Enterprise Content Management

Hagos setzt auf Open Source und Alfresco

18.06.2008 von Sascha Alexander
Dank eines systematischen Vorgehens und schlanker Schnittstellen entstand eine pflegeleichte Lösung für Dokumenten-Management und Archivierung.
Fuhrpark der Hagos eG in Stuttgart. Von hier aus beliefert das Unternehmen 2800 Partner in Deutschland und Österreich.
Foto: Hagos

Open Source ist bei dem Kachelofen- und Luftheizungsspezialisten Hagos eG seit 1998 fester und strategischer Bestandteil der IT. Verbreitet hatte das Konzept ein neuer Mitarbeiter, der frisch von der Uni kam und von Linux begeistert war. Tests bestätigten bald, dass sich Linux gut auf dem Desktop einsetzen ließ und im Vergleich zu Microsoft Windows eine bessere Leistung zeigte. Als Konsequenz wurden in der Folgezeit sämtliche Desktop-Rechner der Mitarbeiter auf Linux und OpenOffice umgestellt. Zudem finden sich als Open Source das "K Desktop Environment" (KDE) und "Opengroupware" als Groupware-Client.

Doch Hagos` Open-Source-Strategie macht nicht beim Desktop halt. Vielmehr basiert heute auch die IT-Infrastruktur - abgesehen von einem selbstentwickelten Warenwirtschaftssystem - weitgehend auf quelloffener Software. Im Rahmen der Neuausrichtung der IT hatte sich Hagos im letzten Jahr entschlossen, seine bisherige Dokumentenverwaltung auf neue Beine zu stellen. Das damalige Papierarchiv war angesichts von 110 000 Eingangsrechnungen pro Jahr in der Finanzbuchhaltung und rund 600 000 Packzetteln in der Warenwirtschaft kaum noch zu verwalten gewesen. Neben den dadurch entstehenden Kosten durch Arbeitszeit und Platzbedarf waren auch die Compliance-Anforderungen aus GDPdU und GoBS Gründe, eine entsprechende Softwarelösung einzusetzen.

Proof of Concept

Allerdings zeigte eine Marktsichtung, bei der trotz der Präferenz für Open Source auch kommerzielle Produkte betrachtet wurden, dass der Wunsch nach einer möglichst einfachen Integration der gesuchten Software für Dokumenten-Management und Archivierung in die bestehende Open-Source-Anwendungslandschaft nicht ohne weiteres zu erfüllen war. Die Wahl fiel schließlich auf das Open-Source-Produkt "Alfresco", das den Anforderungen an die gesuchte Lösung am ehesten zu entsprechen schien. Die Software sollte sich in ein ebenfalls geplantes System für das Input-Management integrieren lassen. Da sich Hagos diesbezüglich für ein Produkt des Anbieters Kofax entschied, standen in der Alfresco-Community bereits die notwendigen Konnektoren und Übergabeskripte für eine Kopplung der beiden Produkte zur Verfügung.

Um dies zu überprüfen, nahm Hagos im Oktober 2007 zusammen mit dem Dienstleister Westernacher Products & Services ein erfolgreiches Proof of Concept (POC) vor. Dabei wurden einige kritische Punkte der geplanten Implementierung überprüft, zu denen die Eingangsrechnungsverarbeitung und Texterkennung der Scan-Lösung zählten. Typische Probleme bei der Behandlung von Auslandsrechnungen und die Verarbeitung von Rechnungen mit Nullbeträgen sowie die Schnittstelle zur Finanzbuchhaltung ließen sich identifizieren und lösen. Weitere Gründe für Alfresco waren die Unterstützung aller gängigen Standards im DMS-Umfeld sowie die Überlegung, die eingesparten Lizenzkosten für externe Berater ausgeben zu können, die unter anderem bei der Anbindung der Warenwirtschaft helfen sollten.

Die Hagos eG

Die Hagos eG beliefert bundesweit 2800 Kunden mit allen Produkten rund um den Kachelofen- und Luftheizungsbau.

Mit einem Umsatz von 100 Millionen Euro und 280 Mitarbeitern in Deutschland und Österreich ist Hagos Marktführer im Bereich Großhandel für handwerklich hergestellte Kachelöfen und Kamine.

Das 1919 gegründete Unternehmen hat seinen Sitz in Stuttgart. An sieben weiteren Standorten erfolgt die Belieferung des Fachhandwerks mit Bauteilen, Materialien und Werkzeugen.

Darüber hinaus nimmt Hagos genossenschaftliche Aufgaben für die rund 1000 Mitgliedsbetriebe wahr.

Sorgfältige Dokumentation

Angesichts der guten Resultate begann im Dezember 2007 das Gesamtprojekt. "Wir arbeiteten zunächst eng mit den Fachabteilungen zusammen, um in einer Reihe von Workshops die fachlichen Anforderungen und Spezifikationen für die spätere Implementierung zu erfassen", erklärt Alexander Gonzalez Casin, Projektleiter bei Hagos.

Gleichzeitig wurden diese Vorgaben umgehend mit dem zuständigen Projektleiter bei Westernacher besprochen, wodurch eine sehr detailgenaue Dokumentation entstand, die im weiteren Projektverlauf nur noch minimal angepasst werden musste. "Die erste Phase des Projekts ist die wichtigste. Wer hier die Anforderungen nicht genauestens dokumentiert und mit den Geschäftprozessen abgleicht, kämpft später mit zahlreichen und umfangreichen Nachjustierungen", warnt Gonzalez Casin.

Projektsteckbrief

Projektart: Implementierung eines Enterprise Content Management Systems mit Anbindung an das bestehende Warenwirtschafts- und Finanzbuchhaltungssystem.

Branche: Kamin- und Kachelofenbauer.

Umfang: 280 Mitarbeiter an elf Standorten.

Ziel: Ablage aller eingehenden Dokumente in einem zentralen System einschließlich einer revisionssicheren Archivierung und Anbindung an bestehende Systeme.

Produkte: Alfresco Enterprise 2.1.1 mit Westernacher ILM Modul und OpenOffice Plugin, IBM DR550, Tivoli Storage Manager, Tivoli Storage Archive Server, Kofax Ascent Capture, Kofax Xtrata Pro, Kofax Xtrata Server.

Produktauswahl und Projektbegleitung: Dreher & Company, Böblingen.

Systemintegration: Westernacher Products & Services AG, Bruchsal.

Zeitrahmen: Proof of Concept im Oktober 2007; Umsetzung: Januar bis April 2008.

Mit Hilfe der Vorgaben definierte das Projektteam Meilensteine für die schrittweise Implementierung der funktionalen Komponenten der Gesamtlösung. Dabei war eine Reihe von Integrationsaufgaben zu erledigen. Neben der Kofax-Lösung, der Finanzbuchhaltung und der Warenwirtschaft betraf dies vor allem die Desktop-Anwendungen sowie eine auf dem IBM-Speichersystem "DR-550" basierende Archivierungslösung.

Dabei zeigte sich, dass sich in der Alfresco-Community zwar diverse Ansätze für eine Anbindung von Open Office finden, doch der Dienstleister Westernacher letztlich zu einer vollständigen Neuentwicklung dieser Komponente riet. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass sich das Plug-in auch künftig kompatibel zur bestehenden Komponente für Microsoft Office halten läßt.

Das Plug-in besteht aus einer sehr schlanken Client-Komponente, die nur die Kommunikation mit den Office-Anwendungen implementiert und alle Funktionen über eine leichtgewichtige REST-Schnittstelle vom Alfresco-Server abruft. Dadurch kann es von künftigen Weiterentwicklungen profitieren, ohne verändert und neu ausgerollt werden zu müssen. Funktionale Erweiterungen erfordern somit kein erneutes Rollout auf den Desktops - ein nicht unwesentlicher Beitrag zur Reduzierung der Folgekosten des Projekts. Das Plug-in wurde mittlerweile der Alfresco-Community zur Verfügung gestellt.

Information Lifecycle Management

Auch bei der Umsetzung der Archivierungslösung entschied sich Hagos für einen zukunftsweisenden Ansatz in Form eines offenen Konzepts für ein umfassendes Information-Lifecycle-Management (ILM). Hierbei wird die bereits bei Hagos vorhandene Storage-Umgebung IBM DR 550 über einen schlanken Konnektor an Alfresco angebunden. Da die Implementierung auf der Basis von Alfresco unabhängig von der eingesetzten Hardware ist, lässt sich Letztere mit geringem Aufwand ersetzen.

Ferner verfügt das ILM-Modul über umfangreiche Konfigurationsoberflächen, mit deren Hilfe Anwender individuelle Archivierungsrichtlinien und Aufbewahrungsfristen für unterschiedliche Akten- und Dokumententypen einstellen beziehungsweise neue Anforderungen und gesetzliche Vorgaben abbilden können. Formatumwandlungen nach Tiff, PDF und PDF/A sind ebenso integriert wie die Ablage aller Metadaten-Informationen im XML-Format. Dies soll eine plattform- und anwendungsneutrale Wiederherstellung der archivierten Daten für die Zukunft sicherstellen.

Best Practices bei Hagos

1. Erstellung eines Proof of Concept;

2. Enge Einbindung der Fachabteilungen bei der Anforderungsdefinition;

3. genaue Anforderungsdokumentation;

4. schrittweise Implementierung und Qualitätssicherung auf der Grundlage eines Milestone-Konzeptes.

Gezielter Budgeteinsatz

Die Lösung von Alfresco ließ sich dank des systematischen Vorgehens und der neuen Schnittstellen im vorgesehenen Zeitrahmen einführen und integrieren. Seit Juni 2008 ist das System bei Hagos im Produktivbetrieb. Und auch kostenseitig ist man laut Guido Eichel, Finanzvorstand der Genossenschaft, zufrieden: "Anstatt unser Budget für Lizenzen auszugeben, konnten wir in die saubere Konzeption, die funktionale Abrundung und die nahtlose Integration der Gesamtlösung in unsere IT-Landschaft zu investieren. Der strategische Einsatz von Open-Source-Software ist für uns daher auch kaufmännisch eine sinnvolle Entscheidung."