrenzen. Mehr noch als bislang sind sie gefordert, lokale Dependancen in den USA und vor allem in Europa auszubauen. Auch infrastrukturlastigen Dienstleistern wie T-Systems und CSC erwächst starke Konkurrenz. Spannend dürfte die Frage nach HPs Aktivitäten in Deutschland sein. Hier hat das lokale Management den Servicearm im Mittelstandssegment verankert. Einem mächtigen Player vom EDS-HP-Format drohen Akzeptanzprobleme der mittelständischen Klientel.

Welche Auswirkungen hat das Abkommen auf Anwender?

Die aktuellen Kunden müssen zunächst keine Qualitätseinbußen fürchten. Beide Parteien bemühen sich um Kontinuität und haben reichhaltige Erfahrungen mit Integrationen. Doch mit der Übernahme muss sich etwas ändern, ansonsten wären die Anstrengungen zwecklos gewesen. Viele Kunden werden sich langfristig auf neue Ansprechpartner und andere Abläufe einstellen müssen. HP und EDS können künftig besser skalieren. Für Kunden ist das eine gute Nachricht, weil das die Kosten - und damit die Preise - reduziert. Zudem trat Mark Hurd Befürchtungen von EDS-Kunden entgegen, künftig gebe es für sie nur noch HP-Hard- und -Software. Jenseits dieser Beteuerungen wird HP auch unter EDS das Lösungsgeschäft forcieren und Pakete aus Services, Hardware und Software schnüren.

Allerdings gibt es für Anwender künftig eine Alternative weniger, wenn sie Auslagerungsprojekte ausschreiben. "EDS hat in der Vergangenheit viele Deals gewonnen, weil viele Anwender nicht IBM wollten", sagte Peter Allen vom Outsourcing-Beratungshaus TPI. Zudem läuft die EDS-HP-Kombination dem Trend zum selektiven Outsourcing zuwider. Viele Unternehmen verpflichten Spezialisten für einzelne Aufgaben, um sie bei Bedarf austauschen zu können. Das ist mit einem mächtigen Partner kaum mehr machbar. Doch EDS und HP können den Anwendern künftig enorme Leistungskapazitäten für das Cloud-Computing bereitstellen. Möglicherweise sind die Partner ihrer Zeit voraus. "Ist das Vorhaben Teil einer Vision, wie man Anwender künftig Computing-Ressourcen anbieten wird?", fragt Allen gespannt.