Die wichtigsten IT-TRENDS

19.01.2006 von Lars Reppesgaard
Sicherheit und CRM sind die heißen Themen 2006. Trotzdem wird es keinen Boom in dem einen oder anderen Bereich geben, darin sind sich Experten einig. Denn die Controller haben das Sagen: An der eisernen Regel, dass sich alle IT-Investitionen rechnen müssen, wird sich auch 2006 nichts ändern.

Die IT-Verantwortlichen in den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) stehen im nächsten Jahr vor großen Herausforderungen. Doch wenigstens in einer Hinsicht können sie aufatmen: Geld für die Informationstechnologie (IT) auszugeben fällt vielen Geschäftsführern nicht mehr so schwer wie früher. Für 2006 planen die Firmen, die Budgets für ihre IT um durchschnittlich 3,6 Prozent anzuheben. Das ermittelte das Marktforschungsunternehmen TechConsult im Auftrag von IBM Deutschland. Laut der Analyse ist das Bewusstsein, dass eine gut funktionierende IT ein wichtiges Geschäftswerkzeug und einen Wettbewerbsvorteil darstellt, nicht nur in den 800 befragten KMU stärker ausgeprägt als noch vor einem Jahr. In vielen mittelständischen Unternehmen sichert die IT selbstverständlicher denn je den Geschäftserfolg, indem sie Umsätze steigert, Lieferzeiten verkürzt oder die Produktivität steigert.

Wenn man in Sachen IT für den Mittelstand in die Glaskugel blickt, zeichnet sich allerdings zuerst ein Thema ab, das eigentlich gar nichts mit Bits und Bytes, sondern mit Paragrafen zu tun hat. Das Stichwort lautet: Compliance.

Problembereich: Archivierung

Der Ausdruck bezeichnet die Pflicht der Unternehmen, rechtliche und regulative Vorgaben zu erfüllen. Ab Ende 2006 treten unter anderem die Basel-II-Vorgaben, nach denen die Banken ihre Kredite vergeben müssen, in Kraft. Und die Pflicht, bei der Datenhaltung andere Vorgaben einzuhalten, besteht schon heute, auch wenn dies vielen KMU nicht bewusst ist. "Beim Thema Compliance ist es wie seinerzeit beim Jahr-2000-Problem", sagt Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Project Consult. "Keiner weiß so recht, wie groß das Problem sein wird, niemand weiß, was genau getan werden muss, und jeder hofft, ungeschoren davonzukommen."

Dass diese Haltung 2006 Erfolg haben wird, ist aber unwahrscheinlich. Richtlinien wie zum Beispiel die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) sind bereits jetzt verpflichtend. Hinter diesem Wortungeheuer stecken verbindliche Regeln der Finanzämter für die revisionssichere Archivierung steuer- und geschäftsrelevanter Firmeninformationen und deren Aufbewahrungsfristen. "Von dieser Regelung sind alle Unternehmen betroffen, bei denen auch nur ein Geschäftsprozess auf IT basiert", sagt Jörg Hartmann, Leiter Marketing bei Fujitsu Siemens Computer Deutschland. In der Praxis sind das so gut wie alle Firmen.

Selbst Handwerksunternehmen, die nur ihre Rechnungen am PC schreiben, müssen sicherstellen, dass sie mit einer Infrastruktur arbeiten, die den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird.

„Wir haben nun deutlich schnellere Durchlaufzeiten.“ Michael Kummer, IT-Leiter bei Binder + Co.

Auch wer per E-Mail Geschäfte abwickelt, muss sich mit den GDPdU beschäftigen und unter Umständen die IT-Infrastruktur anpassen. Für den Fall, dass das Finanzamt prüfen will, müssen die Unternehmen ihre Daten strukturiert vorlegen können. "Sehr viele Firmen gehen aber sehr leichtsinnig mit ihren elektronischen Dokumenten um", kritisiert der Berater Wolfgang Sturz, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Wissensmanagement & Kommunikation. "In der Vergangenheit war es kein Problem, sich an die klaren Richtlinien für die Ablage von Papierdokumenten zu halten. Heute werden all diese Grundsätze auf einmal nicht mehr beachtet." Weil die E-Mail, aber auch andere digitale Helfer wie Textverarbeitungsprogramme schleichend in den Unternehmen Einzug gehalten haben, fehle vielerorts das Bewusstsein dafür, dass man die Archivierung der Digitaldokumente zentral organisieren müsste, kritisiert der Berater.

Das wird sich im nächsten Jahr ändern müssen. Deswegen - und weil die Zahl der E-Mails stetig steigt - wird unter anderem der Markt für E-Mail-Archivierung kräftig wachsen. Derzeit fallen in den Firmen pro durchschnittlichem Mail-Konto täglich rund 19,5 Megabyte Daten an. In vier Jahren soll es doppelt so viel sein, erwarten die Marktforscher von der Radicati Group.

Derzeit werden weltweit 465 Millionen US-Dollar für Mail-Archivierung ausgegeben. Die Summe soll sich bis 2009 verzehnfachen.

Auch die Informationen aus Reisekostenabrechnungen, ERP-, Zeiterfassungs-, aber auch Office-Systemen können steuerrelevant oder für die Basel-II-Bewertungen wichtig sein. Viele Softwarekonzerne und Beratungshäuser wittern deshalb das große Geschäft. Von SAP über IDS, Veritas und Cognos bis hin zu winzigen Anbietern von Dokumenten-Management-Systemen bieten sie Werkzeuge für das Einhalten von Compliance-Regeln an. "Die Frage ist, ob man für so ein Problem gleich eine große, teuere Lösung braucht", warnt Sturz. "Genauso kann es heute reichen, einmal die Woche bestimmte Daten auf eine CD zu brennen und diese in den Tresor zu legen."

Das Geld, das vielerorts notwendigerweise in die Neugestaltung oder Überarbeitung der IT-Infrastruktur gesteckt wird, muss nicht unbedingt verloren sein. Experten raten dazu, zum Beispiel Aufgaben wie das Entwickeln einer revisionssicheren Mail-Archivierung oder eines Reporting-Systems nicht als Einzelprojekte anzugehen, sondern sie als Auslöser dafür zu betrachten, um die eigene Datenhaltung neu und besser aufzustellen. "Viele Unternehmen haben erkannt, dass sie zum Beispiel auch Basel II zu ihrem Vorteil nutzen können, wenn sie mithilfe von Controlling-Tools ihre Betriebsführung transparenter gestalten und damit der Bank übersichtliche Aussagen über die betriebliche Lage des Unternehmens liefern können", sagt Peter Dewald, Geschäftsführer des Softwareanbieters Sage Software.

„Ich weiß auf Knopfdruck, wo mein Geld hingeht.“ IDC-Analyst Frank Naujoks

Die Vorgaben in dieser Weise zu nutzen hält Frank Naujoks, Analyst bei den Marktforschern von IDC, für eine große Chance. "Ich bekomme die Gelegenheit, auf Knopfdruck zu wissen, wo das Unternehmen steht, wo mein Geld hingeht und wie viel mein Kundenstamm wert ist." Oft sei bereits die bestehende Finanzsoftware in der Lage, einen Teil dieser Auswertungen zu liefern. "Das Rechnungswesen ist meist in Ordnung", sagt Naujoks. "Aber es geht auch um Themen wie das Reporting. Ich brauche Werkzeuge, um meine Entscheidungen mit Informationen zu unterfüttern." Doch selbst für derartige Aufgaben hält sich seiner Ansicht nach der Investitionsbedarf in Grenzen. "Es kann gut sein, dass ich alle meine Anforderungen weiterhin in Excel abbilden kann. Oder ich schaue mir Auswertungswerkzeuge für meinen SQL Server an, den ich ohnehin im Haus habe. Es müssen nicht immer 500 000-Euro-Lösungen sein."

Nach wie vor arbeitet ein Großteil der KMU mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware aus der ersten Hälfte der 90er-Jahre, eine Reihe von Eigenentwicklungen steht am Ende ihres Lebenszyklus.

Dazu kommt, dass nur etwas mehr als die Hälfte der KMU in Deutschland überhaupt eine eigene IT-Abteilung hat, wie einer Befragung von 1200 Unternehmen in Deutschland, Japan und den Vereinigten Staaten durch den Sicherheitssoftwareanbieter Trend Micro ergab. Auch in 2006 werden also viele Firmen vor allem ihre grundsätzlichen Hausaufgaben in Sachen IT erledigen müssen, bevor es sinnvoll ist, weitere Projekte zu starten.

Vor diesem Hintergrund erwartet Detlef Pötzsch, Senior Manager im Mittelstandskompetenzzentrum der Unternehmensberatung BearingPoint in Leipzig, neben der wachsenden Nachfrage nach Storage- und Dokumenten-Management-Lösungen die weiter fortschreitende konsequente IT-Konsolidierung als einen Trend für das nächste Jahr.

"Server und Datenbanksysteme zu vereinheitlichen und Anwendungsportfolios zu reduzieren hilft, Kosten zu sparen und die Zahl der Schnittstellen zu reduzieren", sagt er. Pötzsch geht zudem von einem Ansteigen der gezielten Investitionen in Standardsoftware aus, die veraltete Anwendungen und Insellösungen ersetzt.

Doch selbst wo dies bereits geschehen ist, merken immer mehr Firmen, dass es nicht reicht, einmal die Hausaufgaben zu erledigen und sich dann zurückzulehnen. Das österreichische Metallbauunternehmen Binder+Co. beispielsweise löste 2003 ein 20 Jahre altes, selbst gestricktes Produktionsplanungssystem auf Unix-Basis durch eine Software zum Enterprise Resource Planning (ERP) von Abas ab. Heute steuern die Gleisdorfer Maschinen und Anlagen für die Aufbereitungs-, Umwelt- und Verpackungstechnik auf Grundlage von Red-Hat- Linux-Servern, und das neue ERP-System hat sich bestens bewährt. "Wir haben beispielsweise für den Ersatzteileverkauf deutlich kürzere Durchlaufzeiten, da alles zentral über ein System läuft", erklärt IT-Leiter Michael Kummer. Doch die Arbeit ist für ihn damit noch lange nicht erledigt. Auch wenn das ERP-System zuverlässig läuft, sind Optimierungen nach seiner Ansicht weiterhin unumgänglich. "Wir haben relativ viel nach-optimiert, das wird so auch die nächsten Jahre bleiben", sagt Kummer. "Seine Prozesse sollte man ständig überdenken und verbessern." Das Budget hierzu hat man in Gleisdorf in weiser Voraussicht auch für 2006 bereits eingeplant.

Die Großen wollen weiter die Kleinen

Zugleich versuchen weiterhin die Dickschiffe SAP und Microsoft, mit ihren Standardanwendungen bei den KMU weiter als bisher einen Fuß in die Tür zu bekommen. So hat SAP im Oktober 28 neue Best Practices für mittelständische Unternehmen vorgestellt. Die vorkonfigurierten Pakete basieren auf "mySAP ERP" und bilden branchenspezifische Prozesse für Bereiche wie den Einzelhandel oder die Versorgungswirtschaft ab. Damit stehen Mittelständlern derzeit 75 mySAP-Lösungen in Bereichen wie ERP, SCM und CRM zur Verfügung, die sich einerseits schnell implementieren lassen sollen und andererseits in gewissem Umfang Branchenerfordernisse der einzelnen Anwender abbilden. 2006 kommen 50 weitere hinzu. Derartige Lösungen werden in Deutschland derzeit nach SAP-Angaben von mehr als 2.500 Kunden eingesetzt.

Mitbewerber Microsoft hat indes nach eigenen Angaben für sein Navision-Derivat "Navision für kleine Unternehmen" in diesem Jahr 550 Kunden gewinnen können und sich einen starken Vertriebspartner gesucht, um im nächsten Jahr noch näher an der Zielgruppe dran zu sein. Die Gates-Company will Office und Co. über das Vertriebsnetz der Deutschen Telekom anbieten. Daneben will die Telekom in rund 100 Geschäftskundenzentren auch Microsofts betriebswirtschaftliche Standardsoftware verkaufen und Schulungen anbieten. Vor allem durch die stärkere Integration seiner Unternehmensprogramme in die Bürosoftware Office und die Vernetzung mit dem Betriebssystem Windows will Microsoft im nächsten Jahr Marktanteile gewinnen.

Sicherheit auslagern

Was aber nützen die besten Systeme, wenn sie in Sekundenschnelle geknackt und die Daten manipuliert oder gestohlen werden? "IT-Sicherheit ist einmal mehr ganz oben auf Liste der Themen, wenn wir die IT-Leiter befragen", sagt deshalb Jörg Jeschke, Vice President bei der Management- und IT-Beratung Capgemini. "Der Schutz der Kundendaten ist für einen Mittelständler vielleicht noch wichtiger als für einen großen Konzern, denn die hervorragenden Kundenbeziehungen basieren hier mehr als anderswo auf Vertrauen."

Eigene Sicherheitsexperten können sich KMU aber nur selten leisten. Externe Dienstleistungsangebote nahmen sie allerdings bisher auch nur zögerlich an. In diesem Jahr beobachteten die Anbieter erstmals, dass viele Mittelständler die Scheu vor den Managed Sevices auch im Bereich Sicherheit verloren haben. Henning Ogberg, Sales Director für Deutschland, Österreich und die Schweiz beim Sicherheitsexperten Message Labs, erwartet, dass sich dieser Trend 2006 noch verstärkt. "Vor drei Jahren begannen wir mit zwei oder drei neuen Kunden im Monat, heute sind es 40 bis 50", sagt er. Bei konkurrierenden Anbietern von Sicherheitsdienstleistungen wie Integralis, eleven, Blackspider oder Symantec sieht die Bilanz ähnlich aus.

Externe Lösungen aus einer Hand

Der Grund: Immer öfter stellen Firmen fest, dass ein Projekt im Bereich der IT-Sicherheit zwangsläufig weitere Aktivitäten nach sich ziehen muss, wenn man sich ernsthaft daran macht, Unternehmensschwachstellen abzudichten. Das steigert die Akzeptanz von externen Lösungen aus einer Hand. Ein Beispiel: Die Robert Kunzmann GmbH & Co. KG, ein Autohandelsunternehmen aus Aschaffenburg, setzt auf einen Managed Security Service des Anbieters Symantec. Kunzmann wandte sich Ende vergangenen Jahres wegen einer neuen Firewall an das Unternehmen, weil die alte Lösung mit dem steigenden Datenverkehr überfordert war.

Die Unterfranken tauschten ihre drei Jahre alte Schutzsoftware gegen eine Gateway-Applicance, einen kombinierten Hard- und Softwarefilter. Doch im Betrieb brauchen auch derartige Sicherheitsmodule viel Aufmerksamkeit, bemerkte Joachim Roßmeisl, der bei Kunzmann die IT-Infrastruktur betreut. Die neue Appliance war mit Sicherheitsvorgaben der alten Firewall-Software gefüttert worden. Sie müssen aber ständig um neue Regel ergänzt werden, um auch neue Bedrohungen abzuwehren. Zudem tauscht Kunzmann über ein internes Abrechnungssystem fortlaufend Daten zwischen acht Filialen, mit Herstellern wie DaimlerChrysler und mit Lieferanten aus. Um ihre Integrität zu gewährleisten, musste ein Intrusion Prevention System (IPS) her, das Datenströme durchleuchten kann. Die so entstehenden Auswertungen zu analysieren war mit den eigenen Ressourcen aber völlig unmöglich.

Anwenderfreundliche Preise

Aus diesem Grund übertrug Kunzmann Symantec die Verantwortung für die Sicherheitssysteme zum monatlichen Fixpreis. Die Preise für diese Lösungspakete liegen je nach Ausführung zwischen 1400 und 2000 Euro pro Monat. Heute übernimmt das in Berlin angesiedelte Symantec Security Operations Center die Rund-um-die-Uhr-Überwachung der Log-Daten und das Scannen des gesamten Datenverkehrs aus dem IPS.

Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass die Anbieter die Preise für die ausgelagerten Sicherheitsdienste inzwischen mittelstandsfreundlich gestalten. Beliebt sind vor allem Angebote, die den E-Mail-Verkehr extern auf Viren und Spam hin prüfen. Der Basisdienst des Anbieters Blackspider für die Betreuung von maximal 25 Mailboxen kostet 990 Euro im Jahr, Message Labs ruft eine ähnliche Summe auf. "Managed Services sind insbesondere für Unternehmen geeignet, die keine Bedenken gegen das Outsourcen und die externe Verarbeitung und Speicherung von E-Mails haben", fasst Joachim Quantz, Lead Analyst bei den Marktbeobachtern von Berlecon Research, zusammen. "Da sie keine unternehmensinternen Ressourcen voraussetzen, sind sie besonders für Unternehmen ideal, die über keine eigene oder nur eine sehr kleine IT-Abteilung verfügen."

„Besonders im Mittelstand basieren Kundenbeziehungen auf Vertrauen.“ Jörg Jeschke, Vice President Capgemini

Zudem haben auch die - oft US-amerikanischen - Anbieter inzwischen gelernt, Fragen wie die nach dem Datenschutz, die zum Beispiel akut werden, wenn Externe die E-Mails von Firmenmitarbeitern nach Viren scannen, pro-aktiv zu adressieren. Mittlerweile bieten sich Sicherheitslösungen, die die Privatsphäre der Nutzer nicht tangieren und auch kritische Betriebsräte zufrieden stellen. Auch deswegen rechnen Experten damit, dass die Managed Security Services im nächsten Jahr besonders nachgefragt werden.

Auch das aktive Management von Kundenbeziehungen steht im nächsten Jahr bei kleinen und mittelständischen Unternehmen ganz oben auf der Agenda. Während in den vielen Abteilungen in den Unternehmen Etats gekürzt werden, sind die Budgets für das Customer Relationship Management (CRM) bei 69 Prozent der Unternehmen gegenüber dem Vorjahr gleich geblieben und bei 14 Prozent sogar gestiegen, beobachtet Capgemini-Experte Jörg Jeschke. "CRM war kein Top-Thema, weil viele Unternehmen knapp bei Kasse waren", sagt er. "Bislang wird oft nur der eigene Bauch befragt, um herauszufinden, was bestimmte Kundensegmente bewegt."

„Viele digitale Helfer hielten schleichend Einzug.“ Wolfgang Sturz, Leiter Steinbeis-Transferzentrum

Wo aber noch immer mit Aktenordnern und aufgeklebten Post-it-Notizzetteln gearbeitet wird und der Versand der Weihnachtsgrußkarten auf Grundlage veralteter Adresslisten geschieht, verschwenden die Unternehmen Ressourcen. "Und keiner kann es sich leisten zu sagen, die zwei bis drei Prozentpunkte Rendite, die durch ein strukturiertes Managen der Kundenbeziehungen zu holen sind, sind mir egal", sagt IDC-Analyst Naujoks. Er weiß aber auch: "Die Unternehmen erwarten rasche Erfolgserlebnisse und sind nicht bereit, auf gut Glück ein Jahr lang ein System einzuführen."

Eine Antwort auf diese Anforderung ist die steigende Zahl von "On Demand"-Diensten, wie sie etwas salesforce.com anbietet. Auch Siebel Systems oder Update Software bieten ausgelagerte CRM-Dienste an, die es erlauben, die Anwendungen ohne aufwändige eigene Installationen zu nutzen. Ohnehin ist bei CRM-Projekten oft weniger mehr, erklärt Naujoks. "Ich brauche eine gute Adressenbasis und kein Rundum-Sorglos-Paket mit 365 Funktionen, um nachvollziehen zu können, was der Kollege angeschoben hat, wenn der im Urlaub ist oder gekündigt hat", sagt er.

Viele CRM-Anbieter haben zudem inzwischen gelernt, wie sie die Verantwortlichen in den KMU ansprechen müssen, statt wie früher mit theoretischen Fachbegriffen um sich zu werfen. Das beobachtet der CRM-Experte Wolfgang Schwetz, Gründer des Beratungshauses Schwetz Consulting. Auch die Anwendungen selbst hält er inzwischen für ausgereift: "Es gibt weit über 100 Softwarepakete unterschiedlicher Anbieter, das Portfolio ist völlig ausreichend und für die Unternehmenspraxis gut geeignet."

Dabei bieten als Generalisten aufgestellte Firmen wie Team Brendel oder Pro Team ihre Software neben auf bestimmte Branchen spezialisierten Anbietern wie Frontrange, Onyx Software, Fink Software oder CAS Software an. Die lang erwartete und nun vehement in Gang gekommene Konsolidierung des Marktes, mit der spektakuläre Übernahmen wie die des CRM-Spezialisten Siebel durch den Datenbank-Riesen Oracle einhergeht, hat aber viele potenzielle Kunden verunsichert, weil unklar ist, inwieweit die Produkte eines aufgekauften Unternehmens in Zukunft weiter gepflegt werden.

Berater Schwetz glaubt aber nicht, dass die Übernahmeschlachten der Großen im nächsten Jahr CRM-Projekte bremsen werden. "Kleine und mittelständische Anbieter dominieren den deutschen CRM-Softwaremarkt", sagt er. "Und bei vielen Kleinen sehe ich deutlich mehr Kontinuität als zum Beispiel bei einem vermeintlich soliden Riesen wie Siebel, der schon vor der Oracle-Übernahme alle neun Monate mit einem neuen Deutschland-Geschäftsführer ins Rennen ging." Vor allem Branchenspezialisten wie die Energiefachleute der Cursor Software AG aus Gießen oder die Konsumgüterexperten CAS aus Kaiserslautern werden seiner Einschätzung nach ungestört ihre Projekte durchführen können.

„CRM-Branchenspezialisten werden ungestört ihre Projekte durchführen.“ Wolfgang Schwetz, Gründer von Schwetz Consulting

Von einem CRM-Boom im gesamten Mittelstand zu sprechen wäre allerdings falsch. Branchenkenner schätzen, dass derzeit erst drei bis vier Prozent aller KMU CRM-Software einsetzen. Im nächsten Jahr werden es möglicherweise sechs Prozent sein. Dort, wo bereits mit ihr gearbeitet wird, ist 2006 das Jahr der Erfolgskontrolle. Während 2005 ein Anpassen der Geschäftsprozesse auf die Bedürfnisse der Kunden oben auf der Agenda stand, erwartet Capgemini, dass im nächsten Jahr die Wirksamkeit dieser Maßnahmen auf den Prüfstand kommt. 35 Prozent der befragten Firmen wollen sich auf Controllingmaßnahmen konzentrieren, um zu eruieren, ob die CRM-Gelder effizient ausgegeben und die Kosten gesenkt wurden. Denn an der eisernen Regel, dass alle IT-Investitionen auch in einem vernünftigen Verhältnis zu ihrem Ertrag stehen müssen, wird sich auch 2006 nichts ändern.

Lars Reppesgaard ist freier Journalist in Hamburg.