SAP kooperiert mit Spitzenverband ZIA

Die Immobilienbranche digitalisiert sich

20.06.2017 von Martin Bayer
Der digitale Wandel hat auch die Immobilienbranche fest im Griff. Sogenannte PropTech-Startups klinken sich mit digitalen Services in die Wertschöpfungsketten ein. Nun will der Spitzenverband der Branche ZIA gemeinsam mit SAP das Digitalisierungsheft in die Hand nehmen.

Das Internet of Things (IoT), Big Data, Blockchain-Technik und Echtzeit-Datenverarbeitung - das sind die Technologien, die SAP einsetzen möchte, um der deutschen Immobilienwirtschaft in Sachen Digitalisierung unter die Arme zu greifen. Der deutsche Softwarehersteller hofft damit offenbar, einen neuen lukrativen Markt zu erschließen. Helfen soll dabei auch eine Kooperation und Systempartnerschaft mit dem Zentralen Immobilien Ausschuß (ZIA), dem Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft.

Die Immobilienwirtschaft digitalisiert sich.
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"Um die Stabilität der Immobilienwirtschaft nachhaltig zu gewährleisten, muss sich die Branche auch auf aktuelle Einflüsse wie die Digitalisierung und Automatisierung einstellen", erklärte Andreas Mattner, Präsident des ZIA. Verbandsangaben zufolge arbeiten deutschlandweit rund 800.000 Unternehmen in dieser Branche. Man freue sich, künftig auch auf die jahrelange Expertise von SAP in der Digitalisierung im Immobiliensektor, aber auch zahlreichen anderen Wirtschaftssektoren zurückgreifen zu dürfen, ließ Mattner durchblicken. "Gemeinsam mit unseren weiteren Mitgliedsunternehmen und -verbänden wollen wir das ambitionierte Ziel der Digitalisierung mit aller Kraft verfolgen."

Auch die Immobilienbranche muss sich auf aktuelle Einflüsse wie Digitalisierung und Automatisierung einstellen, sagt Andreas Mattner, Präsident des ZIA.
Foto: ZIA

Leonardo wird zur intelligenten Schaltzentrale

Dreh- und Angelpunkt für die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft soll aus Sicht von SAP die eigene IoT-Plattform "Leonardo" bilden. Erst vor wenigen Wochen hatte der Softwarekonzern im Rahmen seiner Kundenkonferenz Sapphire in Orlando angekündigt, Leonardo massiv ausbauen zu wollen. Das erweiterte Portfolio von SAP Leonardo bringe Lösungen für maschinelles Lernen, das Internet der Dinge, Big Data, Analysen und Blockchain auf der SAP Cloud Platform mit SAPs Prozess- und Branchenwissen und Design-Thinking-Methoden zusammen, so der Plan des Softwareherstellers.

Die SAP-Verantwortlichen sehen Leonardo als Schaltzentrale für das intelligente Unternehmen. Markus Noga, Head of Machine Learning bei SAP, sprach von einer neuen Ära für digitale Unternehmen und bezeichnete die Infrastruktur aus Leonardo, der SAP Cloud-Plattform, neuen Services sowie dem klassischen ERP-Kern als "Nervensystem des intelligenten Unternehmens". Leonardo stehe dabei für das "Digitale Innovationssystem".

SAP-Anwendungen im Bereich Immobilien werden mit SAP Leonardo rund um das Internet der Dinge und Industrie 4.0 erweitert, kündigte Tanja Rückert, President IoT & Digital Supply Chain bei SAP, an.
Foto: SAP

Davon möchte auch die hiesige Immobilienwirtschaft profitieren. So streben die ZIA-Verantwortlichen im Rahmen der Partnerschaft die Gründung eines Digitalisierungsausschusses an, unter dem Vorsitz von Tanja Rückert, President IoT & Digital Supply Chain bei SAP. "Die SAP-Anwendungen im Bereich Immobilien werden mit SAP Leonardo rund um das Internet der Dinge als auch Industrie 4.0 erweitert", kündigte Rückert an. Zusätzlich arbeite SAP gerade daran wir, Real Estate Management neu zu erfinden, sagte die SAP-Managerin.

"Mit SAP Cloud for Real Estate und dem SAP Project Information Network bieten wir bereits viele Möglichkeiten zur Erfassung eines Gebäudes über seinen kompletten Lebenszyklus von der Planung, über den Bau bis hin Betrieb." Darüber hinaus soll das Lösungspaket für die Immobilienwirtschaft weiter ausgebaut werden. "Die Blockchain-Technologie wird rund um die Welt dezentralisiert Transaktionen ermöglichen", prognostizierte Rückert. Machine Learning werde den Digitalen Zwilling eines Gebäudes so intelligent machen, dass das reale Bauwerk, wirklich zum vielbeschworenen Smart Building wird.

PropTechs heizen der klassischen Immobilienwirtschaft ein

"Nahezu jedes Unternehmen der Immobilienwirtschaft wird inzwischen erkannt haben, wie wichtig eine geeignete Analyse bestehender und neuer Technologien für die Geschäftsfelder und die Entwicklung des eigenen Unternehmens ist", konstatierte Martin Rodeck, Innovationsbeauftragter des ZIA. Rodeck bezog sich dabei auf eine Umfrage, die der Immobilienverband gemeinsam mit Ernst & Young Real Estate (EY Real Estate) durchgeführt hat. Dabei wurden im vergangenen Jahr über 150 Unternehmen aus der hiesigen Immobilienwirtschaft befragt.

Eine Umfrage des Zentralen Immobilien Ausschuß (ZIA) und von Ernst & Young Real Estate hat gezeigt: Das Thema Digitalisierung ist in der Immobilienwirtschaft angekommen.
Foto: ZIA /EY Real Estate

Dabei wurde auch klar, dass die Branche mitten in der digitalen Disruption steckt, wie viele andere Branchen auch. Und wie in anderen Industrien gibt es auch im Immobilienbereich junge Digital-Startups, die sich in die Wertschöpfungskette der etablierten Platzhirsche einklinken und damit kräftig für Unruhe im Markt sorgen. Was in der Finanzbranche rund um Banken und Versicherungen die Fintechs sind, sind in der Immobilienbranche die sogenannten "PropTechs" - Anbieter von zumeist digitalen Property Services. "PropTechs zielen entweder auf effizienzsteigernde Maßnahmen für bestehende Prozesse oder die Einführung neuer Technologien und Geschäftsmodelle, die ältere ablösen könnten, ab", erläuterte Rodeck.

Synergieeffekte werden noch zu wenig erkannt

Aus Sicht des Innovationsbeauftragten des ZIA geht es vor allem auch darum, Synergieeffekte zwischen jungen und erfahrenen Unternehmen zu erzielen und neue Wege zu gehen. "Beim Thema Kooperation haben insbesondere die 'alteingesessenen' Marktteilnehmer noch Entwicklungspotenzial", stellte Rodeck fest. Etliche Unternehmen würden den Mehrwert durch PropTech-Startups für ihr Geschäftsfeld nicht anerkennen, andere Unternehmen betrachteten die jungen Engagements sogar als geschäftsschädigend und verweigerten deshalb jegliche Kooperation. Das könne jedoch zur Folge haben, dass die entsprechenden Unternehmen den Anschluss verpassen.

Mobile Endgeräte, Cloud, Big Data und Datenstrukturierung sind die wichtigen digitalen Themen, mit denen sich die Immobilienwirtschaft derzeit hauptsächlich beschäftigt.
Foto: ZIA /EY Real Estate

Immer mehr etablierte Unternehmen sehen jedoch das Potenzial, sagte Rodeck, und verwies dabei auf die Umfrage. Die Immobilienwirtschaft müsse verstehen, dass Innovationen wie Big Data, Blockchain oder auch Building Information Modeling keine Gefahr für das eigene Geschäftsmodell darstellten, sondern vielmehr einen Mehrwert. "Die Planungssicherheit steigt, das Kostenrisiko wird reduziert, Fehler können vermieden werden", warb der ZIA-Innovationsbeauftragte für mehr digitale Offenheit.

Zudem werde die Transparenz für Planer, Entwickler, Vermieter, Nutzer oder auch Investoren höher, und zwar in der gesamten Wertschöpfungskette. "Intelligente Gebäude und Smart Technology erleichtern unsere Arbeit schon heute", lautete Rodecks Fazit. "Als Branche sollten wir uns deshalb darauf konzentrieren, miteinander statt gegeneinander zu arbeiten und die Digitalisierung voranzutreiben. Wir sollten unsere gewachsenen Möglichkeiten nutzen und uns nicht vor den Risiken neuer Geschäftsmodelle fürchten."

Fast alle setzen auf Digitalisierung

Die Studie "Einsatz digitaler Technolgien in der Immobilienwirtschaft" scheint indes zu belegen, dass sich die Branche zunehmend dem digitalen Wandel öffnet. Über 90 Prozent der befragten klassischen immobilienwirtschaftlichen Unternehmen identifzieren demzufolge das Thema Digitalisierung als sehr relevantes Handlungsfeld für sich. 83 Prozent setzen eigenen Angaben zufolge bereits digitale Technologien ein. Daten und Informationen liegen bei über 70 Prozent der Befragten digital und strukturiert vor. In fünf Jahren soll diese Quote bei nahezu 100 Prozent liegen.

Den Unternehmen der deutschen Immobilienbranche geht es in Sachen Digitalisierung vor allem um mehr Effizienz in den Kernprozessen.
Foto: ZIA /EY Real Estate

In immer mehr immobilienwirtschaftlichen Unternehmen entwickelten sich der Studie zufolge Prozesse, Systeme und Produkte im IT-Bereich immer stärker von der Supportfunktion zur Kernkompetenz. Dabei fänden neue Technologien immer mehr Beachtung der Verantwortlichen. Mobile Arbeitsgeräte würden aktuell und in Zukunft die bedeutendsten Instrumente der klassischen immobilienwirtschaftlichen Unternehmen darstellen. Darüber hinaus würden insbesondere Cloud-Technologien und virtuelle Datenräume in Zukunft stark an Bedeutung gewinnen. Aber auch digitale Plattformen, Smart Contracts und Augmented Reality rückten in den Fokus der klassischen Immobilienbranche.