Teams, Slack, Zoom & Co.

Diese Collaboration-Trends werden wichtig

16.06.2023 von Matthew Finnegan
Das Angebot an Collaboration-Software verändert sich schnell, der Trend geht zu integrierten Lösungen. Ob generative KI zu einem Gamechanger werden kann, ist noch nicht ausgemacht.
  • KI-Funktionen erobern auch die Collaboration-Tools und machen die Zusammenarbeit einfacher
  • Die eigentliche Herausforderung für Unternehmen besteht nicht in Tools, sondern in Arbeitsprozessen und Regularien
  • Zusammenarbeit im Metaverse kommt erstmal nicht
Zu viele Tools am Arbeitsplatz sind kontraproduktiv und überfordern das Personal. Besser sind wenige Collaboration-Lösungen, die aber gut eingeführt und geschult wurden.
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Eine gute Zusammenarbeit am Arbeitsplatz führt bekanntlich zu besseren Problemlösungen, Projekterfolgen und im besten Fall zu mehr individueller Produktivität. Collaboration-Tools können dabei unterstützen, und momentan entwickeln sich die Angebote in großen Sprüngen weiter. Von E-Mail-Systemen über Chat-Apps bis hin zu Plattformen für Videokonferenzen steht den Unternehmen eine breite Auswahl zur Verfügung. Zudem sind Collaboration-Funktionen in immer mehr Produktivitäts-, Projekt-Management- und Geschäftsanwendungen integriert.

Für Endanwender bringt das Herausforderungen mit sich: Es wird für sie schwieriger, den Überblick zu behalten. Auf immer mehr Kanälen wird gesendet, überall müssen sie sich anmelden und zeigen. Auch die Admins stoßen an ihre Grenzen, wenn es gilt, die Vielzahl von Anwendungen bereitzustellen, zu verwalten und die User zu schulen. Letztere brauchen oft Unterstützung, wollen sie die Apps optimal nutzen.

Generative AI mischt Collaboration-Markt auf

In den vergangenen Monaten hat zudem generative KI den Markt kräftig aufgemischt. Die Analysten des Finanzdienstleisters UBS erklärten, ChatGPT sei die am schnellsten wachsende Verbraucher-App aller Zeiten, im Januar seien bereits durchschnittlich 13 Millionen Nutzer pro Tag verzeichnet worden. Viele Unternehmen experimentieren inzwischen damit - sei es beim Verfassen von Berichten und E-Mails oder beim Schreiben von Softwarecode.

Microsoft, Google und Slack haben damit begonnen, große Sprachmodelle (Large Language Models = LLMs) in ihre Produkte zu integrieren. Den Nutzern werden enorme Verbesserungen in Sachen Produktivität und Zusammenarbeit versprochen. "Ungeachtet des derzeitigen Hypes dürfte generative KI einen enormen Einfluss auf die Kommunikation und Zusammenarbeit in Unternehmen haben", prophezeit Raúl Castañón-Martínez, Senior Analyst bei 451 Research.

Beispielsweise können KI-Assistenten herangezogen werden, um Meeting-Ergebnisse zusammenzufassen oder formelle E-Mails in Sekundenschnelle zu verfassen. "Generative AI wird zu einem virtuellen Kollegen, von dem Sie gar nicht wussten, dass Sie ihn einmal brauchen könnten", prophezeit Wayne Kurtzman, Research Vice President für Social, Communities und Collaboration beim Marktforschungsunternehmen IDC.

"Jede kollaborative Anwendung wird über kurz oder lang auf KI zurückgreifen", sagt der Analyst. Es folgt die obligatorische Warnung: Generative KI sei anfällig für Ungenauigkeiten, Verzerrungen und Plagiate, es müssten noch etliche Schwächen behoben werden. Außerdem gibt es noch viele Fragen zu Datensicherheit, Souveränität und Governance bei der Anwendung von LLMs auf Gesprächsdaten von Mitarbeitern, so Kurtzman.

Unternehmen analysieren Collaboration der Mitarbeiter

Zu den heißen Trends im Collaboration-Umfeld gehört die Analyse der Zusammenarbeit. Wo Menschen digitale Tools verwenden, lässt sich nachvollziehen, wer wann mit wem gesprochen hat. In Deutschland dürften Datenschützer und Betriebsräte an dieser Stelle ein Wörtchen mitreden wollen , doch internationale Konzerne sehen einen Vorteil darin, Daten auszuwerten, die auf Muster der Zusammenarbeit schließen lassen. Das kann etwa die Anzahl der gesendeten Nachrichten oder der besuchten Meetings betreffen. So können beispielsweise Kommunikationsengpässe im Unternehmen aufgedeckt werden.

"Wir sehen immer mehr Diskussionen darüber, wie sich das Level der Zusammenarbeit aussagekräftig messen lässt", sagt Shimrit Janes, Knowledge Director bei der Beratungsfirma Digital Workplace Group (DGW). So würden via Outlook und Teams generierte Daten verwendet, um zu verstehen, wer mit wem zusammenarbeitet. "Beispielsweise lässt sich auch das E-Mail-Aufkommen mit dem vergleichen, was in Microsoft Teams passiert", sagt Janes. Das könne interessant sein, wenn Unternehmen möchten, dass aus Zeitgründen in Teams und nicht mit E-Mails gearbeitet wird. Auch lasse sich herausfinden, wo Trainings- oder Coaching-Bedarf bestehe.

Das Thema sei heikel, räumt Janes ein, viele Trends ließen sich aber auch mit anonymisierten Daten aufspüren. Vor allem Daten über die Zusammenarbeit von Mitarbeitern müssten sensibel, respektvoll und gesetzeskonform behandelt werden. Auch sollten Erhebungen etwa zur Anzahl der gesendeten E-Mails oder Teams-Nachrichten keinesfalls herangezogen werden, um die Mitarbeiterproduktivität zu messen. "Überwachungstechnologien können sich negativ auf die Zusammenarbeit und Produktivität der Menschen auswirken", so die Expertin. Es müsse für alle transparent sein, welche Daten für welche Zwecke herangezogen würden.

Wer sein Personal gut schult, hat Collaboration-Vorteile

Nützliche Collaboration-Tools gibt es zuhauf, doch nicht immer ist sichergestellt, dass die Beschäftigten gut damit umgehen können. IT-Abteilungen sollten nicht davon ausgehen, dass die Anwender ihre Tools effektiv einsetzen oder sich intuitiv an Arbeitsweisen wie asynchrone Kommunikation anpassen. "Eine neue Technologie zu haben, die die Zusammenarbeit fördern soll, ist schön und gut. Genauso wichtig ist aber, dass die Beschäftigten sie einzusetzen wissen", warnt DWG-Managerin Janes.

Das Personal brauche gute und häufige Trainings, um das Optimum aus den Tools herauszuholen. "Es geht nur vordergründig um die Funktionalität. Genauso wichtig ist es zu verstehen, wie verteiltes Arbeiten grundsätzlich funktioniert - auch wenn man nicht physisch zusammen ist", sagt Janes. Und Jonathan Phillips, Mitbegründer der Beratungsfirma ClarityDW, weist daraufhin, wie wichtig die richtigen Soft Skills für eine effektive Zusammenarbeit seien. Das habe wenig mit der Technologie und viel mit der Strategie der Zusammenarbeit zu tun. "Es kommt auf die einfachen Dinge an", mahnt Phillips.

Vorgesetzte müssten beispielsweise verstehen, wer sich im Meeting wie verhält und warum sich manche Menschen nie zu Wort melden. "Dafür gibt es Gründe, über die nachzudenken lohnt", sagt der Chef von ClarityDW. Beispielsweise fühlt sich nicht jeder wohl dabei, während einer Videokonferenz zu sprechen. "Manche Leute schalten ihre Kamera aus. Für sie sind Video-Calls unangenehm - was ein Hindernis für die Zusammenarbeit ist", warnt Phillips (siehe: Kleiner Knigge für Video-Calls).

Beispielsweise könne man solche Leute ermutigen, ihre Kommentare im Chat zu hinterlassen, und die Einlassungen dann später aufgreifen. Das sei besser, als ganz darauf zu verzichten. "Letztendlich gewinnen alle, wenn es gelingt, dass die Stimme jedes Einzelnen gehört wird und er oder sie sich aktiv an der Zusammenarbeit beteiligt. Aber das ist leichter gesagt als getan", so Phillips. Er stellt fest, dass viele Unternehmen die Herausforderung angenommen haben, mehr in die Menschen und ihre Fähigkeiten zu investieren. Die Technik sei nur Mittel zum Zweck. "Wenn das Miteinander stimmt, ist es fast egal, welches Tool Sie zur Verfügung stellen. Zumindest ist es viel unwichtiger."

Wichtiger als Tools sind die Arbeitsabläufe

Viele Anwender kämpfen damit, mehrere Collaboration-Apps parallel für ihre Aufgaben nutzen und häufig hin- und herspringen zu müssen. Das lenkt sie von ihrer Arbeit ab. Die Informationsflut am Arbeitsplatz wie auch im Privatleben wird immer mehr zu einem Problem. So tauchen ständig Benachrichtigungen und Warnungen von verschiedenen Tools und aus unterschiedlichen Projekten auf, so dass es den Mitarbeitenden schwerfällt, ihre Kommunikation zu managen. Laut einer Umfrage des Tool-Anbieters Asana nutzen Knowledge Worker durchschnittlich neun Apps pro Tag, Gartner schätzt sogar, dass es elf sind. Die Softwareanbieter haben das erkannt und versuchen, Produktivitäts- und Collaboration-Apps stärker zusammenzuführen.

Ein Beispiel dafür ist Google Workspace. Es bietet die Möglichkeit, ein schnelles Video-Meeting in direktem Zusammenhang mit einem bestimmten Dokument, einer Tabelle oder einer Präsentation zu starten. Microsoft hat die Realtime-Kommunikation in Tools wie Excel eingebettet und macht Teams-Unterhaltungen direkt aus seinen CRM- und ERP-Produkten der Dynamics-365-Reihe möglich.

Synchrone und asynchrone Zusammenarbeit verbinden

Wenn Teams zusammenarbeiten wollen, brauchen sie eine synchrone Kommunikation in Echtzeit, beispielsweise ein Meeting oder einen (Video-)Call. Doch das ist nicht die einzige Möglichkeit zu kommunizieren, das Interesse an asynchroner Kommunikation hat in den letzten Jahren zugenommen. Dahinter verbirgt sich die zeitversetzte Aufnahme von Nachrichten. E-Mail ist das prominenteste Beispiel.

In letzter Zeit sind aber auch neue Tools, etwa kurze Video-Snippets, populär geworden. Chat-Tools wie Slack, Teams oder Zoom können indes nach Belieben entweder synchron oder asynchron verwendet werden. Die Zunahme von Remote Work hat allerdings den Bedarf an Tools und Prozessen erhöht, die eine zeitversetzte Zusammenarbeit in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ermöglichen. Das ist etwa der Fall, wenn Menschen in verschiedenen Zeitzonen arbeiten. Dann ist eine gute asynchrone Kommunikation besonders wichtig.

Sie eignet sich aber auch für Teams, die in räumlicher Nähe zusammenarbeiten und - je nach Aufgabe oder Projekt - unterschiedliche Arbeits- und Kommunikationsstile bevorzugen. Dann kommt es darauf an, dass alle Beteiligten damit umzugehen wissen. "Die Unternehmen haben zwar die Tools, aber es ist nicht sichergestellt, dass die Mitarbeiter sie im richtigen Moment für die richtige Aufgabe nutzen", sag Phillips

Das Metaverse ist erstmal kein Thema

Zu den Trends, die nicht mehr besonders heiß sind, gehört indes das Metaverse. Anbieter hatten die Idee von Meetings über virtuelle oder Mixed-Reality-Headsets angepriesen. Produkte wie Horizon Workrooms von Meta oder die 3D-Umgebungen von Startups wie Virbela oder Mytaverse, in denen sich Benutzer mit Avataren in einem virtuellen Raum bewegen können, wurden gehypt. In den letzten Monaten wurde das Thema dann aber vom Überthema Generative AI überschattet.

"Das bedeutet nicht, dass das Interesse am Metaverse verschwunden ist", stellt DGW-Managerin Janes fest. Aber das Thema sei für das "das Hier und Jetzt" wohl noch zu groß. Das könne sich ändern, "wenn wir uns weiterentwickeln und neue Generationen von Arbeitnehmern hinzukommen." Vielleicht wird Apples Ankündigung des Mixed-Reality-Headsets Vision Pro einen neuen Hype entfachen, doch momentan interessieren sich Unternehmen für andere Produktivitäts-Tools.

Und diese kommen wohl in Zukunft vor allem in Form integrierter App-Suiten von großen Anbietern wie Microsoft und Google. Anwender dürften einzelne, für bestimmte Anwendungsfälle optimierte Produkte meiden und zu integrierten tendieren - schon aufgrund der niedrigeren Gesamtkosten. Schienen Best-of-Breed-Apps in den vergangenen Jahren noch die Oberhand zu behalten - man denke an Slack für Team-Chats oder Zoom für Videokonferenzen - haben nun die stark verbesserten Office-Suiten Microsoft 365 und Google Workspace übernommen.

Die App-Pakete wurden stark verbessert und tief in andere Anwendungen wie Office oder E-Mail integriert. "Der Wechsel von Nischenlösungen zu konvergenteren Geschäftsanwendungen ist schon seit Jahren im Gange", so Castañón-Martínez. Im Vergleich dazu seien Einzellösungen eingeschränkt und würden Technologiesilos aufrechterhalten, was eines der größten Hindernisse für Produktivität sei. Zwar könnten App-Integrationslösungen und offene APIs helfen, Einzellösungen miteinander zu verbinden, aber nativ integrierte Suiten seien für Benutzer letztendlich bequemer.

Anbieter wie Zoom und Slack hätten das längst verstanden. Zoom komme aus dem Bereich der Videokonferenzen, habe sich aber zu einem vollwertigen Anbieter von "Unified Communications as a Service" entwickelt, einschließlich Telefonie und Whiteboard-Tool. Slack sei zunächst als Messaging-Anwendung erfolgreich gewesen und habe dann Video- und Telefoniefunktionen integriert. Es gebe eine native Funktion für Sprachanrufe sowie mit Huddles ein einfaches Tool für Sprach- und Videokonferenzen und mit Clips eine Lösung zum Versenden kurzer Videonachrichten.

Für die Softwareanbieter sei der Funktionszuwachs eine gute Gelegenheit, Upselling zu betreiben und ihre Präsenz bei bestehenden Kunden auszuweiten, so Castañón-Martínez. Viele Unternehmen müssten derzeit mit Budgeteinschränkungen zurechtkommen und versprächen sich von integrierten Lösungen Kosteneinsparungen. "IT-Entscheider sind heute vorsichtiger und bevorzugen Produktsuiten gegenüber Einzellösungen" resümiert der Analyst. (hv)