Hyperledger Global Forum

Die Blockchain-Community drängt in die Unternehmen

21.12.2018 von Wolfgang Herrmann
Auf ihrem ersten globalen Treffen präsentierte die Open-Source-Community hinter dem Projekt Hyperledger prominente neue Mitglieder wie die Deutsche Telekom, Citigroup und Alibaba Cloud. Im Mittelpunkt standen praktische Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie.

"Die Größe und Vielfalt der Community, die für das Hyperledger Global Forum zusammenkommt, ist ein Beweis für die Eigendynamik und Entwicklung der Unternehmens-Blockchain", warb Brian Behlendorf, Geschäftsführer von Hyperledger, zum Auftakt der Veranstaltung. Die Fachkonferenz lockte gut 700 Besucher ins schweizerische Basel, darunter Softwareentwickler und Blockchain-Interessierte ebenso wie Vertreter großer Unternehmen wie IBM, Cisco, Intel und Swisscom.

Das Hyperledger-Projekt der Linux Foundation hat sich die Förderung branchenübergreifender Blockchain-Technologien auf die Fahne geschrieben.
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Hinter Hyperledger steckt ein Projekt der Linux Foundation, das vor knapp drei Jahren an den Start ging. Erklärtes Ziel ist die Förderung branchenübergreifender Blockchain-Technologien. Dazu hat die Initiative bisher mehr als 260 Mitglieder gewonnen, unter ihnen etliche bekannte Unternehmen aus den Bereichen Finanzen, Banking, Internet of Things, Logistik, Fertigung und Technologie. Auf dem Global Forum präsentierte die Community mehr als ein Dutzend neue Mitglieder. Dazu gehören unter anderem die Deutsche Telekom, Alibaba Cloud, we.trade und die New Yorker Großbank Citigroup.

Die Hyperledger-Community will künftig enger mit der Ethereum Enterprise Alliance kooperieren, die ähnliche Ziele verfolgt, dabei aber auf die weitverbreitete Open-Source-Plattform Ethereum setzt. Beide Organisationen kündigten in Basel die gegenseitige Mitgliedschaft ihrer Nutzergemeinden an.

Trotz zahlreicher Entwicklungs- und Forschungsaktivitäten sind produktive Blockchain-Systeme in Unternehmen bislang noch selten anzutreffen. Kritiker verweisen auf technische Restriktionen und Nachteile des auch als Distributed Ledger (DLT) bezeichneten Konzepts (Lesen Sie dazu auch: Blockchain - die Chancen und die Risiken). Die Protagonisten betonen dagegen die vielfältigen praktischen Einsatzmöglichkeiten und das "disruptive Potenzial", das Blockchain-Technologien in vielen Bereichen berge.

Brian Behlendorf, der als einer der Entwickler des Apache-Web-Servers und Mitgründer der Apache Group in der IT-Branche eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, stellte die rasante Entwicklung der Hyperledger-Community heraus. Mit mehr als 260 Mitgliedsorganisationen, hunderten Code-Autoren, zehntausenden Teilnehmern aus der Community und elf Millionen Code-Zeilen hätten sich die Nutzergemeinde und die Technologien von Hyperledger zur treibenden Kraft in der Einführung von verteilten Ledger-Systemen entwickelt: "In den Diskussionen geht es jetzt um die realen Auswirkungen und den Einfluss von DLT-Implementierungen."

Tatsächlich wurden auf der Fachkonferenz zahlreiche neue Produkte, Kooperationen und Initiativen vorgestellt, die Organisationen beim praktischen Einsatz von Blockchain-Techniken helfen sollen.

Swisscom bastelt an der Schweizer Blockchain

Der TK-Anbieter Swisscom etwa baut zusammen mit der Schweizerischen Post eine Infrastruktur für Blockchain-Anwendungen auf. Das System basiert auf der Hyperledger-Fabric-Plattform und soll künftig auch anderen Unternehmen zur Verfügung stehen. Erste Pilotanwendungen wollen die Partner im zweiten Quartal 2019 vorstellen.

Die American Association of Insurance Services (AAIS), spezialisiert auf anbieterunabhänige Versicherungsberatung, präsentierte das Pilotprojekt openIDL (Open Insurance Data Link). Auf Basis von Hyperledger Fabric sollen Versicherungsunternehmen damit ihren Berichtspflichten gegenüber Aufsichtsbehörden einfacher nachkommen und Daten sicher austauschen können.

Eine Blockchain-Plattform für die Automobilindustrie stellte der amerikanische IT-Anbieter Filament vor. Mit "Blocklet" sollen sich sogenannte Trusted Vehicle Applications (TVA) entwickeln lassen Die Lösung nutzt die Rahmenarchitekturen Hyperledger Fabric und Hyperledger Sawtooth. Dazu gehört auch spezielle Hardware von Filament sowie eine Mobilfunkverbindung, die Umwelterkennung und der Zugang zur Fahrzeugdiagnose. Automobil-, Fracht- und Transportunternehmen könnten mit der Lösung neue Konnektivitätsdienste und intelligente Vertragsanwendungen auf einer vertrauenswürdigen Blockchain-Basis entwickeln, verspricht der Anbieter.

Blockchain steuert Wertpapierhandel

Die indische Softwareschmiede KrypC zeigte eine produktionsreife Anwendung für den Finanzsektor. Sie basiert auf Hyperledger Fabric und herstellereigenen Komponenten und soll als elektronischer Handelsfinanz-Marktplatz dienen. Banken, Finanzinstitute und Finanzbehörden könnten damit Informationen und Wertpapiere auf sichere und effiziente Weise austauschen, so der Anbieter.

Ebenfalls in der Finanzbranche aktiv ist der kalifornische Softwarehersteller Altoros. Seine Blockchain-Plattform für den Peer-to-Peer-Handel mit standardisierten Finanzinstrumenten und Waren erlaubt es Benutzern, die gesamte Historie von Geboten, Angeboten und Abschlüssen auf einer Oberfläche anzuzeigen. Wie so oft fungiert die Hyperledger-basierte Blockchain dabei als gemeinsame, unveränderliche und transparente "Quelle der Wahrheit". Handeltreibende können sich damit auch einen umfassenden Überblick über die Preis- und Volumenentwicklung etwa eines Handelstags verschaffen und dazu individuelle Reportings generieren. Unterm Strich lasse sich im Vergleich zu herkömmlichen Handelsprozessen Zeit sparen, Transaktionen würden deutlich effizienter abgewickelt, argumentiert Altoros.

Identity Management über die Blockchain

Ein anderes aufkommendes Anwendungsfeld für Blockchain-Techniken ist Identity Management. Wie das in der Praxis funktionieren kann, demonstrierte SecureKey mit seinem Verified.Me-Netzwerk, das Anfang 2019 zunächst für kanadische Verbraucher verfügbar sein soll. Verified.Me ist ein digitales Identitätsnetzwerk, das auf Hyperledger Fabric in der Version 1.2 aufsetzt. Benutzern soll es die volle Kontrolle über ihre Informationen ermöglichen. Sie könnten selbst entscheiden, wann und mit wem sie Daten austauschen, wirbt der kanadische Anbieter.

Blockchain braucht Cloud Computing

Wie wichtig Cloud-Plattformen für die Verbreitung von Blockchain-Techniken geworden sind, zeigte unter anderem der Vortrag von Gari Singh, CTO von IBMs Blockchain-Sparte. Neben etlichen anderen IT-Konzernen offeriert auch IBM Blockchain-Funktionen in Form von Cloud-Services. Einschlägige Angebote werden meist unter dem Begriff Blockchain as a Service (BaaS) gehandelt. Weil Unternehmen dazu keine eigene Infrastruktur aufbauen müssen, sinkt damit tendenziell die Einstiegshürde für Blockchain-Initiativen.

Ihr volles Potenzial entfalte die Blockchain erst mit möglichst vielen Teilnehmern, erläuterte Singh. Dazu müssten die Anbieter bereit sein, mit Konkurrenten zusammenzuarbeiten. Auch IBM habe diese Lektion erst lernen müssen und offeriere seine Blockchain-Plattform mittlerweile auch in der Amazon-Cloud. AWS hatte erst kürzlich einen Managed Blockchain-Service und eine selbst entwickelte Distributed Ledger-Datenbank vorgestellt, die Cloud-Kunden nutzen können. Auch andere Branchenschwergewichte sind in diesem Segment aktiv, darunter Microsoft, Oracle, HPE, Huawei und die deutsche SAP.

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Schafft die Blockchain automatisch Vertrauen?

Im Vortragsprogramm des Hyperledger Forums wurden auch kritische Töne laut. So formulierte der prominente Security-Experte Bruce Schneier in seiner Rede drei provokante Thesen, die für reichlich Diskussionsstoff sorgten. Die Erste: "Private Blockchains sind zu 100 Prozent uninteressant". Konsens und Transaktionssicherheit zwischen mehreren Parteien ließen sich auch ohne Blockchain-Techniken herstellen. These zwei: Public Blockchains seien zwar als technisches System "cool", doch ihr konkreter Nutzen müsse erst noch bewiesen werden. In den meisten Fällen schaffe die Technologie keinen Mehrwert.

Vertrauen in die Blockchain lässt sich nur durch eine „Form von Regulierung außerhalb des Systems“ herstellen, sagt Security-Experte Bruce Schneier.
Foto: Peter Houlihan

Schneiers dritte These dürfte so manchen Blockchain-Fan ins Grübeln bringen. Die Blockchain-Technologie sei nicht per se vertrauenswürdig, argumentierte der Security-Spezialist: Menschen ver- oder misstrauten ihr genauso wie anderen Mechanismen auch. Unterm Strich verschiebe die Blockchain das Vertrauen lediglich. Menschen müssten nicht mehr einander oder einem Intermediär vertrauen, sondern einer verteilten Datenbank, dem zugrundeliegenden Programmcode und dessen Entwicklern. Dabei gebe es genügend Gründe, genau das nicht zu tun, beispielsweise die hohe Volatilität von Kryptowährungen, diverse Betrugsfälle und die Machtposition weniger großer Anbieter. Vertrauen in die Blockchain lasse sich am Ende nur durch eine "Form von Regulierung außerhalb des Systems" herstellen.