Bill Gates reicht ein Präsident nicht mehr aus

Dreiköpfiges Führungsgremium hat nun bei Microsoft das Sagen

14.02.1992

REDMOND/WASHINGTON (CW) - Mit einer neuen personellen Organisationsstruktur will die Microsoft Corp. künftig schneller Produkte in den heißumkämpften PC-Softwaremarkt bringen. Der bisherige Präsident des Unternehmens, Michael Hallman, trat zurück und wird künftig von einem dreiköpfigen "Office to the President" ersetzt.

Für Markt-Insider kam der Rücktritt Hallmans überraschend. Vor rund zwei Jahren war der frühere IBM-Executive von der Boeing Co. zu Microsoft gewechselt und hatte die finanzielle Situation des PC-Software-Riesen aus Redmond wesentlich verbessert. Firmengründer und Chairman Bill Gates erklärte, er habe großen Respekt vor Mike Hallman und seinen Verdiensten für das Unternehmen. Aber: "Die außergewöhnliche Art unseres Geschäftes hat die Rolle des traditionellen Unternehmenspräsidenten überholt." Ein einzelner allein könne den wachsenden Anforderungen, die an Microsoft gestellt würden, nicht länger Rechnung tragen. US-Analyst David Readerman, der in Diensten von Shearson Lehman Brother Inc. steht, wiederum konstatierte, er habe nie das Gefühl gehabt, daß Hallman zum vertrauten Kreis Gates' gehört habe.

Ab 1. März 1992 nun werden sich drei ehemalige Senior Vice-Presidents, denen sich Gates, eng verbunden fühlt, als Executive Vice-Presidents die Aufgaben des Präsidenten teilen. Berufen wurden Michael J. Maples (49), der zuvor der Application-Division vorstand und sich nun in dein neugeschaffenen Führungsgremium um den strategischen Bereich "Worldwide Product Development" kümmern wird, Steven Ballmer (35), bislang zuständig für Systemsoftware und jetzt verantwortlich für den Bereich "Worldwide Sales and Support", sowie Microsofts Chief Financial Officer Francis Gaudette (56), der diese Funktion neben der neuen Verantwortung für den Bereich "Worldwide Operations" weiter ausüben wird. Alle drei berichten an Bill Gates.

Die personelle Umstrukturierung bewerten US-Analysten als mögliches Plus für Microsoft im zukünftigen direkten Wettbewerb mit IBM. Seit der PC-Softwareriese mit Windows eigene Wege beschreitet und von der Version 3.0 seit Einführung im Mai 1990 rund neun Millionen Kopien an den Kunden bringen konnte, ist die einst so gute Verbindung zu IBM gestört. Zudem gab Microsoft einem Bericht des "Wall Street Journals" zufolge unlängst bekannt, 130 Anbietern von IBM-kompatiblen Rechnern - wie auch der IBM selbst - zu empfehlen, ihre Rechner mit einer speziellen Plakette zu versehen, die unterstreiche, daß die Systeme Windows unterstützen.

Mit der Gründung des dreiköpfigen Präsidentengremiums ging auch eine Umstrukturierung der Entwicklungsabteilung des PC-Softwaremakers einher. Sie wird in fünf Produkt-Divisions aufgegliedert, die nach Angaben des Eschborner Branchendienstes "vwd" folgende. Bezeichnungen tragen: "Systems", "Desktop Application", "Database and Development Tools", "Consumer" und "Workgroup". Alle Bereiche sind Michael Maples unterstellt.