Standortfrage offen

Fujitsu und Siemens begraben FSC

04.11.2008 von Jan-Bernd Meyer
Siemens wird seinen 50-Prozent-Anteil an dem Joint Venture Fujitsu-Siemens Computers (FSC) an den japanischen Partner Fujitsu abtreten.

Das prominenteste Opfer des Deals von Siemens und Fujitsu ist FSC-Chef Bernd Bischoff. Dieser ist aus "persönlichen Gründen" zurückgetreten. Als Nachfolger fungiert der bisherige Finanzchef Kai Flore. Fujitsu zahlt für den 50-Prozent-Anteil rund 450 Millionen Euro an Siemens. Der Abschluss des Geschäfts ist zum 1. April 2009 geplant. An der Börse notierte die Siemens-Aktie kurz nach Eröffnung mit einem leichten Plus von 0,19 Prozent bei 47,79 Euro. Der Dax lag dagegen mit 0,5 Prozent leicht im Minus. "Wir freuen uns, dass unser Joint-Venture-Partner Fujitsu unsere Beteiligung an Fujitsu Siemens Computers übernimmt", sagte Finanzchef Joe Kaeser am Dienstag in München.

Unklar ist noch, ob FSC, das als 100-prozentige Tochter von Fujitsu geführt werden soll, aufgeteilt wird. Es gibt Informationen, wonach der chinesische PC-Hersteller Lenovo sich die Privatkundensparte des FSC-Geschäfts einverleiben wird. Mit rund 10.500 Beschäftigten weltweit hatte FSC im vergangenen Geschäftsjahr laut "Nikkei" einen Umsatz von 6,6 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Für die FSC-Mitarbeiter geht jetzt das große Zittern los. Rund 6.000 deutsche Angestellte arbeiten in München, im Werk in Augsburg und im thüringischen Sömmerda. Das Werk in Augsburg nimmt dabei insofern eine Sonderstellung ein, als hier nicht nur die Fertigung für Server, Desktops und Großrechner stattfindet, sondern auch Forschung und Entwicklung betrieben wird. Notebooks und Monitore von FSC werden in Asien produziert.

Für die in der schwäbischen Stadt Beschäftigten könnte sich ihre vergleichsweise spezialisierte Tätigkeit als arbeitsplatzsichernd erweisen. Einem Bericht des Magazins "Focus" zufolge will Fujitsu am Augsburger Werk mit rund 2.000 Beschäftigten festhalten. Dennoch erwarten Konzernkenner bei dem Unternehmen mit insgesamt 6.000 Mitarbeitern in Deutschland Einschnitte. Der Fertigungsbetrieb in Sömmerda liegt mit seinen wenn auch auf ostdeutschem Niveau befindlichen Löhnen immer noch deutlich über den Kosten in Osteuropa und Asien. Seine Arbeitsplätze könnten sehr wohl gefährdet sein.

Bernd Bischoff schuld am PC-Niedergang?

Die Demission von Bischoff kommt nicht ganz überraschend. Nicht nur ist bekannt, dass der ehemalige FSC-Chef mit dem Siemens-Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher nie besonders gut konnte. Auch in der Branche ist das Urteil über Bischoff zwiespältig.

Einerseits gibt es Stimmen, die ihm aus seiner Zeit bei Hewlett-Packard große Verdienste für den Aufbau des PC-Geschäfts von HP in Deutschland zubilligen. Der im Februar 1951 geborene Bischoff war 21 Jahre in verschiedenen Positionen bei Hewlett-Packard in Deutschland und Emea tätig, unter anderem als General Manager of Commercial Business and Channels. HP-Insider sagen, dass er HP als PC-Hersteller im Verkaufskanal erfolgreich gemacht habe.

Bernd Bischoff ist als CEO von FSC aus, wie es heißt, persönlichen Gründen zurückgetreten.
Foto: Bernd Bischoff

Einerseits. Andererseits lasten ihm viele den Misserfolg von FSC im PC-Geschäft an. Unter seiner Ägide bei FSC - er trat 2001 in das Unternehmen ein - hat sich der PC-Marktanteil laut Gartner von 18,9 Prozent im Jahr 2005 auf 17 Prozent im Folgejahr und 15,2 Prozent 2007 verringert. Dieser Trend setzte sich in diesem Jahr fort. Laut IDC verlor FSC in allen Produktsegmenten (Desktops, Notebooks) weiter an Boden. Die Stückzahlen gingen - bezogen auf das zweite Quartal 2008 - um 3,2 Prozent zurück. Erstmals verlor FSC die PC-Marktführerschaft in Deutschland. Die Top-Position bekleidet nun HP. Zudem liegen Dell und Acer hierzulande mit FSC fast gleichauf, allerdings mit steigender Tendenz.

Experton-Analyst Andreas Zilch sagte zudem, es sei seit längerem bekannt gewesen, dass weder Fujitsu noch Siemens mit dem Zustand des Joint Ventures besonders glücklich seien. Es gebe nur zwei FSC-Bereiche, die gut liefen: zum einen das BS2000-Geschäft, also die Mainframe-Division, zum anderen die Storage-Abteilung. "Alle anderen Bereiche stehen sehr schwach da."

Als Bischoff Anfang Juli 2009 dann noch die Erwartungen für das Geschäftsjahr 2008/09 dämpfte, dürfte er bei Siemens-Chef Löscher endgültig in Ungnade gefallen sein. Es werde im laufenden Jahr (bis Ende März 2009) sehr schwierig, die Ziele zu erreichen, sagte Bischoff seinerzeit. Bischoff betonte damals, im Geschäft mit Infrastruktur um Server und Speichersysteme für Unternehmenskunden werde ein Plus von fünf Prozent erwartet. Allerdings werde diese Entwicklung das Minus im Endkundenmarkt nicht ganz ausgleichen können. Bereits das Geschäftsjahr 2007/08 war unbefriedigend verlaufen.

Lenovo vor dem Kauf?

Mit dem Übergang der Siemensanteile an Fujitsu ist auch in der Diskussion, FSC vor der Einverleibung als hundertprozentige Fujitsu-Tochter aufzusplitten und das Consumer-Produktsegment zu verkaufen. Fujitsu-Siemens könnte sich nach einer vollständigen Akquisition auf den Vertrieb von Computern für Geschäftskunden beschränken, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo. Laut "Nikkei" soll das Geschäft mit Privatkunden, dass bislang rund 20 Prozent des Umsatzes ausmacht, eingestellt werden. Schon seit langem wird aber auch der chinesische PC-Anbieter Lenovo als Interessent gehandelt. Angeblich, so Informationen aus dem Siemens-Konzern, werde bereits über Personalabbau verhandelt.

Lenovo hatte vor drei Jahren die PC-Sparte von IBM übernommen und liegt nach Gartner-Zahlen im dritten Quartal des Jahres 2008 mit einem Weltmarktanteil von 7,3 Prozent deutlich abgeschlagen hinter den Branchengrößen HP, Dell und Acer.

In Europa sind weder Lenovo noch FSC nach den Zahlen von Gartner für das dritte Quartal 2008 unter den fünf größten PC-Anbietern vertreten.

In Deutschland hat Lenovo laut Gartner im Jahr 2007 im PC-Markt insgesamt (Notebooks und Desktops für den kommerziellen und Privatkundenbereich) einen Marktanteil von 4,6 Prozent. Damit liegt es auf Rang sechs. FSC kommt nach dieser Wertung auf 15,2 Prozent und führte damit 2007 den Markt an. Sollte Lenovo das Privatkundengeschäft von FSC kaufen, dürfte es an den Drittplatzierten Acer (10,7 Prozent) oder gar an HP, die deutsche Nummer zwei im vergangenen Jahr (12,6 Prozent), heranreichen.

Fujitsu mit deutlich reduzierter Prognose

Das Privatkundengeschäft von FSC war schon häufiger als Problemkind aufgefallen. Neue Informationen von Seiten Fujitsus dürften die Verkaufsgerüchte um Lenovo bestärken. Fujitsu hat bekannt gegeben, man werde die Prognose für den Jahresgewinn von 2008 wegen des schwachen Verkaufs von PCs und Festplatten um satte 40 Prozent senken. Bis zum Ende des Geschäftsjahres von Fujitsu (31. März 2009) rechnet das Unternehmen jetzt nur noch mit umgerechnet 508 Millionen Euro Gewinn. Die Japaner hatten bislang gehofft, den Profit mit PCs gegenüber dem Vorjahr zu verdoppeln.

Wieder ein deutscher Computerbauer vor dem Aus

Mit dem Übergang des 50-Prozent-Anteils von Siemens an Fujitsu streicht ein weiterer Computerhersteller hierzulande die Segel. Anfang September 2008 verkündete Maxdata nach einer langen Leidensgeschichte voller Management-Fehlern, dass Fertigungswerk in Würselen bei Aachen zu schließen. Nur noch etwa 100 von 300 Mitarbeitern würden die Fertigung in der Tochterfirma von Maxdata, der Manufacturing and Logistic Services (Manulogs), aufrechterhalten. Der überwiegende restliche Teil der Mitarbeiter ging zum 1. September 2008 in eine Beschäftigungsgesellschaft über.

FSC war im Oktober 1999 von dem japanischen und dem deutschen Konzern als Joint Venture mit Sitz in den Niederlanden gegründet worden. Zuvor hatte Siemens 1990 das deutsche Traditionsunternehmen Nixdorf übernommen, das in der Folge als Siemens-Nixdorf (SNI) firmierte. Der Joint-Venture-Vertrag zwischen Siemens und Fujitsu läuft im September kommenden Jahres aus. (jm)