Im Kampf gegen den Terror

Deutsche sind gegen Lockerung des Datenschutzes

10.09.2017 von Kevin Bocek
Persönliche Daten in der Hand der Regierung. Eine Studie befragte dazu 1.000 Deutsche.

Die Streitigkeiten des FBI mit Apple bezüglich der Entschlüsselung des iPhones eines Terroristen aus dem letzten Jahr haben eine hitzige Diskussion entflammt. Die zentrale Frage: Sollten Privatunternehmen von staatlicher Seite aus gezwungen werden können, Informationen von Privatpersonen weiterzuleiten oder sogar den eigenen Quellcode offenlegen?

Die Deutschen zeigen klare Kante: Die Mehrzahl möchte die persönlichen Daten nicht in den Händen der Regierung sehen.
Foto: Ismael Jorda - shutterstock.com

Genau diese Frage stellten die Meinungsforscher von OnePoll 1.000 Verbrauchern aus Deutschland im Auftrag des IT-Sicherheitsspezialisten Venafi. Die Antwort fiel geteilt aus: 65 Prozent der Studienteilnehmer lehnen einen Blankoschein für Regierungen ab, die von Unternehmen die Herausgabe von sensiblen Informationen über Nutzer fordern. Nur knapp ein Viertel (23,5 Prozent) spricht sich dafür aus und 11,5 Prozent sahen sich nicht in der Lage, die Frage zu beantworten.

Eine andere Frage im Rahmen der Studie befasst sich mit der Rolle der IT-Unternehmen und lautet: "Glauben Sie, die Regierung sollte die Macht besitzen, IT-Unternehmen dazu zu zwingen, ihr einen Zugang zu verschlüsselten Daten zu gewähren?" Auch hier zeichnet sich ein ähnliches Ergebnis ab: wieder signalisieren knapp zwei Drittel (63,1 Prozent) der Befragten ein Nein. 23,5 Prozent hingegen entschieden sich für Ja.

Was die beiden Fragen angeht, lassen sich klare Parallelen zur Apple vs. FBI-Debatte und eine interessante Entwicklung in Deutschland beobachten. Der Streit in den USA hat gezeigt, wie weit Regierungen gehen, um Informationen in ihren Besitz zu bringen. Damals verlangte das FBI von Apple, auf die Daten eines Verdächtigen zugreifen zu können.

Wenn Software-Unternehmen dem Druck nachgeben, dann freuen sich nicht nur die ausführenden Staatsorgane, sondern auch Cyberkriminelle. In Deutschland hat die Regierung mit dem "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" einen anderen Weg gewählt. Die zuständigen Beamten nutzen Maschinenidentitäten nun dafür, Personen in Deutschland aufzuspüren. Die Macht der maschinellen Identitäten kann gewaltige Ausmaße annehmen.

Das aktuelle Interesse der deutschen Öffentlichkeit an Datenschutz und Hintertüren sowie Staatstrojanern zeigt, dass deutsche Behörden diese Macht anscheinend ausnutzen wollen. Diese Entwicklung führt dazu, dass das Vertrauen der Verbraucher in das Internet und alle damit zusammenhängende neuen Geschäftsmodelle grundsätzlich in Gefahr gerät.

Vorwurf des Machtmissbrauchs auch im privaten Umfeld

Über die Hälfte der Umfrageteilnehmer (56,8 Prozent) hegt den Verdacht, die Bundesregierung missbrauche die Möglichkeit, auf persönliche Daten zuzugreifen. 43,2 Prozent teilen diese Auffassung nicht.
Aber sehen die Befragten die Bundesregierung überhaupt dazu in der Lage, sich Zugang zu persönlichen Informationen der Bürger zu verschaffen? Auf die Frage "Welche der folgenden Regierungen befindet sich Ihrer Meinung nach am ehesten in der Lage, auf persönliche Bürgerinformationen zuzugreifen?" antworteten die Befragten wie folgt:

Allerdings plädiert die eindeutige Mehrheit der Deutschen (70,9 Prozent) für eine klare Absage in Richtung der Bundesregierung. Diese Umfrageteilnehmer möchten ihre persönlichen Informationen nicht preisgeben. Nur 19,1 Prozent sprächen sich für ein solches Recht aus.

Obwohl der Großteil der Befragten persönliche Daten nicht in den Händen der Regierung wissen möchte, ist das Vertrauen hinsichtlich der Absicherung von Informationen, über die der Staat bereits verfügt, relativ hoch. Im Hinblick auf diese Informationen vertrauen über 60 Prozent der Verbraucher der Bundesregierung hinsichtlich der sicheren Speicherung. Allerdings halten auch 39,9 Prozent ihre persönlichen Informationen für nicht ausreichend genug geschützt.

Innere Sicherheit zieht als Argument: Mehr Schutz durch Entschlüsselung?

Mehr als die Hälfte (51,8 Prozent) der Umfrageteilnehmer glaubt, ein entsprechendes Gesetz zum Zugriff der Regierung auf Daten schütze sie besser vor Terroranschlägen. Lediglich 30,9 Prozent widersprechen dieser Aussage. Keinen Nutzen bezüglich der Terrorabwehr erwarten ebenso viele Befragte (30,9 %).

Solange es der inneren Sicherheit dient, scheinen Verbraucher Persönlichkeitsrechte und Datenschutz für nicht so wichtig zu erachten. Hier ist eine klare Diskrepanz zwischen der vorherigen Aussage festzustellen. Denn warum ist es für die Befragten in Ordnung, persönliche Daten zur Terrorbekämpfung zu erfassen, und im Gegenzug die Sicherheit der Daten mehrheitlich in Frage zu stellen? Die Antwort kann nur sein, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird und eine klare Unterscheidung zwischen den eigenen und den Persönlichkeitsrechten anderer getroffen wird.

Umso überraschender sind aber die folgenden Zahlen in Bezug auf die Cyber-Kriminalität:

Das Vertrauen des Staates ist also nicht so groß, dass es ausreicht, um sich vor cyber-kriminellen Machenschaften zu schützen. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten (57,7 %) ist der Ansicht, dass sich die Bundesregierung aktuell nicht in der Lage befindet, sie adäquat vor Cyberkriminalität zu schützen.
Hier stellt sich die Frage: Könnte die Bundesregierung mit einer Art "Generalschlüssel" im Ernstfall auf verschlüsselte Informationen zugreifen, um dann im Notfall eingreifen zu können?

Die größten Cyberangriffe auf Unternehmen
Die Top 15 Hacker-Angriffe auf Unternehmen
Unternehmen weltweit rücken seit Jahren in den Fokus von Hackern und Cyberkriminellen. Identitäts- und Datendiebstahl stehen bei den Anhängern der Computerkriminalität besonders hoch im Kurs - kein Wunder, dass Cyber-Risk-Versicherungen immer mehr in Mode kommen. Wir zeigen Ihnen 15 der größten Hacking-Attacken auf Unternehmen der letzten Jahre.
Yahoo
Erst im September musste Yahoo den größten Hack aller Zeiten eingestehen. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass dieselben Hacker sich bereits ein Jahr zuvor deutlich übertroffen hatten: Bei einem Cyberangriff im August 2013 wurden demnach die Konten von knapp einer Milliarde Yahoo-Usern kompromittiert. Dabei wurden Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter abgegriffen.
Dyn
Eine massive DDoS-Attacke auf den DNS-Provider Dyn sorgt im Oktober für Wirbel: Mit Hilfe eines Botnetzes – bestehend aus tausenden unzureichend gesicherten IoT-Devices – gelingt es Cyberkriminellen, gleich drei Data Center von Dyn lahmzulegen. Amazon, GitHub, Twitter, die New York Times und einige weitere, große Websites sind über Stunden nicht erreichbar.
Cicis
Auch die US-Pizzakette Cicis musste Mitte 2016 einen Hackerangriff eingestehen. Wie das Unternehmen mitteilte, wurden die Kassensysteme von 130 Filialen kompromittiert. Der Diebstahl von Kreditkartendaten ist sehr wahrscheinlich. Wie im Fall von Wendy's und Target gelang es Hackern auch bei Cicis Malware in das Point-of-Sale-Kassensystem einzuschleusen. Erste Angriffe traten bereits im Jahr 2015 auf, im März 2016 verstärkten sich die Einzelattacken zu einer groß angelegten Offensive. Nach eigenen Angaben hat Cicis die Malware inzwischen beseitigt.
Wendy's
Anfang Juli 2016 wurde ein Hacker-Angriff auf die US-Fastfood-Kette Wendy’s bekannt. Auf den Kassensystemen wurde Malware gefunden – zunächst war von weniger als 300 betroffenen Filialen die Rede. Wie sich dann herausstellte, waren die Malware-Attacken schon seit Herbst 2015 im Gange. Zudem ließ die Burger-Kette verlauten, dass wohl doch bis zu 1000 Filialen betroffen seien. Die Kreditkarten-Daten der Kunden wurden bei den Malware-Angriffen offenbar ebenfalls gestohlen. Wie im Fall von The Home Depot hatten sich die Hacker per Remote Access Zugang zum Kassensystem der Fast-Food-Kette verschafft.
Heartland Payment Systems
Noch heute gilt der 2008 erfolgte Cyberangriff auf das US-Unternehmen Heartland Payment Systems als einer der größten Hacks aller Zeiten wenn es um Kreditkartenbetrug geht. Heartland ist einer der weltweit größten Anbieter für elektronische Zahlungsabwicklung. Im Zuge des Hacks wurden rund 130.000.000 Kreditkarten-Informationen gestohlen. Der Schaden für Heartland belief sich auf mehr als 110 Millionen Dollar, die zum größten Teil für außergerichtliche Vergleiche mit Kreditkartenunternehmen aufgewendet werden mussten. Verantwortlich für den Hack war eine Gruppe von Cyberkriminellen. Deren Kopf, ein gewisser Albert Gonzalez, wurde im März 2010 wegen seiner maßgeblichen Rolle im Heartland-Hack zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Heartland bietet seinen Kunden seit 2014 ein besonderes Security-Paket - inklusive "breach warranty".
Sony Playstation Network
Im April 2011 ging bei vielen Playstation-Besitzern rund um den Globus nichts mehr. Der Grund: ein Cyberangriff auf das digitale Serviceportal Playstation Network (PSN). Neben einer Ausfallzeit des PSN von knapp vier Wochen (!) wurden bei der Cyberattacke jedoch auch die Daten (Kreditkarteninformationen und persönliche Daten) von rund 77 Millionen PSN-Abonennten gestohlen. Sony informierte seine Nutzer erst rund sechs Tage über den Hack - und musste sich dafür harsche Kritik gefallen lassen. Die Kosten des PSN-Hacks beliefen sich auf circa 170 Millionen Dollar. Die Verantwortlichen wurden bislang nicht identifiziert.
Livingsocial.com
Die Online-Plattform Livinggsocial.com (inhaltlich vergleichbar mit Groupon) wurde im April 2013 Opfer eines Hacker-Angriffs. Dabei wurden die Passwörter, E-Mail-Adressen und persönlichen Informationen von circa 50 Millionen Nutzern der E-Commerce-Website gestohlen. Glücklicherweise waren die Finanzdaten von Kunden und Partnern in einer separaten Datenbank gespeichert. Die Verursacher des Security-Vorfalls wurden nicht identifiziert.
Adobe Systems
Mitte September 2013 wurde Adobe das Ziel von Hackern. Circa 38 Millionen Datensätze von Adobe-Kunden wurden im Zuge des Cyberangriffs gestohlen - darunter die Kreditkarteninformationen von knapp drei Millionen registrierter Kunden. Die Hacker die hinter dem Angriff standen, wurden nicht gefasst.
Target Corporation
Die Target Corporation gehört zu den größten Einzelhandels-Unternehmen der USA. Ende des Jahres 2013 musste Target einen Cyberangriff eingestehen, bei dem rund 70 Millionen Datensätze mit persönlichen Informationen der Kundschaft gestohlen wurden. Weitaus schwerer wog jedoch, dass unter diesen auch 40 Millionen Datensätze waren, die Kreditkarteninformationen und sogar die zugehörigen PIN-Codes enthielten. Für außergerichtliche Einigungen mit betroffenen Kunden musste Target rund zehn Millionen Dollar investieren, der damalige CEO Gregg Steinhafel musste ein halbes Jahr nach dem Hack seinen Hut nehmen.
Snapchat
Ein kleiner Fehler führte Ende Dezember 2013 dazu, dass Hacker die Telefonnummern und Nutzernamen von 4,6 Millionen Snapchat-Usern veröffentlicht haben. Snapchat selbst geriet darauf ins Kritikfeuer von Nutzern und Sicherheitsforschern, denn wie so oft war die Ursache für die Veröffentlichung der Daten ein Mangel an Sicherheitsvorkehrungen. Die von Hackern verursachten Probleme sind jedoch meist weniger schlimm als der Schaden, der nach der Veröffentlichung folgt. Auch wenn man seinen Nutzernamen oder seine Telefonnummer nicht als großes Geheimnis ansieht – ein motivierter Angreifer wie ein Stalker oder ein Identitäts-Dieb könnten mit diesen Daten Übles anrichten. Dieser Hack zeigt wiederum, dass alle Daten wichtig sind - vor allem wenn sie den Nutzern gehören. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Entwickler von Snapchat diesen Sicherheitsfehler gerne vor den Hackern gefunden hätten.
Ebay Inc.
Im Mai 2014 wurde Ebay das Ziel von Cyberkriminellen. Zwar wurden bei der Attacke keine Zahlungsinformationen entwendet - dafür aber E-Mail-Adressen, Usernamen und Passwörter von knapp 145 Millionen registrierten Kunden. Die Hacker erlangten scheinbar über von Ebay-Mitarbeitern gestohlene Logins Zugriff auf die Datenbanken des Unternehmens. Die Verantwortlichen wurden nicht identifiziert.
J.P. Morgan Chase
Mit J.P. Morgan rückte im Juli 2014 eine der größten US-Banken ins Visier von Cyberkriminellen. Rund 83 Millionen Datensätze mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Kunden fielen den Hackern in die Hände. Zugang erlangten die Kriminellen offensichtlich über gestohlene Login-Daten eines Mitarbeiters. Allerdings musste sich J.P. Morgan den Vorwurf gefallen lassen, seine Systeme nicht ausreichend zu schützen. Inzwischen wurden in den USA und Israel vier Personen festgenommen, die mutmaßlich an diesem Hack beteiligt waren.
The Home Depot
Die US-Baumarktkette The Home Depot wurde im September 2014 Opfer eines besonders hinterhältigen Hacks. Cyberkriminelle hatten es geschafft, Malware in das Kassensystem von über 2000 Filialen einzuschleusen. Die Folge davon: 56 Millionen Kreditkarteninformationen von Bürgern der USA und Kanada wurden direkt bei der Zahlung in den Home-Depot-Geschäften entwendet. Darüber hinaus fielen auch noch 53 Millionen E-Mail-Adressen in die Hände der Hacker. Der Schaden für das US-Unternehmen wird auf rund 62 Millionen Dollar beziffert.
Anthem Inc.
Anthem gehört zu den größten Krankenversicherern der USA. Im Februar 2015 gelang es Cyberkriminellen, persönliche Daten von circa 80 Millionen Kunden zu stehlen. Die Datensätze enthielten Sozialversicherungsnummern, E-Mail-Adressen und Anschriften. Darüber hinaus wurden auch Gehaltsinformationen von Kunden und Angestellten entwendet. Immerhin: Medizinische Daten sollen nicht betroffen gewesen sein. Verschiedenen Security-Experten zufolge führt die Spur des Hacks nach China.
Ashleymadison.com
Anschriften, Kreditkartennummern und sexuelle Vorlieben von circa 40 Millionen Usern hat eine Hackergruppe namens Impact Team im August 2015 nach einem Cyberangriff auf das Seitensprung-Portal Ashley Madison öffentlich gemacht. Der Angriff bewies, dass Ashley Madison nicht – wie eigentlich versprochen – persönliche Informationen der Nutzer gegen eine Gebühr löschte. Das erbeutete 30-Gigabyte-Paket beinhaltete insgesamt 32 Millionen Datensätze, darunter 15.000 Regierungs- und Militäradressen von Nutzern. Auch Teile des Seitenquellcodes und interne E-Mails der Betreiber lagen dadurch offen. Aufgrund der intimen Nutzerdaten und der geheimnisvollen Natur von Ashley Madison ist dieser Hackerangriff besonders heikel. Dass die Betreiber persönliche Daten auch auf Wunsch nicht vernichtet haben, zeigt ein Problem von Unternehmen, die personenbezogene Daten auf verschiedenen Systemen verarbeiten. Aber auch solche Unternehmen müssen Nutzerinformationen gegen Gefahren schützen – ganz gleich, ob die Gefahr von externen Hackern, böswilligen Insidern oder zufälligen Datenverlusten ausgeht. Ein Ashleymadison-User hat inzwischen vor einem Gericht in Los Angeles Klage gegen Avid Life Media eingereicht. Der Vorwurf: fahrlässiger Umgang mit hochsensiblen Daten. Ein Antrag auf Sammelklage ist ebenfalls bereits eingegangen. Sollte das Gericht diesem folgen, könnten ALM Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe ins Haus stehen.

Fazit

Angesichts einer Reihe von Sicherheitsvorfällen im Behördenumfeld (Ransomware), erklärt sich das Ergebnis der Umfrage. Gerät ein solcher "Generalschlüssel" in den Besitz von Cyberverbrechern - was durchaus denkbar wäre - gleichen die Konsequenzen einer Krypto-Apokalypse. Nichts und niemand wäre dann noch vor einem Cyber-Angriff sicher.