Berufsbild Informatikerin

"Die perfekte Kombination aus Theorie und Praxis"

14.09.2020 von Silke Blumenröder
Mareike Schmidt ist promovierte Informatikerin. Die Mutter einer Tochter hat sich nach dem Studium entschieden, in die Forschung zu gehen. Heute betreut sie für die imc AG nationale und internationale Innovationsprojekte.
Mareike Schmidt, promovierte Informatikerin und Projektmanagerin, arbeitet bei der imc AG, einem Anbieter für digitale Trainingslösungen.
Foto: imc/privat

Punkte in einem Labyrinth fressen, während Gespenster sie verfolgen. So in etwa sah Mareike Schmidts erste Computer-Erfahrung aus: "Ende der 80er-Jahre besuchte ich mit meinen Eltern Bekannte in den USA. Die Familie hatte einen PC, an dem wir Kinder spielen durften", erinnert sich die heute 41-Jährige. Als kurze Zeit später auch in den elterlichen Haushalt ein Computer einzieht, muss sich ihr Vater die elektronische Neuanschaffung mit seiner Tochter teilen.

"Der Spaß an PC-Spielen war mit ein Grund dafür, warum ich in der Oberstufe Informatik und die dazu passenden Leistungsfächer Mathematik, Englisch und Physik gewählt habe", sagt Schmidt. Fortan dient ihr der PC weniger dem Spielen und mehr dem Schreiben von Hausarbeiten oder um die Programmiersprache Pascal zu üben. Dann steht das Abitur vor der Tür und eine weitere, neue Aufgabe: "Während der Abizeit war ich schwanger, ins Studium startete ich dann als Mutter einer Tochter."

Doppelte Herausforderung: Studium mit Kind

Die Entscheidung nach der Hochschulreife an der TU Kaiserslautern Informatik zu studieren, fällt der jungen Mutter damals leicht: "Informatik ist für mich die perfekte Kombination aus Theorie und Praxis." Studium und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen, verlangt dagegen Organisationstalent: "Mir ist es immer wichtig gewesen, die Doppelbelastung durch Uni und Kind vor Dozenten oder Kommilitonen nicht in den Vordergrund zu stellen, ich wollte keine Sonderbehandlung", erklärt Schmidt. Sind doch einmal Ausnahmeregelungen erforderlich, hätten sowohl die Mitstudierenden - in der Mehrzahl Männer - als auch Professoren und Vorgesetzte immer sehr verständnisvoll reagiert. "Diese Erfahrung habe ich nicht nur während des Studiums gemacht, sondern auch in meinen späteren Jobs", betont die Informatik-Begeisterte und gibt zu: "Ohne die Unterstützung meiner Familie zuhause hätte ich das alles jedoch nicht geschafft." Insbesondere während Prüfungszeiten übernehmen Mareike Schmidts Eltern die Betreuung ihrer Enkelin und bestärken daneben ihre Tochter, den gewählten Weg weiter zu gehen.

Nach dem Studienabschluss beginnt die gebürtige Rheinland-Pfälzerin an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken in der Forschung zu arbeiten: "Für das Arbeiten an einer Uni hatte ich mich bewusst entschieden, mit dem Gedanken, dass sich das am besten mit der Kindererziehung vereinbaren lässt." Im Frühjahr 2011 promoviert Schmidt über die formale Verifikation eines Echtzeitbetriebssystems bevor dieses - etwa in Fahrzeugen - zum Einsatz kommt. "Je nachdem wie gravierend ein Softwarefehler ist, könnte er im operativen Betrieb eine Katastrophe auslösen. Das war zum Beispiel Mitte der 1990er Jahre in der Raumfahrt der Fall, als ein nicht erkanntes Problem in der Programmierung zum Absturz einer unbemannten Rakete führte", gibt die Diplom-Informatikerin ein Beispiel.

Zu Mareike Schmidts Doktorarbeit hätte gut eine anschließende Karriere in der Fahrzeugindustrie gepasst. "Doch die großen Konzerne sitzen fast alle in Süddeutschland, ich wollte gerne in Saarbrücken bleiben. Vor allem, um meiner Tochter einen erneuten Schulwechsel zu ersparen", erklärt die Pragmatikerin ihre damaligen Beweggründe. Als frisch promovierte Informatikerin findet sie schließlich eine Stelle, die wie für sie gemacht scheint: Der E-Learning-Anbieter imc sucht Leute für sein Forschungsteam.

Google und Co: Hier wollen angehende Informatiker am liebsten arbeiten
Wo Informatikstudenten arbeiten wollen
Seit 20 Jahren befragen die Berliner Markt­forscher des Trendence Instituts IT-Studenten und Absolventen nach ihren Traumarbeitgebern. In diesem Februar haben knapp 8.000 ITler ihre Stimme abgegeben.
Platz 1: Google
Seit 2008 ist Google der Traumarbeitgeber für Informatiker. In dem Jahr wollten 21,7 Prozent der Befragten zum Internetkonzern.
Platz 2: Apple
In Deutschland beschäftigt der iPhone-Hersteller gut 2.500 Mitarbeiter. Im Bild das geplante neue Bürogebäude für die Deutschland-Zentrale in München.
Platz 3: Microsoft
Sabine Bendiek, Chefin von Microsoft Deutschland, kann sich freuen: Seit Jahren belegt der Konzern Top-Plätze.
Platz 4: SAP
Der Walldorfer Softwarehersteller ist das einzige deutsche Unternehmen , das sich einen Spitzenplatz im Ranking sichern konnte.
Platz 5: Amazon
Zwei Platze rauf kletterte der Online-Händler, der für Informatiker vor allem wegen seiner Cloud-Plattform AWS interessant sein dürfte.
Platz 6: BMW
Die Münchner sind zwar immer noch am beliebtesten unter den Autobauern, aber auch um einen Platz schlechter gerankt als 2019. Im Bild BMW-Chef Oliver Zipse.
Platz 7: Daimler
Mit Hackathons visierten die Stuttgarter vor allem die IT-Studenten an. Dennoch rutschte Daimler um einen Platz ab.
Platz 8: Blizzard Entertainment
Von der Faszination für die Produkte profitiert der Spieleproduzent und liegt darum als attraktiver Arbeitgeber ganz vorne.
Platz 9: Porsche
Der Sportwagenhersteller schaffte es als einziger Autobauer, sich im Vergleich zum Vorjahr um vier Plätze zu verbessern.
Platz 10: Bosch
Automobilzulieferer und Techkonzern Bosch konnte seinen zehnten Platz behaupten.
Platz 11: Audi
Um drei Plätze verschlechterte sich der Ingolstädter Autobauer im Vergleich zum Vorjahr und liegt damit ganz im Trend der Branche.
Platz 12: Siemens
Der Industriekonzern verliert Jahr für Jahr in der Gunst der Informatiker. Vor 15 Jahren war Siemens der Wunscharbeitergeber der ITler.
Platz 13: IBM
Mit dem Watson IoT Center ist IBM in München direkter Nachbar von Microsoft in München, aber im Trendence-Ranking 10 Plätze hinter Microsoft.
Platz 14: BSI
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie warb vor Corona auf Jobmessen um den Nachwuchs, zumal der Thema IT-Security immer wichtiger wird.
Platz 15: Fraunhofer-Gesellschaft
Die Forschungsgesellschaft mit ihren zahlreichen Instituten und Spezialisierungen bietet Forschungsinteressierten viele Einstiegsmöglichkeiten. Allerdings sind die Arbeitsverträge oft befristet.
Platz 16: BND
Der Bundesnachrichtendienst wirbt seit Jahren verstärkt um junge IT-Experten.
Platz 17: Airbus
Der Flugzeugbauer, ein deutsch-französisches Gemeinschaftsunternehmen, ist als Arbeitgeber auch beliebt. Allerdings rechnen die Studenten damit, dass sie die Einstiegschancen im Zuge der Corona-Krise verschlechtern.
Platz 18: DLR
Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum ist einer der öffentlichen Arbeitgeber, die in der Gunst des IT-Nachwuchses gewinnen.
Platz 19: Electronic Arts
Nach Blizzard der zweite Spieleproduzent unter den beliebtesten Arbeitgebern der IT-Studenten.
Platz 20: Nvidia
Der Hersteller von Grafikprozessoren ist in Deutschland in Berlin, München, Stuttgart und Würselen vertreten.

Forschen an innovativen Lehr- und Lernmethoden

Die nationalen und internationalen Projekte, die Schmidt bis heute für die imc AG mit verantwortet, drehen sich um digitales Lernen in ganz unterschiedlichen Anwendungsgebieten: D-MasterGuide wendet sich etwa an angehende Meister im Bauhandwerk: Meisterschüler lernen ein Bauprojekt über alle Phasen hinweg digital zu planen. Inklusive einer Online-Recherche nach Materialien, einer digitalisierten Personalplanung sowie der Dokumentation von Arbeitsfortschritten mit Kameras. Im Projekt "Lern2Analyze" geht es darum, digitale Lernangebote optimal an Teilnehmer-Bedürfnisse anzupassen. "Wer E-Learning nutzt, hinterlässt Spuren. Wir analysieren diese um Kurse zu verbessern und den Teilnehmern das Lernen zu erleichtern", erläutert Schmidt die Hintergründe. Im Rahmen des von der EU geförderten Innovationsprojektes entwickeln Wissenschaftler einen Online-Kurs über Learning Analytics, der Interessenten online frei zugänglich ist.

Die Mischung aus immer wieder neuen Projekten, die den Austausch mit externen Kooperationspartnern erfordern und Routinen, wie regelmäßige Teammeetings gefällt Mareike Schmidt. "An meinem Job mag ich außerdem, dass man ihn nicht auf 20 Jahre vorhersehen kann, da meine Arbeit sich durch das Entdecken und Erschaffen neuer Trends ständig weiterentwickelt." Dass sie - wie schon im Studium - auch heute noch mehr mit Männern als mit Frauen zusammenarbeitet, empfindet die Mutter einer inzwischen 22-jährigen Tochter weder als Vor-, noch als Nachteil: "Ich halte nicht viel von Klischees. Wichtig ist die Lust am Tun, egal, ob Mann oder Frau." (mp)