Horst Westerfeld, Land Hessen

Frischer Wind in der Amtsstube

29.05.2013 von Karin Quack
Horst Westerfeld hat betriebswirtschaftliches Denken in der IT des Landes Hessen verankert - und will nun IT-Services aus der Verwaltungs-Cloud anbieten.

Die sogenannte Halbwertszeit eines CIO in der Privatwirtschaft liegt bei drei bis vier Jahren. In der öffentlichen Verwaltung hat ein CIO vier bis fünf Jahre Zeit, bevor eine neue Regierung gewählt wird und er seinen Schreibtisch womöglich für einen Minister oder Staatssekretär mit andersfarbigem Parteibuch räumen muss. Doch das sollte ihn keineswegs davon abhalten, langfristig - oder wie es neudeutsch heißt: nachhaltig - zu planen.

Platz 8, „CIO des Jahres“, Großunternehmen
Horst Westerfeld, CIO und Staatssekretär des Landes Hessen, hat im IT-Wettbewerb „CIO des Jahres 2012“ den achten Platz in der Kategorie Großunternehmen erreicht.
Herausragend im Zentralisieren.
Westerfeld nutzt die Skaleneffekte, die sich bei 120.000 Mitarbeitern ergeben.
Land Hessen
Größe der Behörde: 120.000 Mitarbeiter<br> Haushalt 30 Milliarden Euro<br> Branche: Public<br> Hauptsitz: Wiesbaden<br> Dienstleistungen: Bildung, Sicherheit, Infrastruktur
Wichtigstes Projekt: HessenPC („Effizienzpotenziale aus und mit der IT in den allgemeinen Verwaltungsprozessen des Konzerns“)
Konsolidierung und Standardisierung der IT-Infrastruktur. Durch das Projekt werden rund 60.000 PC-Arbeitsplätze des Landes in Hardware, Basissoftware und Services wie Asset Management, Lizenzmanagement, Security, Softwareverteilung, DMS und Portal standardisiert (PC-Arbeitsplatz as a Service). <br><br> Zeitrahmen: 2011-2014<br> <br><br> Projektkosten: Fünf Millionen Euro bei einer Einsparung von 14 Mio. Euro.<br> Widerstände: Das Bereinigen von dezentralen, heterogenen Eigenwilligkeiten erzeugt erhebliche Widerstände bei den Geschäftsbereichen.
Westerfelds Team
900 IT-Mitarbeiter sind für Westerfeld tätig, 40 davon haben beim eingereichten Projekt mitgearbeitet.
IT-Kennzahlen und -Ausrichtung
IT-Ausrichtung: (siehe Bild)<br> IT-Budget (allg.): 250 Mio. € bei 60.000 PC-Arbeitsplätzen<br> IT-Benutzer: 60.000
Bei Musik und guten Büchern …
… erholt sich Westerfeld. Oder im Garten. Oder am Herd.

Ein Kulturschock

Horst Westerfeld kennt beide Seiten, die privatwirtschaftliche und die öffentliche. Der CIO des Landes Hessen war zuvor im Siemens-Konzern tätig. Einige mögen einwenden, so groß sei der Unterschied zwischen dem Dax-Unternehmen und einer staatlichen Behörde gar nicht. Aber der erfahrene IT-Manager sieht das anders. Für ihn war der Wechsel ein "Kulturschock", wie er freimütig einräumt.

"In aller Regel besteht in der öffentlichen Verwaltung kein allzu großer Drang, das Potenzial der IT so zu nutzen, wie es wirtschaftlich möglich wäre", sagt Westerfeld. Das Streben nach Effizienz, auf das er bei Siemens getrimmt worden sei, spiele im öffentlichen Bereich keine so große Rolle. Im Gegenteil: Der Automatisierung von Prozessen begegne man gerade auf der mittleren Führungsebene eher mit Skepsis. Außerdem gerieten hartnäckige Verhandlungen um günstige Lieferantenkonditionen schnell in den Verdacht, Compliance-Grundsätze zu verletzen.

CIO des Jahres 2012 - Preisträger Großunternehmen
Mit großer Freude präsentieren wir Ihnen die CIOs des Jahres 2012 in der Kategorie Großunternehmen.
Platz 10: Jochen Schneider, Zürcher Kantonalbank
Jochen Schneider, bis Juni dieses Jahres CIO der Zürcher Kantonalbank, hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den zehnten Platz in der Kategorie Großunternehmen erreicht.
Platz 9: Volker Raupach, Johnson Controls Automotive
Volker Raupach von Johnson Controls Automotive Experience hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den neunten Platz in der Kategorie Großunternehmen und den dritten Platz in der Kategorie "Global Exchange Award" erreicht.
Platz 8: Horst Westerfeld, Land Hessen
Horst Westerfeld vom Land Hessen hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den achten Platz in der Kategorie Großunternehmen erreicht.
Platz 7: Dietmar Schlößer, Deloitte
Dietmar Schlößer, CIO von Deloitte, hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den siebten Platz in der Kategorie Großunternehmen erreicht.
Platz 6: Thomas Schott, Rehau AG
Thomas Schott von REHAU hat beim IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den 6. Platz in der Kategorie "Großunternehmen erreicht.
Platz 5: Christian Mezler-Andelberg, Magna Steyr Fahrzeugtechnik
Christian Mezler Andelberg von Magna Steyr Fahrzeugtechnik hat beim IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" in der Kategorie den 5. Platz erreicht.
Platz 4: Klaus Vitt, Bundesagentur für Arbeit
Klaus Vitt von der Bundesagentur für Arbeit hat im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den vierten Platz in der Kategorie Großunternehmen erreicht.
Platz 3: Michael Kollig, Danone
Mit seinem Innovationsprojekt landete Michael Kollig, CIO für die Region EMEA von Danone, beim "CIO des Jahres 2012" nicht nur auf Rang drei in der Kategorie Großunternehmen, sondern schnappte sich zudem den ersten Platz in der Kategorie "Global Exchange Award". Das ist eine Überraschung: Die Nahrungsmittelindustrie war noch nie mit einem CIO so weit vorne im Ranking vertreten.
Platz 2: Andreas König, ProSiebenSat.1 Media AG
Platz zwei im IT-Wettbewerb „CIO des Jahres 2012“, Kategorie Großunternehmen, erreichte Andreas König von ProSiebenSat.1 Media. So weit nach vorne hat es noch nie ein Vertreter der Medienbranche beim „CIO des Jahres“ geschafft.
Platz 1: Thomas Noth, Talanx AG
Der Sieger des IT-Wettbewerbs "CIO des Jahres 2012" in der Kategorie Großunternehmen heißt Thomas Noth von der Talanx AG. Der Konzern-CIO hat es geschafft, sein Unternehmen von den branchentypischen Eigenentwicklungen hin zu einer Standardsoftware zu bewegen

Aus der internen Cloud

In einem solchen Umfeld betriebswirtschaftlich zu denken, zu planen und zu handeln erfordert Durchsetzungsvermögen. Und das hat Westerfeld nicht zuletzt in seinem Projekt "HessenPC" an den Tag gelegt. Hinter diesem unscheinbaren Namen verbirgt sich eine kleine Revolution: Es geht um die Bereitstellung standardisierter IT-Services für den User-Desktop aus einer "Verwaltungs-Cloud" heraus - für interessierte Behörden in der gesamten Republik.

Um dieses Standard-Servicepaket länderübergreifend einsetzen zu können, ist es laut Westerfeld notwendig, eine "Rechtsform" mit den interessierten Behörden zu gründen. Das soll möglichst noch vor der hessischen Landtagswahl geschehen.

Umdenken vor dem Hausputz

Die Definition eines solchen Standard-Servicepakets wäre nicht möglich gewesen ohne eine umfassende Konsolidierung, Zentralisierung und Harmonisierung der gesamten Infrastruktur. Davon betroffen waren 60.000 PCs und 3000 Server in den hessischen Behörden. Teilweise waren mehr als 50 Mitarbeiter involviert.

Das Großreinemachen wiederum erforderte ein generelles Umdenken: Begriffe wie Business Case, Return on Investment oder professionelles Großprojekt-Management mussten eingeführt beziehungsweise verbessert werden. "Damit machen Sie sich nicht nur Freunde", weiß Westerfeld. Das "Bereinigen der dezentralen Sümpfe" habe bei den Verantwortlichen der Ressorts durchaus Ängste vor dem Verlust von Finanzmitteln und Mitarbeitern erzeugt.

Doch dem hessischen CIO macht es Spaß, frischen Wind durch die Amtsstuben zu blasen. Mit Enthusiasmus hatte er schon das gemeinsame Rechenzentrum mit dem Bundesland Rheinland-Pfalz eingeführt oder die elektronische Rechnung, die seit Beginn dieses Jahres Standard im Land Hessen ist. Weitere - zum Teil noch in Arbeit befindliche - Projekte sind die Umsetzung des Self-Service-Portals für die Mitarbeiter und die elektronische Personalakte.

Die Jury des Wettbewerbs "CIO des Jahres 2012" kürte Westerfeld zu einem der zehn besten IT-Chefs im deutschsprachigen Raum. Ob der heute 62-jährige seine Arbeit über den 22. September hinaus fortsetzt, entscheiden auch die hessischen Wähler. (mhr)