EMC stellt erste "Widesky"-Produkte vor

20.03.2002
EMC macht Ernst mit seiner Storage-Middleware - auch wenn die Hardware noch gar nicht mitspielt. Die Konkurrenz soll kooperieren, andernfalls wird sie zwangsvereinnahmt.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - EMC kündigt heute seine neue "Widesky Developers Suite" und insbesondere die sofortige Verfügbarkeit der "SRM"-Schnittstelle (Storage Resource Management) an. Widesky, Ende Oktober letzten Jahres erstmals angekündigt, soll eine herstellerunabhängige beziehungsweise -übergreifende Middleware zur Verwaltung von Unternehmensspeichern bereit stellen (Computerwoche online berichtete). Allerdings hat die Initiative zwei Haken: Der Wettbewerb beäugt sie mit Misstrauen, und die gegenwärtige Hardware unterstützt sie teilweise (noch) nicht.

Mit den jetzt veröffentlichten Tools können Third-Party-Entwickler auf die Middleware zugreifen. Diese wiederum dient gleichsam als Übersetzer, über den Storage- und Anwendungssoftware Informationen untereinander und mit der Speicherhardware austauschen können. Sein Entwicklerprogramm bezeichnet EMC ganz unbescheiden als "größte Open-Software-Initiative der Speicherindustrie"; mehr als 100 Mitglieder seien bereits mit im Boot. Dazu zählen namhafte Player wie BMC, Brocade, CA, Legato, McData, Microsoft, Novell, Oracle, Qlogic, Quest, SAP, SAS sowie Sybase.

Widesky SRM unterstützt gängige Datenbanken (DB2/UDB, DB2 auf OS/390, IBM Informix Dynamic Server (IDS), SQL Server, Oracle, Sybase ASE), Dateisysteme (Tru64 und AdvFS von Compaq, HP-UX HFS und JFS, AIX JFS (2), OS/390 Datasets, Linux ext2, NTFS, Solaris UFS, Veritas VxFS für HP-UX und Solaris) und Volume Manager (Tru64 LSM, HP-UX LVM, AIX LVM, Disk Administrator for NT, LDM (Pro) für Windows 2000, IBM/Sequent ptx SVM, Sun Solstice Disk Suite, Veritas VxVM für HP-UX und Solaris). "Mapping ist eine Komponente einer SRM-Lösung", erklärte Rob Soderby, Veritas' Senior Director of Strategic and Platform Alliances. "Veritas hat das EMC seit einiger Zeit über unseren Volume-Manager- und Filesystem-APIs zur Verfügung gestellt." Diese Veritas APIs seien durch EMC auch Dritten bereit gestellt worden, so Soderby weiter.

Don Swatlik: "Wir verhandeln mit allen großen Hardware-Anbietern."

Allerdings mangelt es noch an der Hardware-Unterstützung, mittels derer Speichersoftware wirklich in die Lage versetzt würde, heterogene Storage-Umgebungen zu verwalten. Der Markt war bisher doch eher proprietär angelegt, und die Highend-Rivalen HDS (Hitachi Data Systems) und IBM liefern seit einiger Zeit echte Konkurrenzprodukte zu EMCs eigenen Arrays. Angesichts dieser "Veralltäglichung" seiner Kernprodukte strebt das Unternehmen aus Hopkinton im US-Bundesstaat Massachusetts nun verstärkt in den hochmargigen Softwarebereich.

Was Widesky angeht, gibt EMC selbst unumwunden zu, dass damit im Wesentlichen bereits seit einiger Zeit vorhandene Schnittstellen unter einer Dachmarke zusammengeführt werden. Diese Interfaces gestatten laut "Computerwire" das "Mapping" oder Überwachen und Übertragen von Systeminformationen, aber keine aktive Kontrolle von Anwendungen. "Teile davon waren in der Vergangenheit schon erhältlich", erläutert Don Swatik, Vice President Global Alliances. "Wir stellen die Low-level-APIs bereit, damit sich die Softwarehäuser auf die Anwendungsentwicklung konzentrieren können."

EMC vergleicht Widesky mit dem Übersetzungsdienst der Vereinten Nationen. Für Entwickler sei es einfacher, für ein Widesky-Interface zu schreiben und der Middleware anschließend die Übersetzung für die Systeme anderer Hersteller zu überlassen, als für jedes der Systeme separat entwickeln zu müssen. Und genau hier liegt aus Sicht der Wettbewerber das Problem: Widesky könnte genauso in ihrem (oder besser: gegen ihr) Interesse sein wie ein Übersetzer mit persönlicher Agenda für die Weltpolitik in der UN. Und zwar selbst dann, wenn das EMC-Produkt nur unbewusst voreingenommen gegenüber den hauseigenen Engineering-Ansätzen wäre.

Hardwareseitig hat EMC bereits kurz nach der ersten Widesky-Ankündigung mit Compaq einen Austausch der jeweiligen APIs für die Controller-Software der Storage-Arrays beider Hersteller vereinbart. Die Texaner erklärten aber bereits seinerzeit, der Schnittstellentausch bedeute keinesfalls Unterstützung für das "proprietäre und kontraproduktive" Widesky (Computerwoche online berichtete). Vergleichbare Deals mit IBM oder HDS stehen ohnehin noch aus. Swatik erklärte, EMC stehe in Verhandlungen mit "allen großen Anbietern", weitere Ankündigungen sollen noch in diesem Jahr folgen.

Bei IBM weiß man von solchen Gesprächen allerdings nichts. "Es gibt keine aktiven Verhandlungen mit EMC", erklärte ein Sprecher des Konzerns gegenüber "Computerwire". IBM hatte nach der Widesky-Ankündigung das Produkt mehrfach als proprietär bezeichnet; es werde EMC nutzen und nicht der Industrie. Derartige Middleware-Bemühungen sind aus Sicht von, Big Blue bei Standard-Gremien am besten aufgehoben. Zum Stand der Verhandlungen mit HDS haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart. "Kein Kommentar" hieß es vom dritten großen Highend-Anbieter.

Was also macht EMC so sicher, dass die Branche Widesky wirklich unterstützt? "Eine einfache Einwort-Antwort: Kunden", erklärte Swatik. Der Druck des Marktes werde IBM und HDS dazu bewegen, was Compaq bereits getan habe, nämlich mit EMC zu kooperieren. In den 80er und 90er Jahren hätten IBM und Sun ihre angestammten Speichermärkte schließlich zunächst auch vehement gegen den Neuling EMC zu verteidigen versucht. "Inzwischen arbeiten wir auf breiter Front zusammen", behauptet Swatik. Und wollten die Konkurrenten ihre Schnittstellen nicht herausrücken, dann hat EMC bereits zuvor angekündigt, es werde dann einfach auf CLI- oder NDMP-Schnittstellen ausweichen, was beim Zugriff auf die Technik der Konkurrenz lediglich eine Verzögerung bedeuten würde. (tc)