Digitale Transformation

Die sechs Punkte einer guten Digitalisierungsstrategie

21.04.2020 von Dietmar Matzke
Eine digitale Strategie muss sechs Strategiefelder berücksichtigen, um eine erfolgreiche Transformation des Unternehmens zu starten: Kunden, Wettbewerb, Daten, Innovationen, Werte und methodische Skills. Lesen Sie, worauf es dabei ankommt.

Strategisches Denken und Handeln ist von jeher die Königsdisziplin des modernen Managements. Mit der Digitalisierung vernetzen sich die Fach- und Technologiebereiche der Unternehmen in einer nie dagewesenen Dichte. Das erhöht auch die Komplexität der Zusammenarbeit sowie der Produkte und Dienstleistungen, die für die Kunden entstehen. Die Änderungsdynamik steigt ebenso wie die Ansprüche der Kunden. Etablierte Unternehmen müssen sich mit kleinen wendigen Startups messen, die ihre Geschäftsmodelle bedrohen. Dabei ist die digitale Transformation der Wandel, den Unternehmen gestalten müssen, um die Digitalisierung zu meistern. Am Anfang der digitalen Transformation steht die Strategie zur Digitalisierung. Es gibt sechs Ankerpunkte, die eine gute Digitalstrategie ausmachen.

Die Digitalisierung erfordert ein neues strategisches Denken, denn sie adressiert andere Themenbereiche als die klassische Unternehmensstrategie.
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Den Kunden in den Mittelpunkt stellen

Der Kunde ist König! Dieser Spruch mag abgedroschen sein, aber er ist richtig. Digitale Produkte und Dienstleistungen müssen sich an den Bedürfnissen des Kunden ausrichten, sonst werden sie scheitern. Heute sind Kunden vernetzt, agieren überregional und tauschen sich zu Produkten aus. Meinungsbildung findet im Internet statt und kann über Wohl und Wehe von Produkten und Dienstleistungen entscheiden. Dabei gerät eine neue Generation von Kunden in den Fokus der Firmen: die Digital Natives. Kaufkraft und ein hohes Anspruchsdenken kennzeichnen diese Kundengruppe. Digital Natives sind selbstbestimmt, gut ausgebildet und aufgeschlossen. Sie erwarten einen umfassenden Kundenservice und auch Self-Service-Angebote.

Diese Kunden sind auch nicht mehr passiv wie früher, sie wollen sich an der Produktgestaltung beteiligen und daran mitwirken, neue Werte zu schaffen, sei es gegen ein Entgelt oder nur zum Spaß. YouTube etwa bietet für Millionen selbsternannter Regisseure - nicht nur von Katzenvideos - eine Plattform, auf der ihre Videos bereitgestellt und bewertet werden können. Die Anerkennung aus dem Netz ist diesen Menschen Lohn genug. Teilen, Bewerten, Mitgestalten, Zusammenarbeiten und Individualisieren: Diese neuen Kundenbedürfnisse gilt es zu berücksichtigen, um Kunden für ein Produkt zu gewinnen.

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Darum gehört es zu jeder Digitalstrategie, den Kunden einzubeziehen. Die Strategie muss Antworten auf die Fragen enthalten, wie Kunden ihrem Wusch nach Mitgestaltung und Selbstbestimmung nachkommen können und wie die Dienstleistungen zum Produkt gestaltet sind.

Werte schaffen

Wer nicht als Anbieter von digitalem Edelschrott enden will, muss sich über werthaltige Angebote Gedanken machen. Die wirklich erfolgreichen Unternehmen schaffen es, Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen und diese optimal zu unterstützen und zu befriedigen. Diesen Wandel hin zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse bekommen zum Beispiel die Automobilhersteller zu spüren.

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Während früher bereits der Besitz eines Fahrzeugs das Ziel vieler Kunden war, wird heute das Mobilitätsbedürfnis immer wichtiger. Angebote aus Carsharing, Mietfahrrädern, der Bahn oder Mitfahrzentralen können Kunden heute mitunter mehr Flexibilität bieten als früher das teuer erworbene Auto. Produkte und Dienstleistungen, die dem Kunden angeboten werden sollen, müssen für ihn also einen Nutzen entwickeln oder ein spezifisches Problem auf eine besondere Weise lösen. Diese Wertversprechen müssen beim Kunden zünden, damit ein Geschäftsmodell erfolgreich wird. Trotzdem sind solche Wertversprechen nur von zeitlich begrenzter Haltbarkeit - dann müssen erneut Innovationen her.

Roundtable Digital Customer Experience (DCX)
Boris Bohn, Arithnea
„Auf dem Weg zu einer sehr guten Digital Customer Experience befinden wir uns erst auf den ersten fünf von 100 Metern. Die Firmen haben erkannt, dass es verschiedene Touchpoints für die Ansprache des Kunden gibt. Aber in der konkreten und übergreifenden Ausgestaltung stehen wir noch am Anfang.“
Christian Schacht, Capgemini
„In Deutschland steht bei vielen Unternehmen der Kunde oft nicht mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt, sondern nur als Käufer und Nutzer eines Produkts, das sie herstellen. Das gilt auch bei digitalen Produkten.“
Dominik Lorenz, Creditreform Boniversum
„Das Frontend vieler Websites ist ansprechend, der Kunde wird gut geleitet und an die Hand genommen, doch wenn er kaufen will, ist der Bezahlprozess zu kompliziert, oder seine bevorzugte Bezahlart wird nicht unterstützt. Der Besucher bricht ab und wechselt zu einem anderen Anbieter.“
Orhan Dayioglu, Showpad
„Die deutschen Firmen können sich mittlerweile nicht mehr so stark wie früher durch ihre Produkte differenzieren. DCX hat an Bedeutung gewonnen. Wir müssen vom Monolog weg hin zum Dialog mit den Kunden, um deren Bedürfnisse zu erfahren und dann die passenden Lösungen zu bieten.“
Vanessa Dommnich, Batten & Company
„Ein ganzheitlicher Ansatz wird für die Kundenbindung im digitalen Zeitalter immer wichtiger. Firmen können ihre Kunden heute dank neuer Technologien über deutlich mehr Kanäle ansprechen. Damit die Kunden eine End-to-End-Experience erhalten, benötigen Firmen unter anderem auch eine bessere Datenbasis, die Integration von Informationen aus CRM, Marketing, ERP oder Controlling sowie Schnittstellen zwischen den Abteilungen sicherstellt.“
Ralf Wiesmann, Accenture
„Die Kombination von Online- und Offline-Welt ist der Heilige Gral. Wer das hinbekommt, hat gewonnen. Firmen müssen hier agil sein, viele Dinge ausprobieren und Prozesse ändern, wenn sie nicht funktionieren. Die Firmen können damit den Kunden auf seiner Customer Journey viel besser begleiten, lange Wartezeiten bei der Hotline entfallen durch den direkten Kontakt.“
Jens Thuesen, BSI Business Systems Integration AG
„Häufig kann der Kunde online kein Feedback hinterlassen. Diese No-Reply-Mentalität muss weg. Viele Firmen vergessen zudem die Integration der digitalen Kanäle. Ohne eine Verknüpfung von Daten weiß der Mitarbeiter im Online-Chat nichts über die Historie des Kunden und was ihn gerade bewegt.“
Frank Sinde, Damovo
„Die Zusammenführung der einzelnen Kanäle funktioniert nur unzureichend. Es gibt kaum fertige Schnittstellen. Da Firmen viel selbst programmieren müssen, werden die Projekte sehr teuer und dauern lange in der Umsetzung. Um wirklich gute DCX zu erhalten, müssen Firmen die Mitarbeiter mitnehmen und deren Mindset auf Kundenorientierung umpolen. Customer Experience funktioniert nur mit Employee Experience, sprich der Akzeptanz bei den Mitarbeitern.“
Jürgen Spieß, SHE
„Firmen brauchen einen hohen Speed am Markt und müssen insbesondere im Frontend agil sein, um schnell auf Kundenbedürfnisse reagieren zu können. Hier besteht oft eine Diskrepanz zwischen den internen ERP- oder Bestandsführungssystemen mit langen Release-Zyklen und modernen Microservices. Bei der Integration müssen die Anwender eine gute Balance finden.“

In der digitalen Strategie ist ein klares Wertversprechen formuliert - es stellt die Basis für das Geschäftsmodell dar. Das anfängliche Wertversprechen ist ein Startpunkt, es kann sich aber im Laufe der Zeit und mit den Erfahrungen aus dem Kundenfeedback durchaus stark wandeln.

Innovativ sein

Klingt einfach, ist es aber nicht. Innovation - und erst recht eine erfolgreiche - lässt sich nicht planen. Viele sogenannte Innovationen haben es gar nicht bis auf den Markt geschafft, geschweige denn, dass sie ihre Entwicklungskosten eingespielt hätten. Innovationen basieren auf Hypothesen. Innovation ist heute ein Prozess, der Ideen in vermarktbare und monetarisierbare Produkte umwandelt. Dabei trifft die erste Idee längst nicht immer ins Schwarze. Mit klugen Experimenten lassen sich aber regelmäßig neue Erkenntnisse gewinnen, die in Produktanpassungen einfließen können.

Der Schöpfer bahnbrechender Innovationen ist nicht mehr der einsame Erfinder, sondern das intelligent zusammengestellte Team. Die erfolgreichen Firmen von heute lernen ständig daraus, wie ihre Kunden die Produkte und Dienstleistungen nutzen. Es ist essenziell, immer wieder Hypothesen aufzustellen, auszuprobieren und zu bewerten. Produkte werden kontinuierlich verändert und angepasst, neue und bestehende Zielgruppen werden unterschiedlich adressiert. Mit der Digitalisierung entstehen ungeahnte Möglichkeiten, Daten zu sammeln, sie für Innovationen auszuwerten und in werthaltige Angebote für den Kunden umzuwandeln.

Die Digitalstrategie enthält deshalb auch eine klare Positionierung zur Entwicklung von Innovationen. Gute Methoden und ein Prozess, der sowohl stringent als auch flexibel ist, ermöglichen es, Innovationen zu entdecken und auszuwerten.

Durch Daten über den Kunden lernen

Digitale Vorhaben leben davon, Daten in großen Mengen auszuwerten. So lassen sich Erkenntnisse über das Kundenverhalten, aber auch über interne Prozesse gewinnen, um damit Produkte zu verbessern oder ganze Geschäftsmodelle zu steuern. Der Wert der Daten und ihrer Analyse ist vielen Unternehmen heute noch nicht klar. Ungeheure Schätze schlummern in den Datenbanken und Servern der Unternehmen, ohne genutzt zu werden.

Roundtable Data Management
Steve Oluborode, Tableau Software
Daten sind das neue Öl. Dass das keine Zukunftsprognose, sondern längst Realität ist, sieht man allein schon bei einem Blick auf die Rangliste der weltweit wertvollsten Unternehmen. Die Top 3 erzielen ihre Wertschöpfung allesamt mit der Monetarisierung von Daten.
Carol Stockinger, IDG
Der Job des Data-Analysten ist alles andere als neu. Er hat sich in den vergangenen Jahren aber stark gewandelt. Ging es früher darum, Doubletten zu verhindern und insgesamt die Datenqualität und-sicherheit hochzuhalten, so steht heute die Herstellung von Benutzbarkeit insgesamt im Mittelpunkt. Verstehe ich meine Daten? Wie kann ich sie zusammenführen, einteilen, analysieren? Das sind die Fragen, mit denen wir heute konfrontiert sind.
Michael Koch, Lufthansa Industry Solutions
Das Wesen der Deutschen ist es, alles im Detail verstehen zu wollen. Das ist mit dem gigantischen Datenaufkommen, das in den Unternehmen generiert wird, aber heute schlicht nicht mehr möglich. Vielleicht liegt darin die Erklärung dafür, warum sich hierzulande alles ein bisschen langsamer bewegt.
Andreas Laux, Datavard
Uns stehen heute so viele technologische Möglichkeiten zur Verfügung wie noch nie zuvor. Doch die bessere Nutzung von Daten zu realisieren ist eine kulturelle Aufgabe, die Kunden und Dienstleister nur gemeinsam lösen können. Dabei ist es wichtig, die Menschen immer wieder darauf hinzuweisen, wie wichtig Daten für die Verbesserung von Geschäftsprozessen und die Entstehung neuer Services sind. Wenn ich den entstehenden Mehrwert glaubwürdig veranschauliche, dann steigt auch die Bereitschaft für das „Sharing“.
Peter Jung, Board
Das Business wird immer dynamischer. Strukturen, Geschäftsmodelle und Besitzverhältnisse verändern sich ständig. Auf diese Dynamik müssen wir mit flexiblem Datenmanagement reagieren: Jeden Tag gibt es einen neuen „Datenschatz“ zu heben und zu verwerten, das heißt aus den Daten entscheidungsrelevante Erkenntnisse zu gewinnen und bereitzustellen.
Andreas Heißler, Uniserv
Die Initiative der Bundesregierung für eine eigene Datenstrategie klingt weniger nach „echter“ Strategie. Das Problem ist doch die große Verunsicherung innerhalb der Unternehmen darüber, was sie rechtlich überhaupt dürfen und was nicht. Allein die parallele Existenz verschiedener sich teilweise widersprechender Gesetze und Verordnungen schafft eine Intransparenz, die den Fortschritt hemmt. Was heute richtig ist, kann morgen schon wieder falsch sein. Das ist gerade für den Mittelstand ein Problem: Um ein funktionierendes Datenmanagement zu etablieren, muss ich Geld in die Hand nehmen und das ist für große Konzerne leichter zu stemmen. Kleinere Unternehmen können aber nicht „einfach mal ausprobieren“, sondern brauchen Planungssicherheit.
Oliver Schröder, Informatica
Uns fehlt es in Deutschland noch an der Geschwindigkeit in der Adaption von Geschäftsmodellen. Die Plattformökonomie in den USA hat hier schon rein organisatorisch deutliche Wettbewerbsvorteile. Ein offensichtlicher Indikator findet sich im organisatorischen Stellenwert der IT. So existieren in vielen Unternehmen immer noch gesonderte IT-Abteilungen, und der CIO berichtet an den CFO. Das alles wäre in einer agilen Struktur nicht mehr nötig, in der IT und Business idealerweise miteinander verschmelzen.
Peter Küssner, Cubeware
Die allzu verhaltene Nutzung von Daten bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist kein technisches und kein organisatorisches Problem, sondern schlichtweg: ein deutsches!

Dabei darf man nicht nur die im eigenen Unternehmen gesammelten Daten betrachten - auch Daten, die die Partner ermitteln, können wertvoll sein. Wenn nicht wertvoller, weil vielleicht nur der Partner den direkten Kontakt zum Kunden hält. Es ist deshalb sinnvoll, für Verträge mit Partnern Klauseln darüber zu entwickeln, welche Daten ausgetauscht werden sollen. Zudem lässt sich die Datenbasis auch durch öffentlich zugängliche Datenquellen ergänzen. Datengetriebene Prozesse ermöglichen akkurate Empfehlungen, klare Segmentierungen der Kundengruppen und Hilfen bei der Entscheidung für ein komplexes Produkt - und eröffnen so einen wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen oder einen Nutzen für seinen Kunden.

Eine Digitalstrategie muss daher eine klare Aussage zur Datenstrategie enthalten. Dazu gehört es, vorhandene Daten zu bewerten und einen Ausblick auf Daten zu geben, die in Zukunft erhoben, genutzt und gegebenenfalls monetarisiert werden können.

Die Wettbewerbsstrategie neu ausrichten

Die Digitalisierung erlaubt völlig neue Geschäftsmodelle. Etwa solche, die sich durch Netzwerkeffekte - meist durch das Internet ermöglicht - ergeben. Plattformmodelle gestatten es beispielsweise, mehrseitige Märkte durch Vermittlungsdienstleistungen zu bedienen. Monetarisiert wird hier nur noch die kluge Zusammenführung von zwei oder mehreren Marktteilnehmern.

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Aber auch Freemium-Modelle, bei denen das Basisprodukt kostenlos ist, sind dank verringerter Grenzkosten (die Kosten für die Replikation eines Produkts) möglich geworden. Viele weitere Muster für Geschäftsmodelle können in der Digitalisierung eine Rolle spielen.

Die neuen Geschäftsmodelle erfordern es auch, die Wettbewerbsstrategie zu überdenken. Während sich die Welt früher leicht in schwarz oder weiß einordnen ließ - also in Konkurrent oder Partner -, ist sie heute bunt. Die Wettbewerber eines Unternehmens können in einigen Bereichen tatsächlich Konkurrenten sein, während sie in anderen Bereichen vielleicht kooperieren. Wenn ein Markt für einen Anbieter zu klein und deshalb wirtschaftlich uninteressant ist, kann sich dies durch die Partnerschaft mit einem Wettbewerber ändern. Frei nach dem Motto: "growing the pie" im ersten Schritt und "dividing the pie" im Zweiten.

Die digitale Strategie für die Geschäftsmodelle berücksichtigt die bestehende Wertschöpfungskette - und ergänzt sie. Die Potenziale der Wettbewerbskooperationen werden neu ausgerichtet. Dabei gilt es, auch bisher undenkbare Situationen zu beleuchten.

Sich des kulturellen Wandels im Unternehmen bewusst sein

Neue Geschäftsmodelle, Innovationen, die Altes über den Haufen werfen, die Wertverschiebung hin zu einem Data Driven Business, ein anderes Verhältnis zum Kunden: All dies rüttelt üblicherweise an fast allen Grundfesten eines Unternehmens. Zudem lässt eine digitale Transformation nicht viel Zeit, sich auf Veränderungen einzustellen. Während in einem Startup alle von Beginn an wissen, wie sie mit den Herausforderungen der Digitalisierung umzugehen haben, bedeutet die digitale Transformation für ein etabliertes Unternehmen große Umwälzungen. Die Strategie muss diese Auswirkungen auf die Mitarbeiter und den erforderlichen Kulturwandel einbeziehen. Auch neue Mitarbeiter und die Anforderungen an die Personalentwicklung sind einzuplanen. Zum kulturellen Wandel, durch den eine digitale Transformation erfolgreich wird, gehören die folgenden Aspekte:

Die kulturelle Neuausrichtung des Unternehmens darf in dessen Strategie für eine digitale Transformation nicht fehlen. Der Kulturwandel betrifft viele, wenn nicht alle Mitarbeiter des Unternehmens, und es wird nötig sein, etliche Gewohnheiten zu verändern. Die kulturelle Neuausrichtung wird darum viel Zeit und Fingerspitzengefühl erfordern.

Die Digitalstrategie im Überblick

Diese sechs Felder der Digitalisierungsstrategie sind keine in sich abgeschlossenen Bereiche. Sie greifen stark ineinander, und es ist eine sorgfältige Choreografie erforderlich, um die Strategie umzusetzen. Daten unterstützen die Bewertung von Innovationen, welche die Kundenbedürfnisse besser befriedigen, woraus wiederum ein neues, erfolgreicheres Geschäftsmodell entsteht. Viele gewohnte Dinge werden in Frage gestellt, etwa schon dadurch, dass Daten abteilungsübergreifend ausgewertet werden müssen.

Schnell stößt man bei der Entwicklung der Digitalisierungsstrategie auch an kulturelle oder organisatorische Schranken. Deshalb ist es notwendig, schon im Prozess der Strategieentwicklung die Begrenzungen transparent zu machen, um sie bei der Umsetzung der Strategie nicht als dauerhafte Fesseln mitzuschleppen.

Die digitale Strategie ist der Ausgangspunkt für die digitale Transformation - ein Veränderungsprozess, der die Unternehmen vor ein ganzes Bündel an Herausforderungen stellt. Neue Fähigkeiten und Zusammenarbeitsmodelle entstehen und tragen der extremen Beschleunigung Rechnung. Abteilungsgrenzen verschwimmen, komplexere Aufgabenstellungen sind zu bewältigen, neue Führungsmodelle entstehen. Elfenbeintürme mit langfristiger Forschung und Innovation verlieren an Bedeutung, weil die Zeithorizonte sich extrem verkürzen. Stattdessen werden agile Arbeitsprinzipien immer wichtiger. Nicht selten sichern sie das Überleben von etablierten Unternehmen, weil diese sich erst dadurch - ähnlich wie in Darwins Theorie - schnell an veränderte Bedingungen anpassen können: Survival of the fittest.

Es überrascht nicht, dass diese Veränderungen auch eine neue Art Manager erfordern. Der Begriff des Digital Leadership beschreibt diesen Typus des agilen Managers, der mit netzwerkartigen Wissenskulturen ständig Neues schaffen kann und der die (nicht nur) digitalen Bedürfnisse seiner Kunden und Mitarbeiter kennt. Er wird eine Kultur von Finger-pointing und Schuldzuweisung in eine Kultur des Experimentierens und Lernens verwandeln.

Neue Führungspraxis für die digitale Welt
Der Sportdirektor eines Vereins
Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle.
Führung in der Digitalisierung
Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen.
Die Landschaftsgärtnerin
Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf.
Die Seismologin
Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle".
Der Zen-Schüler
Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen.
Der DJ
Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung.
Die Intendantin eines Theaters
Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise.
Die Trainerin
Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein.
Der Blogger
Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.

Der agile Manager fordert seine Mitarbeiter dazu auf, regelmäßig gewohnte Dinge im Unternehmen in Frage zu stellen. Nur wer eine gute, lebendige und fortwährend angepasste digitale Strategie hat, wird langfristig wettbewerbsfähig bleiben und nachhaltig Kunden für sich gewinnen. Die bloße Entwicklung einer Strategie reicht deshalb nicht aus. Letztlich kommt es darauf an, in die Digitalstrategie einen Prozess einzubauen, der für ihre regelmäßige Bewertung und Neuausrichtung sorgt. (bw)

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