Aus "Click & Scroll" wird "Touch & Slide": Kein anderer Satz bringt die Begeisterung und den Sex-Appeal in der Entwicklung von mobilen Endgeräten so gut auf den Punkt. Das altbekannte Klicken und Fenster-Scrollen mit der Maus wird auf den kleinen Bildschirmen zunehmend durch das spielerische Berühren und Verschieben ersetzt. Ob Apples iPad und iPhone oder die zahlreichen Touchscreen-Produkte anderer Anbieter mit unterschiedlichen Betriebssystemen - der Markt ist riesig und wächst rasant. Aber was ist zu beachten, wenn eine App für Business-Zwecke entwickelt werden soll?
Das Wichtigste vorweg: Apps sollten zwar spielerisch sein und das gewisse, überraschende Etwas haben. Aus Sicht der Entwickler sind sie aber keine einfach zu handhabenden Spielereien. Ganz im Gegenteil, es handelt sich um leistungsfähige Softwareprogramme. Und der erste Schuss muss sofort treffen. Ist eine App misslungen oder noch nicht ausgereift, gibt ein Update fast schon keinen Sinn mehr. Die Nutzer haben das Interesse verloren. Das Produkt ist verbrannt.
Vielfalt statt Quasi-Monopol
Ebenfalls wichtig ist die Auswahl der zu unterstützenden Geräte. Die Zeit, zu der die Kombination aus Microsoft Windows und Internet Explorer 90 Prozent der Internet-Nutzer erreichte, gehört der Vergangenheit an. In der mobilen Welt gibt es Wettbewerb, neue Produkte mischen den Markt auf. Die gute Nachricht dabei: Durch jedes neue Produkt entsteht für den App-Entwickler ein weiterer Multiplikator. Zu beachten ist allerdings die unterschiedliche Hardware. Einige Geräte haben einen USB-Anschluss, die anderen ein Mikrofon, die einen besitzen einen Beschleunigungsprozessor, die anderen GPS.
Was die Betriebssysteme anbelangt, sind alle Plattformen etwa gleich leistungsfähig. Allerdings ist es nicht mehr möglich, nur auf ein System zu setzen. Ganz besonders gilt das im Bereich der Konsumenten-Apps. Hier hat in den letzten Jahren Apple die Szene dominiert. Bereits mehr als 250.000 Programme stehen im iTunes App Store für die Kunden bereit. Aber das Bild hat sich längst gewandelt. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Gartner wurden im zweiten Quartal 2010 in den USA zum ersten Mal mehr Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android verkauft als Apples iPhones. Und um noch mehr Verwirrung zu stiften: Den Kampf um die Vorherrschaft bei den Betriebssystemen liefern sich Research in Motion (Blackberry OS) und Nokia (Symbian).
Size matters - auch bei der Apps-Entwicklung
Auch bei den Tablet-Rechnern wird die Vielfalt der Anbieter schnell zunehmen. Auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin wurden neue Modelle vorgestellt, die dem iPad ähneln, aber in der Größe zwischen sieben und zehn Zoll variieren. Hier kommt ein weiterer Faktor für die Softwareentwickler hinzu. Das Design der Benutzeroberflächen muss entsprechend der Größe angepasst werden. Bei den neuen Tablet-Rechnern dominieren unter den Betriebssystemen Windows 7 und insbesondere Android. Wer also mit seiner App möglichst viele Smartphones und Tablets adressieren will, muss sich um die Entwicklung, Wartung und den Betrieb von bis zu sechs Systemen kümmern.
Einfacher wird es, wenn nur eine begrenzte Gruppe von eigenen Mitarbeitern im Fokus steht. Weil hier situationsspezifisch entwickelt wird, können sich App-Bauer in der Regel auf ein ausgewähltes mobiles Endgerät und damit auf ein Betriebssystem konzentrieren. Dafür richtet sich ihr Augenmerk ganz darauf, dass die neue App beim Design der Benutzeroberfläche optimal gestaltet wird. Auch beim Weiterentwickeln und Anpassen an firmeninterne Veränderungen muss nur ein System gepflegt werden. Dazu ein Beispiel: Im klassischen Vertrieb sollen sich Verkäufer und Kunde nicht mehr am Schreibtisch mit einem trennenden Bildschirm in der Mitte gegenübersitzen. Der Lösungsansatz sieht vor, dass der Experte dem Interessenten am Tablet-Rechner Grafiken, Zahlen, Berechnungen und Produkte zeigt. Der Kunde wird selbst aktiv und nutzt den berührungsempfindlichen Bildschirm. Es entsteht eine ganz andere, lockere Gesprächssituation.
Programmierer-Markt als Auswahlkriterium
Doch für welches Betriebssystem soll ich mich - um bei dem Beispiel Produktpräsentation am Tablet-Recher zu bleiben - entscheiden? Mit dem Einsatz von Windows 7 oder Apple iOS ist die Abhängigkeit vom jeweiligen Hersteller sehr stark. Apple zum Beispiel gibt für seinen App-Store enge juristische Regeln vor. Wer sein Produkt dort einstellen will, muss sich diesen bedingungslos unterwerfen. Wer auf das Betriebssystem Android setzt, ist in der Lage, von den Vorteilen eines offenen Systems (Open Source) zu profitieren.
Sehr wichtig ist auch die Verfügbarkeit von spezialisierten Softwareentwicklern. Die Plattformen Windows und Android sind stark verbreitet. Damit ist es einfacher, die entsprechenden .NET- und Java-Entwickler zu bekommen. Anders sieht es bei Apple aus. Objective-C-Entwickler sind schon jetzt nur schwer zu finden, und das wird sich wohl auch nicht so bald ändern.
Mindestens ebenso wichtig wie die Betriebssystem-Frage ist die nach der Benutzeroberfläche. Von einer App wird heute erwartet, dass sie ein effektives und effizientes Arbeiten unterstützt. Darüber hinaus hat sich jedoch in den letzten Jahren zunehmend der Anspruch des "Joy of Use", sprich des Spaßes bei der Bedienung eines interaktiven Systems, als Qualitätskriterium von Software etabliert.
Anwender, vor allem im Business-Bereich, achten immer mehr darauf, dass Benutzeroberflächen intuitiv verständlich sind und keine langwierige Einarbeitung erfordern. Auch bei weniger häufigem Gebrauch einer App sollte die Bedienoberfläche (User Interface) genügend "Führung” bieten und Benutzungshürden vermeiden. Verständliche Rückmeldungen an den Nutzer und die Unterstützung beim Auftreten von Fehlern sind nicht nur bei der Steuerung technischer Systeme von oft sicherheitskritischer Bedeutung. Auch bei der Interaktion im Konsumenten-Bereich steht das angenehme Benutzungserlebnis an erster Stelle. Eine nachvollziehbare Navigation, übersichtliches Layout und das gekonnte "Zähmen” komplexer Funktionen sind hier die Schlüsseleigenschaften, die Apps aufweisen müssen, um sich im Markt durchsetzen zu können.
"Was schön ist, wird auch gut sein"
Um die Akzeptanz von Anwendern zu erreichen, genügt heute jedoch längst nicht mehr allein die Gebrauchstauglichkeit im engeren Sinne. Ziel ist vielmehr eine gute "User Experience”. Die Software schafft im Erfolgsfall mit ihren Eindrücken eine Erlebniswelt, die den Nutzer schlicht begeistert. Das Gesamtbild wird durch das subjektive Empfinden bei der Produktnutzung, die Ästhetik und Markenwahrnehmung geformt. Die Funktionalität ist in diesem Zusammenhang lediglich eine Komponente der User Experience. Der Übergang von "Click & Scroll" zu "Touch & Slide" umschreibt den Genuss, der durch "natürliche" Interaktionsweisen und ansprechende Übergangsanimationen für den Anwender entsteht.
Forschungsarbeiten haben ergeben: Zwischen der Ästhetik des Programms und der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit gibt es einen messbaren Zusammenhang. Die Wissenschaftler haben das "Aesthetic Usability Effect” genannt. Nach dem Motto "Was schön ist, wird auch gut sein" wird einer ästhetisch ansprechend gestalteten Benutzeroberfläche eine hohe Nutzerfreundlichkeit (Usability) unterstellt. Der Benutzeroberfläche kommt damit eine entscheidende Rolle zu: Sie eröffnet den Zugang zur Funktionalität einer App und wird von Benutzern nicht selten mit der Anwendung selbst gleichgesetzt: Eine veraltet wirkende Benutzeroberfläche steht damit einer angenehmen Erfahrung und anschließenden guten Bewertung entgegen. (mb)