Desktop-Virtualisierung

Die Anwender zögern noch

04.11.2009 von Oliver Häussler
Die Vorteile der Desktop-Virtualisierung sind für Anwender nicht so einfach darstellbar wie die der Server-Virtualisierung. Der deutsche Markt könnte sich langsamer entwickeln als erwartet.

Glaubt man der Prognose des Marktforschungsinstituts Gartner, so ist ein Trend für Desktop-Virtualisierung zu erwarten: Im März sagten die Analysten voraus, dass der weltweite Markt für Hosted Virtual Desktops von derzeit 500.000 auf 49 Millionen Einheiten in 2013 anwachsen wird. Das entspricht einer Umsatzsteigerung von 1,3 auf 65,7 Milliarden Dollar oder einem Anteil von derzeit einem auf 40 Prozent des professionellen PC-Markts.

Zumindest in Deutschland, so scheint es, reift der Markt langsamer als vorhergesagt. Viele Anwender sind noch nicht von diesem Konzept überzeugt. Die Gründe dafür liegen einerseits an den - im Vergleich zur Server-Virtualisierung - nicht so einfach darstellbaren Kostenvorteilen. Andererseits ist Desktop-Virtualisierung nicht ohne Einbeziehung und Akzeptanz der User zu realisieren, wodurch die Umsetzung weitaus komplexer wird.

"Rechnet sich der Business-Case?"

Anbieter von Desktop-Virtualisierung - auch Virtual Desktop Infrastructure (VDI) genannt - sprechen gerne von Kosteneinsparungen, höherer Flexibilität, mehr Sicherheit und der Vereinfachung des Administrationsaufwands. Denn bei der Desktop-Virtualisierung laufen das Betriebssystem der Clients sowie die Anwendungen auf einer virtuellen Maschine auf dem Server. Jedem Mitarbeiter wird dort ein virtueller Arbeitsplatzrechner zugeordnet, auf den er von seinem Computer oder einem Terminal aus zugreifen kann. Diese Zentralisierung kann Vorteile bei den Kosten und dem Administrationsaufwand mit sich bringen.

Viele IT-Verantwortliche kennen das bereits aus vorangegangenen Projekten der Server-Virtualisierung, die auf dem Markt weitaus stärker verbreitet ist. Dennoch bleiben die meisten Anwender skeptisch, wenn es darum geht, nun auch die Desktops zu virtualisieren. Denn zunächst einmal muss auf Serverseite im Rechenzentrum stark investiert werden. Dazu gehört die Aufrüstung der Server, ausreichend Bandbreite zum Nutzer, Investitionen in Lizenzen und gegebenenfalls auch die Anschaffung neuer Clients.

Während bei der Server-Virtualisierung eine Amortisierung oft schon nach kurzer Zeit eintritt, ist der Einspareffekt auf Desktop-Seite nicht einfach durch höhere Auslastung und Reduzierung der Hardware zu erreichen. Der Vorteil des verringerten Administrationsaufwandes lässt sich in einer Wirtschaftlichkeitsrechnung in Euro und Cent nicht so einfach darstellen. Das führt dazu, dass die meisten IT-Verantwortlichen die Kosteneinsparungen heute noch nicht sehen und sich fragen, ob sich der Business-Case überhaupt rechnet.

Ein weiterer Grund für das Abwarten auf Kundenseite liegt darin, dass sich die Angebote ändern. Neuere Lösungen wie beispielsweise kürzlich von Citrix angekündigt, unterstützen nahezu jedes Virtualisierungs-Szenario. Einen Aufschwung wird der Markt durch Microsofts neues Betriebssystem Windows 7 erfahren, das Virtualisierungsfunktionen sowie Features im Remote-Desktop-Protokoll eingebaut hat. Mit der neuen Software VMware View können nicht nur individuelle Desktops virtualisiert werden, sondern auch mobile Endgeräte.

Ärger vermeiden

Desktop-Virtualisierung: Hierzulande zeigen die Unternehmen noch Berührungsängste.

Das größere Handicap bei der Zurückhaltung vieler Kunden scheint jedoch psychologischer Art zu sein und es liegt beim User: "Der Anwender will seine individuelle Umgebung beibehalten und sieht in der Desktop-Virtualisierung keinen Vorteil", sagt ein Virtualisierungsberater. "Stellt die IT-Abteilung auf Desktop-Virtualisierung um, so bekommt sie größten Ärger vom Anwender, sobald etwas nicht so funktioniert wie zuvor". Das haben inzwischen auch die Anbieter erkannt. In einem Whitepaper ist zu lesen: "Es ist wichtig, dass Endanwender nach der Implementierung einer Lösung für die Desktop-Virtualisierung nicht auf den gewohnten Komfort und Performance verzichten müssen - andernfalls ist mit erheblichen Akzeptanzproblemen zu rechnen". Das bedeutet für die IT einen erheblichen Mehraufwand bei der Umsetzung. Schließlich geht es dabei nicht mehr allein um die Technik, sondern auch um diplomatisches Geschick und Überzeugungsarbeit gegenüber dem User.

Das Schlimmste, was einem IT-Projekt geschehen kann, ist, dass die Anwender die Lösung nicht akzeptieren. Wer eine Umstellung oder Migration plant, sollte darauf achten, die Anwender von Beginn an mit einzubinden und sie für das Projekt zu gewinnen. Andernfalls ist Ärger vorprogrammiert.

Für große Unternehmen geeignet

Die via Desktop-Virtualisierung erzielte Zentralisierung kann Kosten und administrativen Aufwand reduzieren.

Prinzipiell gilt: Je größer und einheitlicher die Client-Landschaft ist, desto stärker fallen die Vorteile eines zentralisierten Desktops ins Gewicht, wie: Weniger Aufwand für die PC-Beschaffung, einfacherer Rollout von Software und Neuinstallationen, Austausch von Endgeräten, Anwendungs-Management, Sicherheit, Wartung und Performanceüberwachung. Damit wird deutlich, dass große Unternehmen wie Banken und Versicherungen weitaus bessere Voraussetzungen für die Desktop-Virtualisierung mitbringen als beispielsweise kleine Agenturen mit sehr heterogenen Arbeitsplatzprofilen und Anwendern, die großen Wert auf ihre individuelle Computerausstattung legen.

Kosten sind ein Entscheidungskriterium

Der von den Marktanalysten prognostizierte Trend wird aber auch in Deutschland einsetzen, wenngleich mit etwas Verzug. Die Herausforderung der Anbieter, diese Entwicklung zu beschleunigen, besteht darin, die Vorteile der Desktop-Virtualisierung individuell für jeden Kunden transparent zu machen und die Virtualisierung der Desktops nicht losgelöst von der Server- und Storage-Virtualisierung zu betrachten, sondern integrierte Lösungen anzubieten. Last but not least spielt für die Kundenakzeptanz natürlich auch das Kostenargument eine gewichtige Rolle: Je günstiger die Angebote sind, desto niedriger die Einstiegshürde.