Risiken und Nebenwirkungen

HP kauft Palm - die wichtigsten Infos

29.04.2010 von Manfred Bremmer
Dem bereits angezählten PDA-Pionier Palm kommt IT-Riese Hewlett Packard als weißer Ritter zu Hilfe. Wird jetzt alles wieder gut? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Erst 3Com, jetzt dessen frühere Tochter Palm: Hewlett Packard erweist sich allmählich als Auffangstation für (fast) gescheiterte IT-Existenzen. Wir haben die wichtigsten Informationen für Sie zusammengestellt:

Wieviel lässt sich HP Palm kosten?

HP hat sich bereit erklärt, 5,70 Dollar per Palm-Aktie in bar zu bezahlen, das entspricht einem Aufschlag von 27 Prozent gegenüber dem letzten Börsenkurs. Mit einem Kaufpreis von insgesamt 1,2 Milliarden Dollar ist Palm damit nicht unbedingt ein Schnäppchen - selbst wenn HP derzeit über 13 Milliarden Dollar auf der hohen Kante hat. In einigen Wochen und Monaten wäre Palm vermutlich deutlich günstiger gewesen, möglicherweise hätten jedoch andere Interessenten - im Gespräch waren vor allem die chinesischen Firmen Lenovo, ZTE und Huawei - den Zuschlag erhalten.

Palm-Evolution
Palm1000
Der Pilot 1000/5000 besaß die wichtigsten Features des Apple Newton - zu einem deutlich günstigeren Preis.
PalmPilot
Mit ihrer umfangreichen Softwareausstattung waren die PalmPilot-Modelle - für ihre Zeit - revolutionär.
PalmIII
Das Palm III verfügte erstmals über eine Infrarotschnittstelle und stellte zwei Megabyte EDO SD-RAM und zwei MB Flash-ROM zur Verfügung.
PalmV
Der Palm V hatte bereits mit einer Reihe von Mitläufern zu kämpfen. Microsoft und eine Reihe von Palm-Lizenznehmern (etwa Sony mit seiner Clie-Reihe) wollten auf der Erfolgswelle mitreiten.
PalmVII
Der 599 Dollar teure PalmVII, Palms erster PDA mit eingebauter Antenne, floppte.
PalmIIIc
Das erste Farbmodell PalmIIIc riss mit 256 Farben niemanden vom Hocker: Mit Windows CE ausgestattete Konkurrenzmodelle schafften damals bereits 65.000 Farben.
Tungsten und Zire
Mit dem "Tungsten" als Highend-Modell und dem Einstiegsgerät "Zire" wollte Palm(one) jedem Gledbeutel gerecht werden.
Palmphones
Mit dem Treo näherte sich Palm den Vorstellungen der Kundschaft, die eine Kombination aus PDA und Handy mit Quertz-Tastatur gefordert hatte.
Treo 600
Das wegweisende Smartphone Treo 600 entwickelte sich schnell zum Kult-Gadget - zumindest in den USA.
Treo 700w
Das "Treo 700w" war das erste Palm-Gerät, das anstelle von Palms eigenem Betriebssystem mit Windows Mobile ausgestattet war.
Centro
Mit seinem sportlichen Design und dem günstigen Preis sollte das Palm Centro Privatkunden anlocken.
Treo Pro
Das Treo Pro war technisch auf der Höhe der Zeit, mit 550 Dollar jedoch zu teuer.
Palm Pre
Mit dem schicken Slider Palm Pre und einem neu konzipierten Betriebssystem versucht Palm (vergeblich), Marktanteile zurückgewinnen.
Palm Pixi
Das Palm Pixi ist kleiner, leichter, bunter und auch billiger als das Palm Pre.

Was wird aus der Palm-Belegschaft?

HP sieht in den Ingenieuren und Managern von Palm einen wichtigen Faktor für den künftigen Erfolg von WebOS und hat angekündigt, ein umfangreiches Programm zur Bindung der bestehenden Palm-Mitarbeiter starten. Der Wechsel dürften dem Team um Jon Rubinstein wenig Umstände bereiten: HPs Personal Systems Group wird nicht nur vom früheren Palm-CEO Todd Bradley geleitet, das Management außerdem besteht zum großen Teil aus ehemaligen Palm-Managern.

Was verspricht sich HP vom Palm-Kauf?

Solide, aber erfolglos: Der HP iPaQ 914 Business Messenger

Laut HP befindet sich Smartphone-Markt erst in seinen Anfängen und besitzt noch enormes Wachstumspotenzial. Bislang konnte der IT-Riese jedoch nur begrenzt davon profitieren - die mit Compaq übernommene und später stark vernachlässigte Sparte erreichte mit ihren Business-Geräten auf Windows-Mobile-Basis nie nennenswerte Verkaufszahlen. Mit Palm erhält HP nun die Möglichkeit, das kränkelnde Geschäft schnell und relativ kostengünstig wiederzubeleben. Allen wirtschaftlichen Misserfolgen von Palm zum Trotz handelt es sich bei WebOS um ein hochmodernes mobiles Betriebssystem mit viel Potenzial.

Mobility-Analyst Jack Gold spekuliert zudem, dass HP auch Interesse an Palms Patenten in diesem Bereich hat. Wie die jüngsten Streitigkeiten zwischen Playern wie Apple, Nokia, Google oder HTC zeigen, ist intellektuelles Eigentum in diesem Bereich nicht nur äußerst wertvoll, sondern auch eine Waffe gegenüber Wettbewerbern.

Warum nutzt HP nicht einfach Android?

Laut Todd Bradley, Leiter von HPs Personal Systems Group, soll WebOS die Grundlage für eine ganze Reihe von mobilen HP-Geräten einschließlich Tablet-Rechner mit Internet-Zugang bilden. Auf diesen will der Anbieter dem Anwender eine "einmalige" HP-Erfahrung bereitstellen, verbunden mit geplanten Services aus der Cloud.

Was kann Palm unter HPs Fittichen besser machen?

HP hat angekündigt, massiv in die Produktentwicklung zu investieren, bislang standen Palm nach Schätzungen von Analysten für Forschung und Entwicklung gerade einmal rund 180 Millionen Dollar jährlich zur Verfügung. Auch das Marketing-Budget soll aufgestockt werden, HPs gute Kontakte zu Auftragsfertigern (und die gute Kapitaldecke) ermöglicht es zudem, schnell große Stückzahlen zu relativ günstigen Preisen auf den Markt zu bringen. HP wiederum profitiert von Palms - wenn auch eingeschränkten - Kontakten zu Mobilfunkanbietern. Dieser Vertriebskanal wird zunehmend wichtig, da immer mehr Netbooks und andere Geräte mit 3G-Technik ausgestattet sind.

Wo liegen die Risiken?

HP hat nicht gerade den besten Ruf, was die Integration von Firmen anbelangt. Bestes Beispiel ist vermutlich die frühere Netzwerk-Tochter HP ProCurve, die von der Servicesparte lange Zeit nicht wahrgenommen wurde - anstatt "eigener" Switches verkaufte sie bevorzugt Produkte von Cisco und anderer Konkurrenten. Inzwischen scheint HP allerdings aufgewacht zu sein - dies dokumentiert zumindest die relativ schnelle Einbindung von 3Com.

Außerdem ist die auch sichergestellte Zukunft der Plattform nicht automatisch ein Garant dafür, dass sich Entwickler plötzlich für WebOS interessieren. Mit der Anzahl verfügbarer Anwendungen steht und fällt jedoch im Endkundengeschäft die Popularität eines Smartphones - dies musste Palm in der jüngsten Vergangenheit schmerzhaft am eigenen Leibe erfahren.

Wem wird HP-Palm künftig gefährlich?

Warm anziehen dürften sich vor allem Wettbewerber aus dem PC-Geschäft Dell, Lenovo, Asus und Acer, Sie alle haben bereits ein Auge auf den lukrativen, hochmargigen Smartphone-Markt geworfen und erste Produkte herausgebracht. Auch Google und HTC erhalten nun ernstzunehmende Konkurrenz, wenn auch nicht so stark wie der schwächelnde Smartphone-Marktführer Nokia. Apple und Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) dürften dagegen dank ihrer treuen Anhängerschaft und Marktbereichen weniger zu befürchten haben - zunächst zumindest. Längerfristig ist es allerdings durchaus denkbar, dass HP seine Position im Enterprise-Geschäft ausnutzt und WebOS zu einer Alternative zu den klassischen Business-Plattformen Blackberry-OS oder Windows Mobile/Phone (plus iPhone-OS) ausbaut.