Der Markt für IT-Dienstleister

Die Besten sind mit sich selbst beschäftigt

24.09.2008 von Hermann Gfaller
Eigentlich läuft das Geschäft mit IT-Dienstleistung seit zwei Jahren so gut, dass der Fachkräftemangel als das größte Problem erscheint. Doch hausgemachte Schwierigkeiten, zusätzliche Marktteilnehmer und neue Geschäftsmodelle sorgen angesichts des anhaltenden Kostendrucks für erhebliche Unruhe hinter den Kulissen.

Die für dieses Jahr prognostizierten Wachstumsraten der Marktbeobachter bewegen sich in Deutschland für den IT-Service trotz einer sich eintrübenden Konjunktur bei über fünf Prozent, weltweit sollen es laut Gartner sogar 9,5 Prozent werden. Als Haupttreiber sehen Experton und IDC dabei IT-Auslagerung und Systemintegration. Schwer tun sich nach wie vor die IT-Berater - sofern sie ihre Dienste nicht im Rahmen von Projekten einbringen.

IT-Dienstleister in Deutschland 2007 nach Umsatz

Hersteller

Marktanteil (in Prozent)

1. T-Systems

14,1

2. Siemens IT Solutions & Services

7,3

3. IBM

6,6

4. Hewlett-Packard

3,4

5. Fujitsu-Siemens

3,4

6. Accenture

3,0

7. SAP

2,7

8. Fiducia

2,3

9. Atos Origin

1,7

10. EDS

1,5

Große Veränderungen ergaben sich bei den zehn führenden IT-Dienstleistern 2007 nicht .

Quelle: Gartner

Outsourcing als sichere Bank

Viele hiesige Analysten gehen davon aus, dass sich das Geschäft aufgrund der 2006 wieder angesprungenen Konjunktur von der oft durch Sparzwänge der Kunden geprägten Teilauslagerung hin zum beratungsintensiven und damit weit lukrativeren Projektgeschäft verlagert hat. Sprich: Auf Eis gelegte Projekte - insbesondere für Integration - wurden reaktiviert. Laut IDCs Director Research Consulting Martin Haas wuchsen 2007 jedoch sowohl Integration als auch Outsourcing mehr als die anderen IT-Services, so dass es willkürlich erscheint, von einer Verlagerung zu sprechen.

Mit einem Anteil von 40 Prozent am IT-Service-Geschäft zeigen die einst als Outsourcing-Muffel bekannten deutschen Unternehmen, wie sehr sie ihre Scheu abgelegt haben. Im Januar wollen die britischen Analysten von TPI sogar herausgefunden haben, dass Europa die USA bei der Zahl der Outsourcing-Verträge überholt hat. In Deutschland soll das Umsatzwachstum, je nach Analyst, um acht oder neun Prozent betragen.

Megadeals sind inzwischen allerdings die Ausnahme, ebenso wie Verträge, die über ein halbes Jahrzehnt und länger laufen. "Kein Grund, traurig zu sein, denn die Risiken waren für Anbieter und Anwender schwer überblickbar", meint nicht nur Forrester-Vice-President Pascal Matzke.

BPO und SaaS

Als Hoffnungsträger für bessere Margen wird seit knapp zwei Jahren hochwertiges Business Process Outsourcing (BPO) jenseits von Call-Centern gehandelt, die Nachfrage bleibt jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurück. Lünendonk-Partner Hartmut Lüerßen sieht jedoch keinen Grund aufzugeben. Er weist darauf hin, dass die Vorbereitung für das Auslagern von Prozessen relativ lange dauere. Zudem sei BPO häufig zugunsten des wieder angelaufenen Projektgeschäfts zurückgestellt worden.

Im Call-Center-Geschäft haben aus Kostengründen nach wie vor Offshorer die Nase vorn, und bei CRM etabliert sich nach dem Vorbild von Salesforce.com Software as a Service (SaaS) als Vertriebsmodell. Das derzeit in den USA propagierte HR-Outsourcing (Lohn- und Gehalt) praktizieren hierzulande schon seit Jahrzehnten Dienstleister wie die Datev. Etablieren konnte sich die Auslagerung von Beschaffungsvorgängen oder von E-Mailing. Generell bieten sich standardisier- und isolierbare Prozesse (Output-Management, Beschaffung, Rechnungsbearbeitung, Reporting etc.) auch für neue Sourcing-Modelle wie Software as a Service (SaaS) an.

Allerdings mischen in diesem Geschäft zunehmend Softwareanbieter mit. Salesforce.com ist für CRM in Mode, Microsoft baut unter Hochdruck Rechenzentren, und kein ERP-Anbieter wagt sich mehr ohne Hosting-Angebote zum Kunden. Die Karten sind hier noch nicht verteilt. Konkurriert zum Beispiel SAP mit einschlägigen Dienstleistern wie dem indischen Offshorer Satyam, kauft es solche Unternehmen, um das Geschäft allein machen zu können, oder lassen sich die Walldorfer auf Partnerschaften ein?

Kostendruck

Obwohl die meisten Outsourcing-Projekte aus Kostengründen angegangen werden, betonen Hersteller wie Marktbeobachter die anderen Vorzüge des Konzepts. Dienstleister sind als IT-Spezialisten stets auf dem aktuellen Stand der Technik, reagieren flexibler auf Änderungen der Geschäftsanforderungen und können Security- und Compliance-Garantien geben, mit denen etwa Mittelständler überfordert wären. Außerdem wollen sie entdeckt haben, dass es den Kunden nicht mehr nur ums Sparen geht, sondern vermehrt um Kostentransparenz.

Zumindest bei Infrastruktur-Services geben sich die Kunden allerdings mehr als kostenbewusst. So möchten hiesige Unternehmen laut einer IDC-Umfrage für einen Rundum-Desktop-Service (inklusive Hardware) nicht mehr als 30 Euro im Monat investieren. Das wären im üblichen PC-Abschreibungszeitraum von drei Jahren gerade einmal 1080 Euro.

Trotz der niedrigen Margen setzen eine Reihe von Dienstleistern auf Infrastruktur-Services. Für Hardwarehersteller wie Fujitsu-Siemens oder Dell bilden diese eine natürliche Erweiterung des Supportgeschäfts. Händler wie Computacenter haben kaum eine andere Wahl als die ebenfalls mageren Hardware-Gewinnspannen durch Services aufzubessern. Vor allem aber gelten Infrastruktur-Services als Sprungbrett zu höherwertigen Outsourcing-Aufträgen. So erhielt EDS vom Logistik-Dienstleister CAT, wo die HP-Tochter in spe seit 2005 ein Netz mit 2000 PC-Arbeitsplätzen betreut, jetzt einen Sieben-Jahres-Vertrag zur Entwicklung einschlägiger Softwareapplikationen.

Gedrängel auf dem Marktplatz

Da längst alle Großunternehmen reichlich mit IT-Dienstleistung versehen sind, tobt um diese wenigen Kunden ein knallharter Verdrängungswettbewerb, der entsprechend auf die Margen drückt. Schon rechnet es sich für die Anbieter, den hiesigen Mittelstand anzugehen, wo die Bereitschaft zu aktuellen Sourcing-Modellen zunimmt. Allerdings legen Mittelständler großen Wert auf Branchen-Know-how sowie darauf, mit den Dienstleistern auf Augenhöhe verhandeln zu können.

Verschärft wird der Kostendruck zusätzlich dadurch, dass neben den schon erwähnten Softwerkern auch Händler und Hardwarehersteller auf den Markt für IT-Dienstleistungen drängen. Der Preisverfall bei den Produkten zwingt sie nahezu, ihre Supportleistungen zu Infrastruktur-Services auszuweiten.

Auffällig ist, dass sich der Wirbel um die Offshore-Konkurrenz aus Indien gelegt hat. Zwar finden Konzerne wie TCS, Wipro und Infosys durchaus Kunden, haben mit ihren günstigen Angeboten aber nicht - wie befürchtet - die herkömmlichen Anbieter ruiniert, sondern vielmehr zum Vorteil der gesamten Branche die Outsourcing-Akzeptanz stimuliert. Längst schnüren IBM, EDS oder Cap Gemini mit eigenen Offshore-Kapazitäten ähnlich günstige Angebote und sind in der Verflechtung mt On- und Nearshore manchmal sogar flexibler.

Auch bei der Standardisierung des Service-Delivery holen die klassischen Anbieter rasch auf. Indische Dienstleister aus der zweiten Riege wie Satyam oder Cognizant müssen damit rechnen, zum Übernahmekandidaten zu werden, wenn es ihnen nicht gelingt - wie immer wieder angekündigt - in Europa und und Deutschland Fuß zu fassen.

Dumm ist nur, dass gerade die hierzulande aktiven Top Ten der IT-Dienstleister mehr mit sich als mit ihren Kunden beschäftigt sind. HP kauft EDS, Fujitsu-Siemens muss um seine Zukunft bangen, und T-Systems baut Mitarbeiter ab, während alle anderen händeringend nach spezialisierten Mitarbeitern fahnden.

Insgesamt drängt sich die Frage auf: Reicht das einstellige Wachstum für IT-Dienstleistungen, um all die Unternehmen zu ernähren, die in das Geschäft drängen?

Reaktionen auf den Kostendruck

Die Reaktion fast aller Outsourcing-Dienstleister liegt in der seit Jahren propagierten Standardisierung beziehungsweise Industrialisierung von Services. Dabei geht es zum einen um das Kunststück, die Leistungen an den Stellen zu kürzen, die vom Kunden nicht vermisst werden, und zudem Geld und Aufwand zu sparen. Aus Marketing-Sicht funktionieren Standards wie die Eckpreise im Reisebüro. Die Kunden werden mit günstigen Preisen in den Laden gelockt, um dann den Verkäufer durch kostenplichtige Extrawünsche zu erfreuen.

Der Markt für IT-Services nach Segmenten

  1. Outsourcing: 40 Prozent

  2. Systemintegration: 24 Prozent

  3. Support: 21 Prozent

  4. Training: 6 Prozent

  5. Beratung: 5 Prozent

  6. Anwendungsentwicklung: 3 Prozent

BU: Der hohe Anteil für Outsourcing und Systemintegration deutet darauf hin, dass 2007 das wachsende Projektgeschäft noch nicht auf die Umsätze durchgeschlagen hat. Der niedrige Beratungsanteil erklärt sich dadurch, dass Teile davon beim Integrationsgeschäft mitgezählt wurden.

Quelle: IDC 2008

Technologisch und organisatorisch führt Industrialisierung zu dem, was heute IT-Service-Management heißt. Sprich, die Dienstleister bauen erst einmal für sich eine IT-Organisation nach den Itil-Kriterien auf, die es ermöglichen soll, die Informationstechnik (auch die der Kunden) und vor allem Prozesse flexibel an neue Anforderungen anzupassen und zudem diese Kunden mit ihren wechselnden Anforderungen über eine Configuration-Management-Datenbank (CMDB) verwalten und abrechnen zu können. Die IBM hat kürzlich ihre weltweiten Dienstleistungs-Rechenzentren größtenteils darauf umgestellt. Computacenter, ein wesentlich kleinerer Anbieter von Managed Infrastructure Services, behauptet, das längst getan zu haben.

Optimal wäre es, wenn auch die Anwender sich in Richtung IT-Service-Management bewegten, weil es dann viel einfacher wäre, sich als Dienstleister in die IT des Kunden einzuklinken. Gartner prangert allerdings das Schneckentempo bei der Einführung von IT-Service-Management als eines der größten Risiken der IT-Service-Branche an.

Neben der kostensenkenden Industrialisierung von Services sichern sich die Großen der Branche ihre Position durch die Akquisition von Mitbewerbern ab - so wird HP EDS übernehmen - sowie durch Global Sourcing. Dass nicht längst sehr viel mehr hiesige Dienstleister aufgekauft wurden, liegt vor allem daran, dass die internationalen Player in den vergangenen Jahren damit beschäftigt waren, sich Offshore-Kapazitäten aufzubauen. Analysten wie Lünendonk und Berlecon beobachten zudem, dass sich die globalen Dienstleister - analog zur Automobilindustrie - eine Korona von Subkontraktoren zulegen, die zum einen regionale Bedürfnisse befriedigen und zum anderen als Kontakt zu den umworbenen Mittelständlern dienen.

Von zentraler Bedeutung für die deutschen Exportweltmeister ist es, dass die Dienstleister sie überall in der Welt unterstützen können. Auf Infrastrukturseite bevorteilt diese Anforderung die großen Servicekonzerne, aber auch Branchenspezialisten. Schwierig wird es für mittelgroße Unternehmen mit breitem Dienstleistungsangebot. Sie müssen sich überlegen, ob für sie die Globalisierung oder die Spezialisierung das geringere Risiko darstellt.

Die Marktführer sind mit sich selbst beschäftigt

Ein Blick auf die Ranglisten der verschieden Analysten zeigt zwar Unterschiede (aufgrund der Methodiken) aber kaum Veränderungen. Bei Gartner etwa rangiert seit Jahren T-Systems vor Siemens IT Solutions & Services (SIS, früher SBS) und IBM. Es folgen die üblichen Player HP, Fujitsu-Siemens, Accenture, SAP, Fiducia, Atos Origin, EDS, CSC etc.

Doch die Namen rufen Schlagzeilen in Erinnerung, die alles andere als Stillstand signalisieren. T-Systems erschloss sich im März dieses Jahres mit dem indischen Partner Cognizant ein globales Geschäftspotenzial, dessen Wirkung allerdings auf sich warten lässt. Stattdessen will der Dienstleister Mitarbeiter abbauen. Ganz ungewiss ist die Zukunft von Fujitsu-Siemens und seinen am Produktsupport orientierten Services. Einen Tag nach der Vorstellung eines umfassenden Desktop-Service für Konsumenten wie Unternehmen wurde bekannt, dass Siemens mit Fujitsu darüber verhandelt, das Joint Venture 2010 auslaufen zu lassen. Tatsächlich kann Konzernchef Peter Löscher mit einer Umsatzrendite von nur einem Prozent kaum zufrieden sein. Nach Einschätzung der Experton Group zieht sich Siemens komplett aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnik zurück.

Auf der anderen Seite hat HP durch die geplante Übernahme von EDS seine Ambitionen im Servicegeschäft unterstrichen. Dank des Muts zu dem riskanten Megadeal rückt HP damit hinter der IBM zur weltweiten Nummer zwei der IT-Dienstleister auf. In Deutschland jedoch verharrt das Gespann auf Platz vier, da das Gros der zugekauften EDS-Kunden (Behörden in den USA und Großbritannien) für den hiesigen Markt wenig Bedeutung hat. Allerdings nähert sich HP/EDS mit einem rechnerischen Marktanteil von 4,9 Prozent der IBM (6,6 Prozent). Positiv könnte sich das ausgefeilte EDS-Konzept für das Kombinieren von On-, Near- und Offshoring auswirken. Eine Schwäche bleibt jedoch das Geschäft mit Prozessberatung, während die Infrastruktur-Services gestärkt werden.

Was die SAP betrifft, so streiten sich die Analysten über die Zahlen. Während das Unternehmen bei Gartner und PAC auf Platz sieben der am deutschen Markt aktiven IT-Dienstleister rangiert, mag ihm Lünendonk keinen Platz unter den ersten 25 zugestehen.

SIS schließlich wurde nach der Ausgliederung des Supportbereichs näher an den Siemens-Konzern geholt, und selbst die IBM hat sich hierzulande neu geordnet. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass die meisten großen Player - mit Ausnahme von Accenture und der Fiducia - derzeit ihre Kräfte mehr auf interne Prozesse konzentrieren, als sich um Neukunden zu bemühen.

Während die hiesigen Platzhirsche mit sich selbst beschäftigt sind, nutzen die globalen Konkurrenten die Gelegenheit, um sich durch Akquistionen in besetzten Märkten wie Deutschland über Unternehmen aus der zweiten Reihe einzukaufen, wie die Mehrheitsbeteiligung der japanischen NTT Data am bislang BMW-eigenen IT-Beratungshaus Cirquent (ehemals Softlab) demonstriert. Damit folgen NTT Data und deren Nachahmer einer Strategie, die Gartner schon vor Jahren voraussagte, die aber durch die Notwendigkeit des Aufbaus von Offshore-Kapazitäten verzögert wurde.