SAP-CTO Vishal Sikka

Die Cloud-Kooperation

04.08.2009 von Thomas Wailgum
Vishal Sikka ist der CTO von SAP. Er weiß, wie die Applikationen für den Kunden bald aussehen werden. Mit seinem Team sowie Kunden und Partnern denkt der Stanford-Absolvent völlig neu über Unternehmensarchitektur und Governance-Mechanismen nach. Er will öffentliche und private Clouds wieder zusammenbringen. Und schimpft auf kleine Cloud Computing-Anbieter. Ein Interview von CIO.com-Redakteur Thomas Wailgum.

Das Ziel der Arbeit des SAP-CTO ist vor allem Klarheit zu finden, wo der Kunde einen komplexen Aufbau sieht. Sikka möchte Harmonie in den Applikationen, klar strukturierte, leicht nachzuvollziehende Landkarten, die eine Orientierung bieten.

"Innovation ist möglich, ohne die Integrität der Produkte zu schädigen", sagt Vishal Sikka, CTO von SAP.

Das ist keine leichte Aufgabe. SAP als traditionelles ERP-Systemhaus wird von kleineren Anbietern von On-Demand-Anwendungen angegriffen. Der Wert von Betriebskosten ist mehr denn je in Frage gestellt. Und das Geflüster um die nächste Generation von Cloud-Computing-Angeboten schafft einen großen Druck auf das von SAP erstellte Geschäftsmodell.

Sikka ärgert sich über technisch unfertige Cloud-Plattformen

SAP ist in der Tat für sein sehr gepriesenes und mit Verspätung lancierte Business ByDesign-Angebot kritisiert worden - seine Suite an On-Demand-Applikationen für kleine und mittelständische Unternehmen. Mit dem analytischen Verstand eines IT-Wissenschaftlers (Sikka hat einen Doktortitel in Computer Science von Stanford), ärgert sich Sikka über SaaS-Verkäufer, die Cloud-Computing-Plattformen anpreisen, die technisch nicht korrekt sind.

Im April 2007 hat Sikka den CTO-Job von Firmengründer Hasso Plattner übernommen.
Foto: SAP AG

Die Labors von SAP liegen in Palo Alto, Kalifornien. Sikka ist seit Anfang 2007 hier der erste CTO. Mit dem Rücktritt von Firmengründer Hasso Plattner aus dem Tagesgeschäft wurde eine neue Position frei. Plattner war über Jahrzehnte SAPs ungenannte CTO. Sikka hat in seinen Büros mehr als tausend Angestellte.

SAP-CTO Sikka im Interview über SAPs Anstrengungen in Sachen Cloud Computing, über seine Initiative "Zeitlose Software" und darüber, was der Kunde über Business ByDesign wissen muss.

CIO.com: Zur Zeit gibt es sehr viele Veränderungen und Konsolidierungen auf dem Markt für Unternehmenssoftware. Die SAP-Produktpalette herauszustellen scheint deshalb gerade jetzt sehr wichtig zu sein, weil der Kunde wissen will, wie das Portfolio von SAP aussieht. Sehen Sie das genauso?

Sikka: Es ist im Moment eine große Herausforderung wegen des großen Spektrums, das SAP bietet - nicht nur durch die verschiedenen Branchen und Länder, sondern auch innerhalb des Lösungsportfolios. Wir bieten Applikationen für Transaktionen bis hin zu Business-User-Lösungen: BI, neue Nutzererfahrungen, Mobilität und so weiter. Es ist eine große Bandbreite an Angeboten.

Um die Integrität zu wahren und eine kontinuierliche Entwicklung zu ermöglichen, ist Innovation die große Herausforderung. Deshalb haben wir unsere technologische Strategie entwickelt, die ich "Zeitlose Software" genannt habe. Im wesentlichen sind dies ein Set von Grundsätzen, mit denen wir sicherstellen, dass unsere Produkte die beste Innovation liefern.

CIO.com: Wie viel "zeitlose Software" verkaufen Sie und wie viel steckt in dem, was Sie tun?

Sikka: Viele unserer Kunden haben alle unsere Produkte im Einsatz, deshalb müssen wir zwei Dinge auf einmal wahren. Zunächst müssen wir sicher stellen, dass wir die beste Innovation liefern - egal ob mobile User Interfaces, analytische Lösungen oder Business-User-Produkte. Dann gibt es die Plattform, auf der geschützte Geschäftsprozesse laufen - für Finanzen, Procurement, Supply Chain Management und andere Bereiche.

Unser Ziel ist, dies alles in diesem Spektrum so anbieten zu können, dass die Kosten für unseren Kunden und auch unsere eigenen Betriebskosten gering bleiben.

Da liegt die Dualität: Bisher haben wir in unserer Branche gedacht, dass dies nicht möglich ist, dass man entweder Innovation fördert oder Integrität schafft. In den letzten beiden Jahren ist es uns gelungen, eine Software-Architektur zu erstellen, die Innovation aufnimmt und diese sehr schnell in Produkte umsetzt. Das ist möglich, auch ohne die Integrität zu schädigen.

CIO.com: Können Sie mir ein Beispiel nennen?

Sikka: Mit der Business Suite 7 haben wir nun etwas mehr als 3 000 Unternehmens-Services. Diese machen die gesamte Suite von außen programmierbar. Auch wenn wir Zehntausende von Bildschirmen, und Hunderte von Geschäftsprozessen auf der Suite haben, gibt es immer noch mehr Nutzer-Interfaces und Prozesse, die von unseren Kunden oder Partnern gebaut werden. Und dieser Prozess geht weiter in unsere Produkte ein, so wie in CRM oder Business ByDesign.

Es gibt einen Servicelayer für die User Interfaces (UI). Das bedeutet, dass wir sehr schnell ein mobile UIs hinzufügen können, wie wir das mit RIM oder dem Blackberry und jetzt mit Sybase gemacht haben. Und wir machen das mit Apple und dem iPhone, obwohl wir das bis jetzt nicht angekündigt haben. Wir arbeiten in den Labors daran, diese neuen UIs einzubringen, ohne die darunter liegende Applikation zu verändern.

Jeder Kunde ist anders

CIO.com: Wie steht es um den Spagat zwischen Kunden, die immer zwei Schritte zurück liegen und denen, die immer das Neueste wollen - wie können Sie das ausbalancieren?

Sikka: Es gibt Kunden, für die ist Innovation eine Notwendigkeit, für die anderen Kunden bedeutet Innovation Komfort.

Für die, die eine Notwendigkeit darin sehen, liefern wir Innovation sobald sie kommt. Die anderen sehen den Komfort darin, Innovation zu bekommen, wenn sie dafür bereit sind.

Es gibt aber auch Kunden, die eine solche technische Führerschaft anstreben, für die wir keine Produkte haben. Wir arbeiten mit ihnen an Kunden-Innovations-Vereinbarungen und an Dingen, die noch keine Produkte sind. Eigentlich auch an Dingen, die nie Produkte werden, weil dahinter nicht genug Potential steckt, um sie zu verkaufen. Wir können diese Sachen in die Produktion aufnehmen als eine einmalige Aktion.

SAP will öffentliche und private Clouds zusammenbringen.
Foto: MEV Verlag

CIO.com: Es gab viel Gerede um "The Cloud" und wie die Produkte und Strategie von SAP in das Cloud Computing passen. Wie ist Ihre Haltung dazu?

Sikka: Alles in allem hat unsere Cloud-Strategie vier Teile.

1. Heute nutzen Hunderte von Kunden unsere Software, um geschützte Cloud-Services ihren Kunden, Partnern, Angestellten und Zulieferern zu schicken und das in einem größeren Spektrum als einige dieser SaaS- Unternehmen. Einer unserer großen Bankkunden in Deutschland hat 40 Millionen Kunden und sie nutzen unsere Software für Banktransaktionen. Es gibt Tage, an denen sie acht Millionen geschützte Transaktionen pro Stunde tätigen. Wir arbeiten mit unseren Partnern, wie HP, IBM Vmware, Citrix - um sicher zu stellen, dass unsere Software Cloud-basierte Techniken unseren Kunden und ihren Geschäftsnetzwerken bereitstellen kann.

2. Wir erhöhen das Cloud-Angebot mit neuen Services, die wir selber liefern können. Das sind schmale Applikationen - wie beispielsweise Talentmanagement, Verkaufsautomation und Preisoptimierung. Wir werden diese Angebote bald liefern oder wir liefern sie bereits als integrierte oder zusätzliche Services, die wir in der Cloud anbieten. Diese Clouds werden auch von unseren Partnern unterstützt und von uns betrieben.

3. Das dritte Teilstück ist das Business ByDesign, das eine komplett andere Kategorie von Software ist. Es ist eine integrierte Suite für ein mittelgroßes Unternehmen, was niemand anderes bietet. Es ist nicht wie Salesforce Automation oder Talent Management, oder was Workday oder NetSuite macht, das etwa wie eine HR-Applikation arbeitet. Business ByDesign ist ein Stück Software, das ihre ganzen Geschäfte erledigt: Finanzen, Herstellung, Anschaffung, Verkauf, CRM, integrierte Analyse - das ganze Geschäft. Sie müssen verstehen, dass die meisten unserer Kunden sehr viel Geld in ihre Datenzentren investieren, und diese Investitionen sollen nicht eines guten Tages einfach so verschwinden. Ich gehe davon aus, dass wir in absehbarer Zukunft wegen dieser Investitionen eine duale, hybride Welt von privaten und öffentlichen Clouds sehen werden. Diesen Unternehmen, die sehr viel Geld in ihre Datenzentren investieren, werden andere Anbieter wie VMware, Microsoft, Citrix, HP and IBM Services anbieten, um sie in private Clouds zu verwandeln. Das bedeutet, dass dies die Kapazitäten von Amazon oder einem dieser öffentlichen Cloud Providers als natürliche Erweiterung der Private Cloud erhöhen kann.

4. Und das ist unser viertes Teilstück. Wir arbeiten mit ihnen zusammen und einige unserer Kunden tun dies bereits, um die öffentlichen und privaten Clouds wieder zusammen zu bringen.

SAP-CTO über Cloud-Computing

CIO.com: Beunruhigt sie als Technik-Experte der Hype und die damit verbundene Verwirrung um Cloud Computing?

Sikka: Ich finde es manchmal unterhaltsam. Wenn Verkäufer ihre kleine automatische Verkaufs- Applikation eine "Plattform" nennen, das beunruhigt mich eher, wenn ich ehrlich bin.

CIO.com: Es gibt Meinungen, die behaupten, SAP habe bisher noch nicht on the Cloud geliefert, hauptsächlich wegen Verspätungen mit der Business ByDesign. Ist das beunruhigend?

Sikka: Wenn ich mit Leuten über SaaS rede oder über das, was Cloud bedeutet, dann sage ich, dass SAP seit den 90er Jahren ihren Kunden ein Subscription-Modell anbietet und das über fünfzehn Jahre - wir bieten den Kunden als seit vielen Jahren Zugang zu unseren Produkten gegen eine Nutzungsgebühr. Zudem haben wir in unserer Software seit es die R/2-Version gibt ein Multitenancy-Modell - Instanzen einer Software laufen also als Sofrtware as a Service auf den Servern des Anbieters. Eigentlich ist fast alles in unserer Suite so angelegt, und wir haben Kunden, die fahren ihre Software komplett in diesem Modus.

Also haben wir Multitenancy. Subscription? Haben wir seit langem. Und warum? Wenn Sie versucht haben, Analysen auf Salesforce.com zu machen, dann mussten Sie Ihre Daten exportieren und die Analysen woanders machen. Und wenn Sie ein 50 Terabyte großes Datenhaus leiten, wie einige unserer Kunden es tun, dann können sie das nicht multitenant tun. Deshalb es dies eine unglaublich intensive Operation mit großen Datenmengen auf dem Hauptrechner.

Vishal Sikka über Business ByDesign

CIO.com: Was sollten die Leute über Business ByDesign und die Pläne von SAP über On-Demand- Software an dieser Stelle lesen?

Sikka: Das es eine geschützte, integrierte Applikations-Suite ist. Um es dahin zu bringen, dass es beim Kunden als ein Service genutzt werden kann, müssen Integrität und Stabilität gewährleistet sein. Man kann sich keinen 8-Stunden Ausfall in einem Service oder einem Sicherheitssystem vorstellen. Man handelt mit Daten über Finanzen, Gehaltsabrechnungen und Kundendaten und wenn die Dinge nicht laufen, können Leute dafür ins Gefängnis gehen.

Man muss es ganzheitlich sehen - und nicht nur vom Kosten- oder Marktstandpunkt. Es ist eine vielschichtige Perspektive. Für uns ist es wichtiger, die Dinge am Anfang zu kontrollieren, um sicherzustellen, dass der Kunde seinen Nutzen hat und mit der Software wächst. Das ist besser, als aus dem Gespräch zu gehen und irgendeine Auffassung über Cloud Computing oder SaaS zu verbreiten.

Deshalb nehmen wir uns die Zeit dafür. Es hat zwar etwas länger gebraucht als wir dachten, aber wir konnten es uns leisten.