First Look: VideoMeet - Videokonferenz aus der Cloud

14.12.2011
Als einer der weltweit ersten Carrier bietet die Telekom Videokonferenzen als Cloud-basierenden Dienst an - und das plattformübergreifend. Wir haben den "VideoMeet"-Service getestet.

Über die Vorteile moderner Videokonferenzsysteme braucht man nicht mehr viele Worte verlieren. Wer einmal eines der Telepresence-Systeme live erlebt hat, kennt das Potenzial der Plattformen und weiß die Zeitersparnis zu schätzen. Der Wunsch, die Systeme häufiger und flexibler zu nutzen, wurde in der Praxis allerdings schnell gebremst. Entweder fehlten die Multipoint-Features, um Teilnehmer in größerer Zahl zur virtuellen Konferenz einzuladen, oder der Partner hatte ein anderes Conferencing-System, das zum eigenen nicht kompatibel war. Und last, but not least konnte die Konferenz noch an den Carriern scheitern, wenn Übergabepunkte zwischen den einzelnen Netzen fehlten.

Video-Inseln verbinden

Letztlich bestand die Welt der professionellen Videokonferenzsysteme aus Insellösungen, und so mancher schielte in Sachen Connectivity neidisch auf Internet-Services wie Skype oder Google Talk, die einfache Videokonferenzen per Mausklick ermöglichen. Genau diese Probleme will die Telekom jetzt mit ihrem Cloud-Dienst "VideoMeet" lösen. "Mit VideoMeet haben wir den weltweit ersten Dienst vorgestellt, der unterschiedliche Videosysteme miteinander verbindet", verspricht Rainer Deutschmann, Senior Vice President Core Telco Products bei der Deutschen Telekom. Zudem, so Deutschmann weiter, sei das Aufsetzen einer Videokonferenz mit VideoMeet so einfach wie bei einer Telefonkonferenz.

Ein Versprechen, das wir in der Praxis überprüfen wollten, zumal die Telekom allen Interessenten unter www.videomeet.de einen kostenlosen 30-tägigen Test-Account offeriert. Hierzu ist lediglich eine Registrierung mit den persönlichen Kontaktdaten auf der Website erforderlich sowie die Anlage von Nickname und Kennwort - Telekom-Kunde muss der Tester nicht sein. Das Portal der Website ist später das zentrale Kontrollpult, um Videokonferenzen zu starten und zu steuern. Dazu findet der Anwender auf der Web-Seite im Wesentlichen drei Elemente: den Button "Testanruf", die "Sofortkonferenz" sowie "Geplante Konferenzen".

Einrichtung

Auch wenn das Ganze eigentlich fast intui-tiv funktioniert, stellt die Telekom online ausführliche Hilfsdokumente bereit. Diese bringen Neulinge bei der Bedienung der Konferenzplattform oder bei der Einwahl in eine Konferenz durchaus weiter. Support für ein nicht richtig funktionierendes Videosystem sucht der Anwender hier jedoch vergeblich, ein arbeitsfähiges System wird vorausgesetzt. Die Funktion des eigenen Equipments kann mit einem Testanruf überprüft werden, bei dem ein virtueller Papagei als Video-Chatpartner fungiert.

Apropos Videosysteme - grundsätzlich unterstützt VideoMeet sowohl Unternehmenssysteme, wie sie etwa von Cisco/Tandberg, Polycom oder Lifesize geliefert werden, als auch Massenmarkt-Lösungen wie Skype oder Google Video-Chat. Damit ist VideoMeet beispielsweise in der Lage, eine Brücke zwischen den Telepresence-Systemen und einem Videoclient auf dem Smartphone oder Tablet zu schlagen. Die Anpassungen an die unterschiedlichen Video-Codecs und Bandbreiten übernimmt dabei die VideoMeet-Plattform. Hierzu werden derzeit die Protokolle von Skype, XMPP, sowie H.323 unterstützt sowie PSTN- und IP-Verbindungen. Einen Support von SIP, TiP sowie TV- und in Fahrzeugen integrierten Systemen zieht die Telekom in Erwägung.

Konferenz planen

Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann eine Videokonferenz mit wenigen Mausklicks initiiert werden. Der Konferenz-Host hat dabei die Wahl zwischen der Einladung zu einer Sofortkonferenz oder einer geplanten Konferenz. Bei einer geplanten Konferenz versendet das System an alle ausgewählten Teilnehmer automatisch eine E-Mail, die für Notes oder Exchange gleichzeitig die entsprechenden Kalendereinträge beinhaltet. Zudem enthält die Einladung eine Erklärung, wie sich der Teilnehmer dann per Skype, Teleconferencing-System (H-323), Google Video-Chat oder Telefon in die Konferenz einklinken kann. Ist das entsprechende System - egal ob Telepresence, PC, Tablet oder Smartphone - sauber konfiguriert, muss der User lediglich den zu seinem Videosystem passenden Link in der Mail anklicken, und die Videoverbindung wird aufgebaut. Die Authentifizierung erfolgt dann mit der in der Mail ebenfalls aufgeführten Konferenz-ID sowie dem dazugehörenden PIN-Code.

Eine Vorgehensweise, die bei unseren Tests in der Regel funktionierte. Lediglich ein Hewlett-Packard-Touchpad mit WebOS bereitete Ärger. Da hier Skype nicht transparent implementiert, sondern mit der Kontakte-App des WebOS verwoben ist, funktionierten die Links der E-Mail nicht. Bei allen anderen Geräten mit einer transparenten Implementierung der jeweiligen Videokonferenz-Software hatten wir keine Schwierigkeiten - egal ob Windows-PC, Android, iPhone oder iPad. Probleme bereitete höchstens die Ungeduld der Anwender. Weil der Aufbau der Konferenzverbindung doch einige Sekunden dauert, dachten die Testpersonen häufig, das System sei gescheitert, und wollten ihm mit eigenen Eingaben auf die Sprünge helfen. Das brachte die Software erst recht außer Tritt. Ein Moderator sollte Neulinge, die zum ersten Mal an einer VideoMeet-Session teilnehmen, unbedingt darauf hinweisen, sich an die Beschreibung in der Einladungs-Mail zu halten.

Die Praxis

Klappte die Einladung und der anschließende Konferenzaufbau unter dem Strich problemlos, so lässt sich das vom Konferenzverlauf selbst nicht sagen. Wir hatten bei einer Konferenzschaltung mit vier Teilnehmern mit Videoabbrüchen eines Gesprächspartners zu kämpfen sowie mit teilweise sehr pixeligen Bildern, die weniger ins HD-Zeitalter passen, sondern eher nostalgische Erinnerungen an die Zeit hervorrufen, als die Bilder laufen lernten. Allerdings ist die Schuld dafür kaum bei der VideoMeet-Plattform zu suchen. Sie war lediglich für die Videoabbrüche des einen Teilnehmers verantwortlich, denn das System schaltet bei zu niedriger Bandbreite automatisch den Videostream ab und hält nur noch die Audioverbindung aufrecht. Dass etwas im Argen liegt, sieht der Moderator im Web-Portal, wenn die Verbindungsqualität in Rot angezeigt wird und neben dem Teilnehmer ein Warndreieck erscheint. Den fehlenden Videostream symbolisiert dann eine durchgestrichene Kamera.

Als Fehlerquelle für unsere schlechte Bildqualität entpuppten sich die Client-Systeme selbst. Meist waren sie nur schnell aufgesetzt und auf ihre Funktionalität getestet worden, ohne einem Feintuning hinsichtlich Videokamera und KonferenzClient unterzogen zu werden. Hier verbirgt sich Potenzial zur Bildverbesserung, wenn die entsprechenden Parameter korrekt eingestellt werden. Und dies sollte am besten vor einer Konferenzschaltung erfolgen, denn nichts nervte bei unseren Versuchen mehr als Teilnehmer, die während der Konferenz mit der Anpassung ihrer Software an die Übertragungsgeschwindigkeit beschäftigt waren.

Fallstricke

Im Vorfeld sollte auch die Leistungsfähigkeit der Videokonferenz-Clients genauer unter die Lupe genommen werden. Gerade manche "kostenlose" Software ist hier für Überraschungen gut und schockiert mit einer Pixel-Show, wenn sie plötzlich mit Videokonferenz-Raumsystemen verbunden wird. So unterstützte etwa unsere verwendete Client-Software "Clearsea" von Logitech/Lifesize in der kostenlosen Variante nur eine Videoauflösung von 352 mal 288 Pixel bei einer Übertragungsbandbreite von 384 Kbit/s. Die beworbene HD-Qualität blieb dagegen der Professional-Variante vorbehalten, die fast 40 Dollar pro Monat kostet.

Bei VideoMeet selbst haben wir eine dynamische Anpassung der Videoqualität an die zur Verfügung stehende Bandbreite vermisst. Hier sollten die Telekom und ihr Partner Blue Jeans Network - der eigentliche Entwickler der VideoMeet-Plattform - eventuell nachbessern. Derzeit passt das Sys-tem die Videostreams nur statisch an, um etwa die Verbindung von Skype zu einem Telepresence-System zu erlauben.

Fazit

Angesichts unserer Erfahrungen können wir nicht bestätigen, dass die Telekom ihren Anspruch, "Videokonferenzen so einfach zu gestalten wie das Telefonieren", ganz erfüllt hat. Dennoch ist VideoMeet derzeit eine empfehlenswerte Lösung, denn sie ermöglicht den Anwendern, ad hoc unterschiedliche Konferenzsysteme zusammenzuschalten, ohne dass sie vorher in Multipoint Control Units (MCUs) und anderes Equipment investieren müssen. Vor diesem Hintergrund relativiert sich auch der auf den ersten Blick hohe Verbindungspreis von 60 Cent pro Minute und Teilnehmer in der Tarifvariante "by Call". So würde etwa eine einstündige Videokonferenz zwischen zwei Teilnehmern 72 Euro kosten - was immer noch günstiger ist, als von München etwa nach Frankfurt zu reisen, von der eingesparten Zeit ganz zu schweigen.

von Jürgen Hill

Vorteile/Nachteile

+ Cloud-Service, on Demand buchbar;

+ keine festen Kosten, by Call;

+ Interoperabilität;

+ kein Investment in Hard- und Software erforderlich;

+ einfach zu bedienen:

- Keine Anpassung der Bildqualität an Geschwindigkeitsschwankungen;

- Bildqualität hängt vom Internet ab;

- hohe Gebühren.

Unterstützte Systeme

- H.323- Raumsysteme etwa von Cisco, Polycom, Lifesize oder Sony;

- H.323-Mobile, Tablets und Smartphones;

- XMPP, Google Video-Chat;

- Skype, Notebooks, Tablets, Smartphones;

- IP- und klassische Telefonie, nur Sprache.

Geplant:

- TV-Videokonferenzsysteme;

- Telepresence mit TiP (Cisco/Tandberg);

- Fahrzeugsysteme.