Ein Case-Tool hilft bei der Portierung von DOS-Programmen

Die Chrysler-Händler bekommen eine neue alte Windows-Software

09.02.2001
Ursprünglich war "Cid Car", eine Verwaltungssoftware für Chrysler-Vertragshändler, eine DOS-Anwendung. Heute ist der Software diese Vergangenheit nicht mehr anzusehen. Die Chrysler Software GmbH, Kerpen, portierte ihr Produkt mit Hilfe eines Case-Tools von Computer Associates (CA) auf Windows. Ludwig Mertens* beschreibt das Prozedere.

Erfahrene DVler schätzen noch immer die Betriebssicherheit schlank gestrickter DOS-Programme. Doch viele Anwender geben sich mit den schlichten Oberflächen und unkomfortablen Eingabemasken, der mangelnden Integrationsfähigkeit und der begrenzten Funktionalität nicht mehr zufrieden. Das musste vor knapp zwei Jahren auch Stefan Aretz, Leiter Händlersoftware bei der Chrysler Software GmbH, feststellen.

Aretz ist für den Vertrieb der Software "Cid Car" (Communication Information and Dealing System for Cars) zuständig. Die Software dient der Verwaltung eines Autohauses. Sie wurde ursprünglich bei Chrysler in Power Basic entwickelt und verwaltet die Daten in einem File-System. Bislang nutzten in Deutschland 160 der 250 Chrysler-Händler Cid Car. "Die restlichen Händler konnte ich mit dem alten System nicht mehr überzeugen", so Aretz.

Chrysler Software, ein Tochterunternehmen der Daimler-Chrysler AG, entstand 1955 aus der DV-Abteilung der damaligen Chrysler Deutschland GmbH. Sie entwickelt IT-Speziallösungen für das Mutterhaus und die Chrysler-Vertragshändler. Von letzteren wird ein monatlicher Obulus für die Cid-Car-Lizenz verlangt.

Mit der Portierung auf Windows-Plattformen und verbesserten Integrationsmöglichkeiten für Standardsoftware sollten die Marktchancen für das System steigen. Die Entwickler von Chrysler Software entschieden sich schnell gegen eine manuelle Portierung: "Das hätte viel zu lange gedauert - nach unserer Schätzung zehn Mannjahre", erinnert sich Ralf Pape, Leiter Datenverarbeitung und Organisation. Selbst mit dem Einsatz von Entwicklungsumgebungen und Design-Tools wie "Visual Age" von IBM oder dem marktführenden UML-Tool "Rational Rose" hätte das Projekt immer noch sechs Mannjahre gedauert.

Schließlich entschied sich das Softwarehaus für das CA-Tool "Cool:Plex", das in Deutschland von der AD Solutions AG vertrieben wird. Es enthält Design-Patterns, die in einer 4GL-Sprache beschrieben sind. Die Muster bilden Geschäftsvorfälle wie Datenbankzugriffe, Listendarstellungen, Workflows und Geschäftskontakte ab. Sie stammen vom Hersteller, kommen von Drittanbietern oder werden vom Anwender selbst entwickelt.

Aus allen Entwurfsmustern erstellen die Entwickler die Architektur ihrer Anwendung, ohne sich um die Programmierung kümmern zu müssen, den C++- oder Java-Code erzeugt ein Generator. Zugleich sind die Programmierer durch die Patterns an strikte Regeln gebunden: So sehen Eingabefelder immer gleich aus, Änderungen erfolgen nur an einer Stelle und werden automatisch für alle Programmteile übernommen. "Ein wildes Herumprogrammieren wird damit von Anfang an vermieden", schmunzelt Pape.

Allerdings bedurfte es einer Cool:Plex-Schulung der Mitarbeiter von Chrysler Software. Dafür waren Anfang 1999 zwei Mitarbeiter von AD Solutions für zwei Monate vor Ort. Die Umstellungsarbeiten begannen anschließend im März 1999. "Im Nachhinein betrachtet, war das zu früh", blickt Pape zurück. "Wir hatten das System noch nicht im Griff." Richtig produktiv habe das Entwicklungsteam aus zwei Chrysler-Software-Mitarbeitern und einem Abgesandten des Softwarelieferanten erst ab September 1999, also sechs Monate nach dem Projektstart, arbeiten können.

Insgesamt wurden in 4,5 Mannjahren rund zehn Millionen Zeilen nativer Code generiert. Die neue Version von Cid Car enthält zudem mehr Funktionen als der DOS-Vorläufer. Lediglich die Werkstattorganisation und die Lagerverwaltung konnten die Programmierer noch nicht erneuern. Diese Anwendungsbereiche integrierten sie als DOS-Programme in die neue Applikation.

Seit Juni 2000 laufen die ersten Pilotanwendungen bei einer Reihe von Chrysler-Händlern. Für Anfang 2001 war die sukzessive Einführung bei 160 Chrysler-Händlern mit insgesamt 1500 Arbeitsplätzen vorgesehen.

*Ludwig Mertens ist Fachautor in Hamburg.

VERTRAG ADEDaimler-Chrysler hat seinen Chrysler-Händlern zum 31. Dezember 2002 die Verträge gekündigt. Wie Markus Hauf, Leiter Produktpresse Chrysler und Jeep bei der Daimler-Chrysler-Vertriebsorganisation Deutschland, Berlin, mitteilt, wird ein Großteil der Händler nach Ablauf der Frist mit neuen Kontrakten weiter für den Autohersteller arbeiten. Auf längere Sicht solle sich das Netz von derzeit 244 Vertriebsstellen sogar vergrößern.