Videokonferenz aus der Cloud

First Look - Telekom VideoMeet

28.12.2011 von Jürgen Hill
Als einer der weltweit ersten Carrier bietet die Telekom Videokonferenzen als Cloud-Dienst an. Wir haben den VideoMeet-Service getestet.

Über die Vorteile moderner Videokonferenzsystem braucht man nicht mehr viele Worte verlieren. Wer einmal eines der Telepresence-Systeme live erlebt hat, kennt das Potenzial der Plattformen und weiß die Zeitersparnis zu schätzen. Der Wunsch die Systeme häufiger und flexibler zu nutzen, wurde in der Praxis allerdings schnell gebremst. Entweder es fehlten die Multipoint-Features um eine größere Teilnehmerzahl zur virtuellen Konferenz einzuladen, oder der Partner hatte ein anderes Conferencing-System, das zum eigenen nicht kompatibel war. Und last but not least konnte die Konferenz noch den Carriern scheitern, wenn Übergabepunkte zwischen den einzelnen Netzen fehlten.

Letztlich bestand die Welt der professionellen Videokonferenzsysteme aus Insellösungen und so mancher schielte schaute in Sachen Connectivity neidisch auf Internet-Services wie Skype oder GoogleTalk, die einfache Videokonferenzen per Mausklick versprachen. Genau diese Probleme will die Telekom jetzt mit ihrem Cloud-Dienst "VideoMeet" lösen. "Mit VideoMeet haben wir den weltweit ersten Dienst vorgestellt, der unterschiedliche Videosysteme miteinander verbindet", verspricht Rainer Deutschmann, Senior Vice President Core Telco Products bei der Deutschen Telekom. Zudem, so Deutschmann weiter, sei das Aufsetzen einer Videokonferenz mit VideoMeet so einfach wie bei einer Telefonkonferenz.

Einen ersten schnellen Überblick über die Funktionen von VideoMeet bietet unsere Bilderstrecke:

VideoMeet
Brückenschlag
Mit VideoMeet schlägt die Telekom die Brücke zwischen unterschiedlichen Video-Konferenz-Plattformen.
Aus der Cloud
Per Web-Browser greift der Anwender auf die Video-Plattform zu.
Hilfe
Bei der Einrichtung helfen dem Anwender online hinterlegte Anleitungen weiter.
Testanruf
Beim ersten Testanruf dient ein virtueller Papagei als Konferenzpartner.
Konferenz organisieren
Im Web-Portal kann der User Konferenz-Teilnehmer mit wenigen Maus-Klicks einladen.
Einladung
Komfortabel: VideoMeet verschickt an die Teilnehmer automatisch eine Konferenz-Einladung mit Kalender-Eintrag und Anleitung.
Verbinden
Über das Portal kann der Benutzer auswählen, wie er der Konferenz beitritt.
Konferenz starten
Hält sich der Anwender an die Anweisungen der Konferenz-Plattform, dann ist Aufbau einer Videokonferenz ein Kinderspiel.
Layout wählen
Der Moderator bestimmt über das Web-Portal das Erscheinungsbild der Videokonferenz.
Aktuelle Konferenz
Über die Web-Oberfläche erhält der Moderator zudem Informationen über die Verbindungs-Qualität.
Skype als Client
Die Konferenz-Teilnehmer können auch Software-Clients wie Skype oder Clearsea verwenden.
Praxis 1
Während der Konferenz erscheint der Sprecher in groß, während die anderen Teilnehmer klein eingeblendet werden.
Praxis 2
Ein gelbes Ausrufezeichen neben einem Teilnehmernamen warnt vor einer schlechten Verbindung.
Praxis 3
Sinkt die Übertragungsqualität gibt es bei VideoMeet Pixelsalat, da die Plattform über keine dynamische Bandbreitanpassung verfügt.
VideoMeet-Preise
Zu teuer? Auf den ersten Blick erscheinen 60 Cent pro Minute und Teilnehmer im Tarif by Call alles andere als günstig - allerdings ist zu bedenken, dass der Anwender hier keinen langfristigen Vertrag eingeht. Ferner spart er die Kosten für teure Video-Hardware.

Ein Versprechen das wir in der Praxis konkret überprüfen wollten, zumal die Telekom allen Interessenten unter www.videomeet.de einen kostenlosen 30tägigen Test-Account offeriert. Hierzu ist lediglich eine Registrierung mit den persönlichen Kontaktdaten auf der Website erforderlich sowie die Anlage von Nickname und Kennwort - Telekom-Kunde muss der Tester nicht sein. Das Portal der Website ist später das zentrale Kontrollpult, um Videokonferenzen zu starten und zu steuern. Dazu findet der User auf der Web-Seite im Wesentlichen drei Elemente: den Button "Testanruf", die "Sofortkonferenz" sowie die "Geplante Konferenzen".

Einrichtung

Bei der Einrichtung helfen dem Anwender online hinterlegte Anleitungen weiter.

Auch wenn das Ganze eigentlich fast intuitiv funktioniert, stellt die Telekom Online ausführliche Hilfsdokumente bereit. Diese helfen gerade Neulingen bei der Bedienung der Konferenzplattform oder bei der Einwahl in eine Konferenz weiter. Support bei einem nicht richtig funktionierenden Videosystem sucht der Anwender hier jedoch vergeblich, dies wird vorausgesetzt. Die Funktion des eigenen Equipments kann mit einem Testanruf überprüft werden, bei dem ein virtueller Papagei als Video-Chatpartner fungiert.

Apropos Videosysteme - grundsätzlich unterstützt VideoMeet sowohl Unternehmenssysteme wie sie etwa von Cisco/Tandberg, Polycom oder Lifesize geliefert werden als auch Massenmarkt Lösungen wie Skype oder Google Video Chat. Damit ist VideoMeet beispielsweise in der Lage eine Brücke zwischen den TelePresence-Systemen und einem Videoclient auf dem Smartphone oder Tablet zu schlagen. Die Anpassungen an die unterschiedlichen Video-Codecs und Bandbreiten übernimmt dabei die VideoMeet-Plattform. Hierzu werden derzeit die Protokolle von Skype, XMPP, sowie H.323 unterstützt sowie PSTN- und IP-Verbindungen. Ein Support von SIP, TiP sowie TV- und in Fahrzeugen integrierten Systemen ist angedacht.

Video-Meet: Konferenz planen

Komfortabel: VideoMeet verschickt an die Teilnehmer automatisch eine Konferenz-Einladung mit Kalender-Eintrag und Anleitung.

Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann eine Videokonferenz mit wenigen Mausklicken initiiert werden. Der Konferenz-Host hat dabei die Wahl zwischen der Einladung zu einer Sofortkonferenz oder einer geplanten Konferenz. Bei einer geplanten Konferenz versendet das System an alle ausgewählten Teilnehmer automatisch eine E-Mail, die für Notes oder Exchange gleichzeitig die entsprechenden Kalendereinträge beinhaltet. Zudem enthält die Einladung gleichzeitig eine Erklärung, wie sich der Teilnehmer dann per Skype, Teleconferencing-System (H-323), Google Video Chat oder Telefon in die Konferenz einklinken kann. Ist das entsprechende System - egal ob Telepresence, PC, Tablet oder Smartphone, sauber konfiguriert - so muss der User lediglich den zu seinem Videosystem passenden Link in der Mail anklicken und die Videoverbindung wird aufgebaut. Die Authentifizierung erfolgt dann mit der in der Mail ebenfalls aufgeführten Konferenz-ID sowie dem dazugehörenden PIN-Code.

Eine Vorgehensweise die unseren Tests in der Regel funktionierte. Lediglich ein HP Touchpad mit WebOS bereitete Ärger. Da hier Skype nicht transparent implementiert ist, sondern mit der Kontakte-App des WebOS verwoben ist, funktionierten die Links der E-Mail nicht. Bei allen anderen Geräten mit einer transparenten Implementierung der jeweiligen Videokonferenz-Software hatten wir keine Schwierigkeiten - egal ob Windows-PC, Android, iPhone oder iPad. Probleme bereitete höchstens die Ungeduld der Anwender. Weil der Aufbau der Konferenzverbindung doch einige Sekunden dauert, dachten die Testpersonen häufig, das System sei gescheitert und wollten ihm mit eigenen Eingaben auf die Sprünge helfen. Ein Verhalten, das die Software erst recht außer Tritt brachte. Deshalb sollte ein Moderator Neulinge, die zum ersten Mal an einer VideoMeet-Session teilnehmen, unbedingt darauf hinweisen, sich sklavisch an die Beschreibung in der Einladungs-Mail zu halten.

VideoMeet: Die Praxis

Ein gelbes Ausrufezeichen neben einem Teilnehmernamen warnt vor einer schlechten Verbindung.

Klappte die Einladung und der anschließende Konferenzaufbau unter dem Strich problemlos, so lässt sich das vom Konferenzverlauf selbst nicht sagen. Wir hatten bei einer Konferenzschaltung mit vier Teilnehmern mit Videoabbrüchen eines Gesprächspartners zu kämpfen sowie mit teilweise sehr pixeligen Bildern, die weniger ins HD-Zeitalter passen, sondern eher nostalgische Erinnerungen an die Zeit als die Bilder lauf lernten hervorrufen. Allerdings ist die Schuld hieran kaum bei der VideoMeet-Plattform zu suchen. Sie war lediglich für die Videoabbrüche des einen Teilnehmers verantwortlich, denn das System schaltet bei zu niedriger Bandbreite automatisch den Videostream ab und hält nur noch die Audio-Verbindung aufrecht. Dass etwas im Argen ist sieht der Moderator im Webportal, wenn die Vebindungsqualität in Rot abgezeigt wird und neben dem Teilnehmernamen ein Warndreieck erscheint. Den fehlenden Videostream symbolisiert dann eine durchstrichene Kamera.

Als Fehlerquelle für unsere schlechte Bildqualität entpuppten sich die Client-Systeme selbst. Meist waren sie nur schnelle aufgesetzt und auf ihre Funktionalität getestet worden, aber keinem Feintuning hinsichtlich Videokamera und Konferenzclient. Hier liegt eine Menge Potenzial zur Bildverbesserung im Verborgenen, wenn die entsprechenden Parameter korrekt eingestellt werden. Und dies sollte am besten vor einer Videokonferenzschaltung erfolgen, denn nichts nervte bei unseren Versuchen mehr als Teilnehmer, die während der Konferenz mit der Anpassung ihrer Software an die derzeitige Übertragungsgeschwindigkeit beschäftigt waren.

VideoMeet: Die Fallstricke

Die Konferenz-Teilnehmer können auch Software-Clients wie Skype oder Clearsea verwenden.

Im Vorfeld sollte auch die Leistungsfähigkeit der Videokonferenz-Clients genauer unter die Lupe genommen werden. Gerade manche "kostenlose" Software ist hier für Überraschungen gut und schockiert mit einer Pixel-Show, wenn sie plötzlich mit Videokonferenz-Raumsystemen verbunden wird. So unterstützte etwa unsere verwendete Clientsoftware Clearsea von Logitech/LifeSize in der kostenlosen Variante nur eine Videoauflösung von 352 x 288 Pixel bei einer Übertragungsbandbreite von 384 Kbit/s. Die beworbene HD-Qualität blieb dagegen der Professional-Variante vorbehalten, die fast 40 Dollar pro Monat kostet.

Vermisst haben wir jedoch eine dynamische Anpassung der Videoqualität an die zur Verfügung stehende Bandbreite. Hier sollten die Telekom und ihre Partner Bluejeans Network - der eigentliche Entwickler der VideoMeet-Plattform - eventuelle nachbessern. Derzeit nimmt das System eine Anpassung der Videostreams nur statisch vor, um etwa die Verbindung von Skype zu einem TelePresence-System zu erlauben.

VideoMeet: Fazit

Zu teuer? Auf den ersten Blick erscheinen 60 Cent pro Minute und Teilnehmer im Tarif by Call alles andere als günstig - allerdings ist zu bedenken, dass der Anwender hier keinen langfristigen Vertrag eingeht. Ferner spart er die Kosten für teure Video-Hardware.
Foto: Deutsche Telekom

Angesichts unserer praktischen Erfahrungen, würden wir den Telekom-Anspruch "Videokonferenzen so einfach zu gestalten wie das Telefonieren", nicht unterschreiben. Dennoch ist VideoMeet derzeit eine empfehlenswerte Lösung, denn sie ermöglicht den Anwendern adhoc unterschiedliche Konferenzsysteme zusammenzuschalten, ohne dass sie vorher in MCUs und anderes Equipment investieren müssen. Vor diesem Hintergrund relativiert sich auch der auf den ersten Blick hohe Verbindungspreis von 60 Cent pro Minute und Teilnehmer in der Tarifvariante "by call". So würde etwa eine einstündige Videokonferenz zwischen zwei Teilnehmern 72 Euro kosten - was immer noch günstiger ist als von München etwa nach Frankfurt zu reisen, von der eingesparten Zeit ganz zu schweigen. (hi)