ERP auf IBM System i

Geschäftsapplikationen für den klassischen Mittelstands-Server

17.09.2008 von Diego Wyllie
Die System i-Plattform (vormals AS/400) von IBM ist bei deutschen Mittelständlern nach wie vor beliebt. Während manche Softwarehersteller neue Software für den robusten Midrange-Server anbieten, frischen andere ihre bestehenden AS/400-Produkte auf.

Kaum ein anderer Rechner ist wohl so stark zum Synonym eines Mittelstands-Servers geworden wie die AS/400 von IBM und ihre Nachfolgesysteme iSeries und System i. Für die Rechnerlinie sprechen unter anderem das integrierte Datenbank-Management, das ausgereifte Multi-Tasking- und Multi-User-fähige Betriebssystem (i5/OS), hohe Ausfallsicherheit und eine robusten Netzwerkarchitektur.

In diesem Jahr feierte die AS/400 ihren 20. Geburtstag. Ein Blick auf Wikipedia verrät die Geschichte des IBM-Servers. Demnach wurde er am 20. Juni 1988 als gemeinsame Weiterentwicklung der IBM-Systeme "System/36" und "System/38" auf den Markt gebracht. Im Jahr 2000 taufte IBM die AS/400 in "iSeries" um, im Oktober 2003 wurde der Name "iSeries i5" geprägt, und seit 2006 gibt es die Modelle "IBM System i5". Der IBM-Server heißt nun seit 2007 schlicht "System i".

Diesen April hat der IT-Konzern angekündigt, die bis dahin selbstständigen Produktlinien "System i" und "System p" zusammenzuführen. Der Umstieg auf die neue Generation der "Power Systems" sollen laut IBM den System-i-Kunden einen Anreiz schaffen, ihre geschäftskritischen Anwendungen in leistungsfähigere und energieeffizientere Server-Lösungen zu migrieren. Die neue Server-Reihe liefert unter anderem die PowerVM-Virtualisierungstechnik, die es ihnen ermöglicht, bis zu 160 virtuelle Partitionen in einem einzigen System anzulegen. Auf diese Weise sollen Firmen in der Lage sein, ihre Server besser auszulasten. Die System-i-Rechner können gemeinsam mit Windows- und Unix/Linux-Systemen betrieben werden.

Zahlreiche Lösungspakete setzen auf der AS/400 auf. Dazu zählen betriebswirtschaftliche Standardprogramme, die oft bestimmte Branchen abdecken.

Neben den klassischen RPG-basierenden Programmen gibt es Entwicklungen auf der Grundlage moderner Softwaretechniken. Aus diesem Grund hat sich die IBM-Produktlinie beispielsweise für Linux, Java und PHP (vergleiche dazu "Zend rückt PHP näher an IBM-Betriebssystem i5/OS") geöffnet.

Softwarefirmen, die schon lange Produkte für die System-i-Linie bauen, bringen Neuentwicklungen auf den Markt oder frischen bestehende Applikationen auf.

Oxaion: Java-Server für ERP-Prozesse

Mit dem heutigen ERP-Komplettpaket "Oxaion Business Solution", in dem laut Anbieter dreißig Jahre ERP-Erfahrung stecken, adressiert die Oxaion AG aus Ettlingen in erster Linie mittelständische Industriebetriebe und Großhandelsunternehmen. Oxaion stellt eine Weiterentwicklung der ERP-Komplettlösung "Frida" dar. Ende 2002 wurde Frida auf eine neue technische Basis gestellt und in "Oxaion" umbenannt. Seitdem hat der Hersteller das Paket weiterentwickelt.

Während die Client-Server-Software Frida noch über eine Zweischichtarchitektur, also eine Datenbankschicht und eine Client-Schicht, verfügte, wurden im Nachfolger drei verschiedene Schichten implementiert: Eine Datenbankschicht, die mit "Business Components" objektorientiert arbeitet, einen Java-Application-Server und eine Anwender-Sicht.

Der Java-Application-Server ist das Stellwerk innerhalb des Konzepts. Er stellt die Verbindung zwischen den einzelnen Usern und der Verarbeitungslogik her und kann beispielsweise als virtueller Server auf einem System i installiert werden oder auf einem anderen realen Server unter beliebigem Betriebssystem. Die zugrunde liegende Technik nennt der Hersteller "JET" (Java Enterprise Technology). Der Server hat im Wesentlichen drei Funktionen: Die Layout-Darstellung, den Datenaustausch über XML und die Integration von Fremdprogrammen. Diese lassen sich mittels Add-In-Technik in das System einbinden. Im Sinne der "Enterprise Application Integration" (EAI) können aber auch Anwendungen, die XML-fähig sind, über die XML-Datenströme des Java-Application-Servers direkt in Oxaion integriert werden. Das ist beispielsweise bei der System-Anbindung an Internet-Marktplätze vorteilhaft, über die unternehmensübergreifenden Geschäftsprozesse abgewickelt werden können.

Reporting und Projekt-Management

Neben den klassischen ERP-Modulen wie Rechnungswesen, Warenwirtschaft, Vertrieb und Produktionsplanung sowie Add-Ins zu Office-Produkten (Microsoft Office, OpenOffice, StarOffice) bietet Oxaion ergänzende Komponenten an. "Oxaion Control" ist ein Controlling- und Reporting-Tool, mit den Anwender die verschiedenen Unternehmensbereiche analysieren können. Dabei kann auf vorkonfigurierte BI-Komponenten, wie etwa für Basel-II-Rating, Unternehmensplanung oder Balanced-Scorecard zurückgegriffen werden.

Seit etwa 20 Jahren gibt es die AS/400-Plattform.
Foto: IBM

Ein weiteres Modul für das Projekt- und Service-Management erlaugt es, Prozesse rund um die Abwicklung von Unternehmensprojekten zu steuern. Dabei informieren Ampelfunktionen über Ist-Zustände und die implementierten Features zur Vor-, mitlaufenden und Nachkalkulation helfen Unternehmen dabei, sich vor Kostenüberschreitungen zu bewahren. Zudem können Anwender mit dem Modul mehrstufige Workflows definieren. Ferner bietet die Komponente eine Schnittstelle zu Microsoft Project.

Mit der Erweiterung "Oxaion Web" können Firmen ein E-Commerce-System einrichten, das auf die gleiche Datenbasis zurückgreift wie das ERP selbst. Auf diese Weise können Lieferanten, Tochterunternehmen oder der Außendienst an die Applikation angebunden werden.

Allerdings verlässt sich der ERP-Anbieter nicht mehr allein auf die System-i-Plattform. Mit "Oxaion Open" hat die Firma eine Business-Software auf den Markt gebracht, die auf Windows- und Linux-Rechnern installiert und betrieben werden kann.

Semiramis: Web-basierendes ERP-System

Eine weitere Java-basierende Business-Anwendung für den Mittelstand, die sich für den Einsatz auf dem System i eignet, bietet die SoftM Semiramis GmbH und Co. KG aus Hannover mit "Semiramis". Die Firma gehört zur SoftM AG aus München, die schon lange System-i-gestützte Geschäftsapplikationen anbietet. Mittelerweile vermarktet die Firma nun auch Semiramis als Java-gestützte Lösung für den IBM-Rechner.

Semiramis ist ein vergleichsweise junges Produkt. Ein besonderes Merkmal dieser Lösung ist, dass sie auf Web-Technik basiert. Die ERP-Software umfasst eine Reihe von Funktionsblöcken für Vertrieb, Beschaffung, Finanzwesen, Workflow-Management und Business-Intelligence. Ein mitgeliefertes "Software Development Kit" (SDK) dient dazu, den Standardumfang durch eigene Entwicklungen zu erweitern. Auf Grundlage der Standardsoftware bieten Partnerfirmen branchenspezifische Geschäftsapplikationen an.

Als eine Besonderheit bezeichnet der Anbieter die moderne Benutzeroberfläche, die sich leicht bedienen und konfigurieren lassen soll. Laut Hersteller könnten sich Anwender schnell zurechtfinden, so dass sie einerseits die Geschäftssoftware akzeptieren und andererseits keine oder nur wenige Schulungen benötigen.

Partitionierung der Datenbank

Wie beim Oxaion-System entschieden sich die Semiramis-Entwickler ebenfalls für eine Drei-Tier-Architektur, um eine möglichst hohe Skalierbarkeit zu erreichen. Alle drei Schichten können physikalisch verteilt werden. Die Semiramis-Applikationslogik kann entsprechend der Last auf mehreren Rechnern installiert werden, um eine optimale Lastverteilung zu erreichen.

Die Datenhaltung lässt sich logisch partitionieren, was auch auf Datenbankebene Skalierungsmöglichkeiten bieten soll. Die Semiramis-Daten werden auf drei logische Datenbanken verteilt: eine Konfigurationsdatenbank, ein Repository für Entwicklungsobjekte und Metadaten sowie eine Transaktionsdatenbank (Online Transaction Processing, kurz OLTP).

Dass die Semiramis-Software in einer System-i-Umgebung performant läuft, will der Anbieter mit Hifle von Lasttests belegen. Bei 2.500 Concurrent-Users (gleichzeitig im System aktive Nutzer) erfüllte die Anwendung nach Herstellerangaben alle Anforderungen des Standard-Benchmarks mit Antwortzeiten kürzer als zwei Sekunden.

Concentix: Flexibler Client für AS/400-ERP

Die Split-Screen-Funktion soll es dem Anwender gestatten, mehrere ERP-Masken in einer Ansicht darzustellen.

Der System-i-Spezialist Meinikat Informationssysteme GmbH mit Sitz in Hannover adressiert mit seiner Lösung "Concentix" ebenfalls mittelständische Betriebe aus dem Handel und der Fertigungsindustrie. Das Unternehmen bietet neben dieser eigen entwickelten Standardsoftware und verschiedenen Tools individuelle Programmierdienstleistung und Systembetreuung rund ums System i.

Concentix besteht insgesamt aus 23 Modulen für Warenwirtschaft, Produktion, Logistik und Betriebswirtschaft. Anwender können aus dem Angebot die Komponenten auswählen, die sie benötigen.

Zu den weiterführenden Concentix-Features zählen unter anderem ein feldbezogenes Dokumenten-Management, ein CRM-System und ein "Content-Manager". Letzterer dient dazu Listen und Formulare zu erzeugen. Eine Design-Engine erlaubt es Anwendern, die Bildschirmgestaltung nach den eigenen Bedürfnisse auszurichten.

Mit dem überarbeiteten Java-Frontend soll es dem Nutzer leichter fallen, aus Geschäftsdaten am Bildschirm Diagramme zu erzeugen. Über die Split-Screen-Funktion kann der ERP-Anwender verschiedene Bildschirme in einer Ansicht öffnen.

Auf die ERP-Funktionen kann der Anwender auch über mobile Endgeräte wie Notebooks, Handhelds oder PDAs zugreifen. Ein Schnittstellen-Management-System soll es gestatten, Drittsysteme, darunter SAP-Software, an die Lösung anzubinden.

Meinikat bietet die Standardsoftware auch zur Miete an. Als Application-Service-Provider (ASP) stellt das Unternehmen auf Wunsch Hardware-Kapazitäten und seine Unternehmenssoftware in seinem Rechenzentrum so zur Verfügung, dass der Kunde über einen VPN-Tunnel via Internet auf die Applikation zugreifen kann.

i-Effect: Datenintegration und EDI

Eng vernetzte Lieferketten bilden heute die Grundlage, um geografisch verteilte Geschäftspartner durchgängig zu integrieren und Geschäftsprozesse optimal abwickeln zu können. Dabei spielt ein effizienter Datenaustausch zwischen den verschiedenen Partnern entlang der Lieferkette eine zentrale Rolle. Mit der Standardlösung "i-Effect" bietet der System i-Experte Menten GmbH aus Bergisch Gladbach eine zentrale Kommunikationsplattform für den elektronischen Geschäftsverkehr, die solche Prozesse optimieren kann.

Die Server-basierende Software konvertiert System-i-Rohdaten - etwa DB2- oder ERP-Dateien - in verschiedene Zielformate und schickt Geschäftsdokumente auf den passenden Übertragungsweg zu Mitarbeitern und Handelspartnern. Spool-, DB2- und IFS-Dateien können zum Beispiel in PDF und andere PC-Formate übertragen werden. Über Internet-Protokolle (EDIINT AS2, HTTP, FTP, SMTP) oder über die traditionellen Netze X.400 (Telebox) können die Geschäftsdokumente an die entsprechenden Empfänger geschickt werden. Dabei stellt die Anwendung die Dateien komprimiert bereit, um Übertragungszeiten zu reduzieren und Speicher zu sparen, während Verschlüsselung und digitale Signaturen die Daten und den Datentransfer vor unbefugten Zugriff schützen. Das Basis-Modul ist laut Anbieter für 2 100 Euro netto zu haben.

Neben den Standard-Modulen können System-i-Anwender auf weiterführende Funktionen zurückgreifen. Mit Hilfe des "i-Effect Server" lassen sich Abläufe automatisieren. Dabei können etwa Ausgabewarteschlangen überwacht und Spool-Dateien beim Eintreffen neuer Druckausgaben automatisch konvertiert, komprimiert oder per E-Mail verschickt werden.

Mit der Zeitsteuerung werden Aufrufe von i-effect-Funktionen zu bestimmten Zeiten, Wochentagen oder Kalendertagen geplant und innerhalb einer definierten Zeitspanne nach Benutzervorgabe wiederholt ausgeführt.

Des Weiteren bietet Menten zwei Archivierungs-Module an: "Infostore" und "ZIP". Beim Ersten handelt es sich um eine Schnittstelle zum DMS-System der Firma Solitas (siehe dazu "Solitas und Menten bringen integrierte Lösung für EDI und Archivierung auf IBM System i"). Das Modul stellt eine stapelorientierte Anwendung für den Import und die rechtssichere Archivierung beliebiger Dokumente in InfoStore dar und ermöglicht die Ablage von PC-Dokumenten über standardisierte Schnittstellen. Das zweite Modul dient der Komprimierung von Daten in das bekannte ZIP-Format. Der Anbieter verspricht dabei einen Komprimierungsfaktor auf bis zu zehn Prozent des ursprünglichen Datenvolumens. Die dabei erzeugten ZIP-Dateien sind laut Anbieter zu den Applikationen WinZip und GZip kompatibel. (fn)