25 Jahre Windows

Die Qual der CW-Redakteure

02.08.2010
Flüche, Hass, Verzweiflung und Begeisterung. In 25 Jahren Windows haben CW-Redakteure die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht.

Windows spielt nur die zweite Geige

Wer mich näher kennt, weiß, dass ich eher als "Apple-Fanboy" einzustufen bin. Das gilt primär privat - und ich sehe das auch keineswegs religiös wie manch anderer. Ich gebe allerdings zu, dass Windows in meinem Computerleben immer nur die zweite Geige gespielt hat. Mein erster Rechner war kein PC, sondern ein Atari MegaST. Ich habe nämlich mal slawische Sprachen studiert, und für den Atari gab es damals schon erschwingliche kyrillische (Bitmap-)Schriften. Irgendwann später kamen dann, als es der Geldbeutel zuließ, Apple-Rechner auf den privaten Schreibtisch. Die waren einfach immer schon schöner.

Am Arbeitsplatz hingegen musste ich mich stets mit dem Microsoft-Betriebssystem "herumschlagen", angefangen mit Version 3.11, wenn ich mich recht erinnere. Mit der Version XP war Windows dann auch endlich wirklich brauchbar. Die Kollegen in der Redaktion arbeiten, so wie viele andere Menschen in Unternehmen, auch immer noch damit. Ich habe mir als Online-News-Mann aber immer ausgebeten, die neueste Version von Windows verwenden zu dürfen - schon allein der Screenshots wegen. Also habe ich auch den "Ausrutscher" Vista mitgemacht und arbeite nun auf Windows 7. Und das gefällt mir richtig gut. Ich mag Eye Candy.

Windows 7 habe ich auch daheim auf dem MacBook, in einer virtuellen Maschine. Wozu? Nun, unser CMS enthält einen XML-Editor, der als ActiveX-Plug-in programmiert ist. Da kann ich Google Chrome noch so viel besser finden als Browser, ich muss ab und an den Internet Explorer 8 anschmeißen. Und freue mich jedes Mal, dass Windows 7 in VMware Fusion praktisch genauso schnell ist wie auf dem PC im Büro.

25 Jahre Rosenkrieg

Die erste Begegnung mit Windows hatte ich in der Marktforschungsabteilung eines großen deutschen Konzerns. Das Gespann aus Windows 386 und Pagemaker sollte den bis dahin üblichen Klebeumbruch (Ausschneiden von Grafiken und Einkleben per Pritt-Klebestift in den Text) der Forschungsberichte durch ein modernes rechnergestütztes Layout ersetzen. Da wir den einzigen Rechner mit Windows hatten, waren wir wochenlang die Helden der Abteilung: Zu einer Zeit, als DOS und Monochrom-Monitore dominierten, faszinierte das bunte Windows mit Maussteuerung, einer sich bewegenden Zeigeruhr und dem Spiel Reversi.

Der große Windows-Frust kam dann mit der Diplomarbeit. Vom mageren Studentenbudget hatte ich mir eine Windows-3.0-Lizenz und Winword 1.1 abgespart. Schließlich sollten die 200 Seiten getreu dem Gates-Motto WYSIWYG geschrieben und gedruckt werden. Was der User dann sah, waren lange Nächte ohne Bett und Abstürze des Drucker-Spoolers nach stundenlangem Rechnen - und das drei Tage vor Abgabe. Die Beziehung zu Windows war danach nachhaltig gestört.

Auch neue Versionen wie Windows 3.11 for Workgroups (TCP/IP hält Einzug) oder Windows 95 konnten das belastete Vertrauensverhältnis nicht verbessern. Erst Windows 98 schaffte es, frischen Wind in die Beziehung zu bringen. Zumal das System deutlich besser war als sein Ruf. Wurde beim Hardwarekauf auf einen vernünftigen Treibersupport geachtet und der Spieltrieb gezügelt - also nicht jedes dahergelaufene Tool ausprobiert -, dann waren die berüchtigten Bluescreens of Death (Bod) eine Seltenheit.

Wie wichtig beziehungsweise teuer der Treibersupport einen User kommen kann, erlebte ich dann einige Jahre später beim Umstieg auf Windows XP. Junge, erst ein Jahr alte Hardware - etwa ein Scanner - hatte plötzlich Schrottwert, weil der Hersteller keine Lust hatte, neue Treiber für XP zu programmieren.

Bei allem Verdruss gab es über die Jahre jedoch einen Punkt, der im Leben mit Windows immer wieder versöhnlich stimmte: Die Freiheit - anders als in der Apple-Welt -, wirklich seinen ganz persönlichen Computer zusammenstellen zu können, egal ob Workstation oder Media Center. Und dank der großen Auswahl an Hardware war der technische Fortschritt stets bezahlbar.

Begeistert, ernüchtert

Meine ersten prägenden Erfahrungen mit der Fenstertechnik sammelte ich 1990 während eines Auslandspraktikums bei Digital Equipment. "DECwindows" nannte der seinerzeit zweitgrößte IT-Hersteller nach IBM das System. Dahinter steckte eine schicke grafische Oberfläche, die die Komplexität des eigentlich für Midrange-Computer konzipierten Betriebssystems VMS recht gut kaschierte. Der große Unterschied zum "echten" Windows: Auf den mächtigen DEC-Workstations ließen sich fast beliebig viele Fenster öffnen und Programme gleichzeitig ausführen, ohne dass der Nutzer die berüchtigten Microsoft-Bluescreens fürchten musste.

Auf die Begeisterung mit dem DEC-System folgte schnell Ernüchterung, als ich mir den ersten persönlichen Computer (Modell "Highscreen" von Vobis mit 386-CPU) leistete. Vobis installierte standardmäßig Windows 3.0 auf den Rechnern. Um das System einigermaßen im Griff zu behalten und komfortabel bedienen zu können, waren seinerzeit noch jede Menge zusätzliche Werkzeuge nötig. "PC-Tools" und "Norton Commander" hießen zwei prominente Vertreter einer ganzen (Software-)Industrie, die im Grunde nur von den Unzulänglichkeiten des "grafischen DOS-Aufsatzes" lebte.

Dann kam Linux, und die Begeisterung der Open-Source-Protagonisten wirkte auf mich zunächst durchaus ansteckend. Nichts weniger als eine Revolution in der IT prophezeiten die Anhänger der quelloffenen Software, natürlich zu Lasten von Microsoft, das nach den zahlreichen Kartellverfahren vielen nur noch als Reich des Bösen galt. In der Backend-IT etlicher Unternehmen hat sich Linux tatsächlich als robustes Server-Betriebssystem etabliert, allerdings litten darunter vor allem die klassischen Unix-Derivate. Auf dem Desktop hingegen hielt sich die Akzeptanz der Linux-Distributionen von Suse und Co. in engen Grenzen. Ihrer zugedachten Rolle als Windows-Killer werden die Linux-Desktops bis heute nicht gerecht, auch wenn Distributionen wie Ubuntu in Sachen Bedienkomfort kaum noch Wünsche offen lassen. Vieles spricht dafür, dass Linux auf dem Desktop auf absehbare Zeit ein Nischenmarkt bleibt. Windows dürfte also auch die nächsten 25 Jahre noch erleben, auf dem Desktop, im Rechenzentrum oder irgendwo in den Weiten der Cloud.

Windows 3.0 beleidigte die DOS-Fraktion

Er ist alt, vergilbt und fast vergessen: Mein Apple Macintosh 1/20, der 1990 als "Studentenrechner" angeschafft wurde - für das vorletzte Hemd übrigens. Heute fristet er seinen Lebensabend im kühlen Keller. Auf dem Wertstoffhof wird der Knubbel-Mac nicht landen, auch nicht bei Ebay. Dafür bin ich dem Würfel zu dankbar. Er hat mir nur ganz selten die Bombe gezeigt (Systemabsturz) und fast immer zuverlässig geschnurrt, auch wenn dank der lauter werdenden Festplatte später ein Knurren daraus wurde.

"Microsofts Windows-Strategie hat sich gelohnt. Noch heute sorgen die Techies in den Unternehmen dafür, dass nichts anderes als Microsoft-PCs auf die Arbeitstische kommt." Heinrich Vaske, CW-Chefredakteur

Das Betriebssystem Mac OS 6 sorgte für intuitive Bedienbarkeit, die Eingabe komplizierter Systembefehle war nicht vorgesehen. Und mit 1 MB RAM, einer 20-MB-Festplatte und einem FDHD-Diskettenlaufwerk (für HD-Disketten) war man damals bestens bedient, so gut, dass man sich heute immer noch fragt, womit sich die 4 GB RAM im neuesten PC eigentlich den ganzen Tag beschäftigen.

Schade, PC-Anwender haben das Gefühl nie kennen gelernt, ihren Rechner zu lieben. Sie ticken komplett anders als die Apfel-Gemeinde. PC-User sind von Natur aus aggressiv. Glücksgefühle kommen auf, wenn sie mit ihren Rechnern kämpfen und sie bezwingen können. Der Blue Screen of Death war stets der orgiastische Höhepunkt im Ringen mit dem System. Aufschrauben, manipulieren, aufrüsten - das sind Tätigkeiten, die PC-Nutzer lieben. Auf den 286er folgte der 386er, der 486er, der Pentium. Echte Fans haben noch jeden geschafft.

Naturgemäß wollte die PC-Gemeinde nie mit der hermetisch abgeriegelten Apple-Welt zu tun haben, machte diese doch Eingriffe auf Systemebene nahezu unmöglich. Die PC-Community schien sogar beleidigt, als Microsoft Windows 3.0 einführte. Eine grafische Benutzeroberfläche - wer braucht denn so etwas? Windows 1.0 und 2.0 liefen unter der Wahrnehmungsgrenze, aber Version 3 war allgegenwärtig und beleidigte die Intelligenz der PC-Freaks. Sie fühlten sich in der MS-DOS-Befehlswelt heimisch: cd.., del, copy, exit, das war - jetzt mal poetisch gesprochen - das Meer der Möglichkeiten, in dem sie baden wollten. Und nicht in einer Apple-Badeanstalt mit Bademeister und Badekappenzwang.

In Redmond hat man diese ungestüme Freiheitsliebe immer gesehen und Rücksicht genommen. Nur aus diesem Grund blieb Windows bis weit in die 90er Jahre hinein lediglich eine grafische Erweiterung für MS-DOS. Wäre - wie eben bei Apple - mehr daraus geworden, hätte Microsoft sich von Anfang an die Sympathien seiner Kernklientel verspielt. Also behielten Gates & Co. lieber die Nerds im Auge und schufen ihnen so eigenwillige Windows-Konstruktionen wie den Datei-Manager, den Programm-Manager oder den Drucker-Manager. Das alles hat sich gelohnt: Noch heute sorgen diese Techies in den Unternehmen dafür, dass nichts anderes als Microsoft-PCs auf die Arbeitstische kommt. Messen kann man sich an ihnen immer noch.